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Darmbakterien
Stuhltransplantation hilft Krebspatienten

Mit Stuhltransplantationen kann man bei Patienten die Vielfalt der Bakterien im Darm restaurieren, wie US-Forscher herausfanden. Diese Möglichkeit ist besonders relevant für Menschen, die mit Chemotherapie oder Breitband-Antibiotika behandelt werden - denn diese zerstören die gesunde Darmflora.

Von Christine Westerhaus | 27.09.2018
    Mikroaufnahme einer Stuhlprobe zeigt den Normalbefund.
    Im Darm siedeln viele Bakterien, die für dessen Gesundheit sorgen - auf der Basis von Stuhlproben lassen sie sich wiederherstellen (picture alliance / Okapia / Gary Gaugler)
    Was bei der Verdauung übrig bleibt, wollen die meisten Menschen so schnell wie möglich loswerden. Doch Eric Pamer und seine Kollegen vom Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York hatten vor ein paar Jahren Größeres damit vor: Sie baten ihre Patienten, den eigenen Kot zu sammeln und froren ihn für später ein. Diese Probanden standen kurz vor einer Knochenmarktransplantation. Weil dieser Eingriff das Immunsystem weitgehend lahmlegt, werden den Patienten hohe Dosen an Antibiotika verabreicht. Doch die schädigen auch die nützlichen Bakterien im Darm.
    "Uns ist aufgefallen, dass nach dieser Behandlung viele Bakterienspezies aus dem Darm verschwanden, und wir konnten nachweisen, dass die Patienten dadurch eine erhöhte Sterblichkeit haben. Deshalb wollten wir einer Studie testen, ob wir diese verlorenen Bakterien ersetzen können, indem wir Stuhlproben der Patienten vorher einfrieren und damit den Darm nach der Knochenmarktransplantation wieder besiedeln."
    Gesunde Bakterienkultur wiederherstellen
    Die Forscher behandelten 14 Probanden nach der Transplantation mit ihrem eigenen Kot, den sie direkt in den Darm einspülten. Elf Patienten dienten als Kontrolle. Danach untersuchten die Forscher ein Jahr lang, welche Bakterien sich im Darm der Testpersonen ansiedelten.
    "Im Darm der Patienten, denen wir ihren eigenen Kot eingespült hatten, fanden wir nach dem Eingriff ähnliche Bakterien, wie vor der Knochenmarktransplantation. Außerdem entdeckten wir, dass sich bestimmte Gruppen von Bakterien, die wir mit Darmgesundheit und einem funktionierendem Immunsystem in Verbindung bringen, bei ihnen deutlich häufiger angesiedelt hatten, als in der Kontrollgruppe. Es zeigt also, dass wir das Mikrobiom von Patienten erfolgreich ersetzen können, indem wir Bakterien vorher einfrieren und nach der Antibiotikabehandlung wieder zurückgeben."
    Bei Chemotherapie und Breitband-Antibiotika
    Eine ähnliche Behandlung haben niederländische Forscher vor ein paar Jahren bereits erfolgreich bei Patienten mit schweren Durchfallerkrankungen eingesetzt: Auch deshalb geht Eric Pamer davon aus, dass Stuhltransplantationen vielen Menschen dabei helfen können, die Vielfalt der Bakterien im Darm wieder herzustellen.
    "Bei Patienten, die eine Chemotherapie bekommen oder längere Zeit mit Breitband-Antibiotika behandelt werden müssen, macht es Sinn, die Bakteriengemeinschaft im Darm zu restaurieren. Wir wissen inzwischen, dass diese Mikroben den Körper vor einer Vielzahl von Krankheitserregern schützen und die Reaktionen des Immunsystems unterstützen. Deswegen denke ich, dass diese Stuhltransplantationen in Zukunft ein Routineeingriff in der medizinischen Behandlung werden."
    Behandlung mit Ekelfaktor
    Allerdings ist die Behandlung recht aufwendig. Und die Vorstellung, den eigenen Kot verabreicht zu bekommen, nicht jedermanns Sache. Eric Pamers Patienten hatten zwar kaum Berührungsängste. Doch der Mediziner ist überzeugt, dass menschliche Bakteriengemeinschaften in Zukunft auch ohne Ekelfaktor restauriert werden können.
    "Ich denke, dass wir innerhalb der kommenden zehn Jahre nicht mehr auf Stuhltransplantationen zurückgreifen werden müssen, sondern in der Lage sein werden, nützliche Bakterien mithilfe so genannter Probiotika zu ersetzen. Also mit lebenden Mikroben in Präparaten, die wir verabreichen können."
    Bis solche Bakterienkulturen erhältlich sind, rät Eric Pamer aber dringend von Selbstversuchen ab. Wer seine Mikrobengemeinschaft im Darm vor einer Behandlung retten will, sollte nicht mit eigenen Stuhlproben herumexperimentieren.