Friedbert Meurer: Seit gestern, Sonntag, liegt die Zahl jetzt also vor. Die EU-Staaten, die den Euro als Währung haben, werden Griechenland in den nächsten drei Jahren insgesamt mit 80 Milliarden Euro unter die Arme greifen. Der IWF in Washington legt noch einmal 30 weitere Milliarden drauf. Das heißt, Athen wird alles in allem in den nächsten drei Jahren geplante 110 Milliarden Euro als Kredit bekommen, um seine Schulden bedienen zu können, und ein Fünftel dieser Kreditlast, dies als letzte Zahl, die wird Deutschland zu tragen haben. Welche Folgen wird das alles für die Politik haben, in Berlin, für Nordrhein-Westfalen – in sechs Tagen wird dort der Landtag neu gewählt -, aber auch für den parlamentarischen Betrieb? Am Telefon begrüße ich Ulrich von Alemann, Politikwissenschaftler an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Guten Tag, Herr von Alemann.
Ulrich von Alemann: Guten Tag, Herr Meurer.
Meurer: Wir hatten ja schon einmal die Situation, dass die Abgeordneten in rasendem Tempo milliardenschwere Bankenrettungspakete absegnen mussten. Was bedeutet es für die Abgeordneten, dass sie jetzt schon wieder innerhalb von fünf Tagen 22 Milliarden Euro Kredite freigeben müssen?
von Alemann: Das bedeutet viel Stress für die Abgeordneten und für alle Politiker, alle die Beamten, die im Hintergrund arbeiten, viel Stress über eine Sache, die auch von den Bundestagsabgeordneten kaum jemand wirklich bis auf den Grund durchschaut, denn die wirklichen Gründe und die wirklichen Folgen der Griechenland-Krise können nur ganz wenige Experten wirklich verstehen, und das macht die Sache so im Grunde unheimlich.
Meurer: Nagt das ein wenig an der, ich sage mal, Legitimität solcher Entscheidungen im Bundestag?
von Alemann: Sicherlich. Unheimliche Situationen verunsichern, weil man wirklich nicht alle Faktoren einer solchen Entscheidung wirklich beurteilen kann, weder der einzelne Bundestagsabgeordnete, noch die meisten Experten, die immer nur Experten für ein kleines Teilgebiet sind. Hier sind so viele verschiedene Materien, Weltfinanzströme, Bankenfinanzierungsformen, Währung und Kredit, so viele Teilaspekte überschneiden sich gegenseitig. Wer durchschaut wirklich, die Griechen ja selber nicht, die griechische Haushaltslage und die Folgen für Griechenland, dann möglicherweise für andere Mittelmeerländer? Das ist eine sehr, sehr, muss ich schon sagen, ungemütliche Situation.
Meurer: Halten Sie es für möglich, dass das Bundesverfassungsgericht, das ja auch den Inhalt der Sache wahrscheinlich prüfen wird, auch die Form überprüfen könnte?
von Alemann: Ja, das ist immer denkbar, dass das Bundesverfassungsgericht eingreift. Nur das wäre ja immer sehr problematisch, weil es ja erst im Nachhinein, wenn alles längst entschieden ist, urteilen kann. Das Bundesverfassungsgericht, bis es dort zu einem Urteil käme, braucht ein bis zwei Jahre wahrscheinlich, bis so ein Fall wirklich entscheidungsreif ist, und dann sind eigentlich alle wesentlichen Dinge schon passiert. Also ich weiß es nicht, ob es dazu kommen wird. Das würde die Sache eher noch komplizierter machen.
Meurer: Nun will es der Zeitplan, Herr von Alemann, dass ausgerechnet in der Woche vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, auf die ja sowieso alle schon gestarrt haben, wie wird sie ausgehen, welche Folgen wird sie für Berlin haben, dieses Szenario jetzt aufgefächert wird. Was glauben Sie, wie sich die Abstimmung diese Woche, die ganze Diskussion auf den Ausgang der Landtagswahl auswirken wird?
von Alemann: Eine unsichere Lage, eine sozusagen für den Wähler unheimliche Lage schafft verstärkte Unsicherheit und schafft damit weitere Unkalkulierbarkeit dieses Wahlausgangs, der ja für die Bundesrepublik insgesamt in der Tat sehr wichtig ist. Das ist also schwer zu prognostizieren, auch für jemand, der schon viele Wahlen beobachtet hat wie ich, ist es schwer zu sagen, welche Wirkung sein wird. Dass die Bundesregierung hier lange gezögert hat, wie sie handeln soll, dass es hin und her ging, gehen wir sehr radikal vor, oder helfen wir solidarisch Griechenland, gehen wir einzeln vor, das wird bei dem Wähler auch auf Unsicherheit stoßen. Ob der Wähler diese Unsicherheit auf der Bundesebene überträgt auf die Landesebene, ist die eine große Frage. Natürlich beeinflussen die Bundesergebnisse immer Landtagswahlen. Gerade eine so wichtige große Landtagswahl wie in Nordrhein-Westfalen ist auch in der Vergangenheit immer vom Bundestrend stark beeinflusst worden. Es ist also anzunehmen, dass es beeinflussend wirkt. Es wird die Unsicherheit des Wählers, wie soll ich mich denn entscheiden, vergrößern, und wie er dann in der Wahlkabine selber schließlich möglicherweise sich in letzter Sekunde entscheidet, wo er sein Kreuz macht, das ist eben in der Tat schwer zu kalkulieren.
Meurer: Sie haben sich, Herr von Alemann, immer wieder mit dem Thema Parteienfinanzierung auseinandergesetzt. Da haben wir ja jetzt die Geschichte, dass in Nordrhein-Westfalen die CDU bei der letzten Wahl 2005, als Rot-Grün abgewählt wurde, die CDU mit Jürgen Rüttgers an die Macht kam, eine Wählerinitiative aufgebaut habe, die als unabhängig auftrat, es aber faktisch nicht war, sondern doch am Arm der CDU hing. Inwiefern verstößt dieses Vorgehen gegen das Parteienfinanzierungsgesetz?
von Alemann: Wenn es eine Tarnorganisation war, die eigentlich voll von der Partei selber, der CDU, gesteuert worden war, dann sind alle Zuwendungen, die es für diese Organisation gegeben hat, Parteispenden im Sinne des Parteiengesetzes und müssen deklariert, müssen angegeben, müssen öffentlich, transparent gemacht werden. Das ist im Augenblick noch offensichtlich streitig, wobei ich allerdings dazu einschränkend sagen muss, dass ist vor fünf Jahren gewesen, das ist angesichts der Höhe der Probleme, die sonst im Lande sind, eher ein kleines Problem.
Meurer: Aber für die CDU-Wahlkampfkasse könnte es ein Problem werden?
von Alemann: Für die könnte es ein Problem werden, denn die müsste, wenn der Mittelverwalter, also der Bundestagspräsident hier eine Rüge erteilt, das Doppelte der gespendeten Mittel noch als Strafe draufzahlen. Das wäre natürlich ein Problem für die Parteikasse. Andererseits muss ich sagen, es ist ein bisschen eine Unart von vielen Parteien, solche Wählerinitiativen tatsächlich als Partei mitzusponsern und zu unterstützen.
Meurer: Das gibt es also häufiger?
von Alemann: Das gibt es auch in anderen Parteien, dass die Parteien natürlich sehr gerne von freien Initiativen unterstützt werden, und das ist nicht immer leider Gottes völlig unabhängig von den jeweiligen Parteien.
Meurer: Worin liegt denn der materielle Vorteil dieser Tarnorganisationen?
von Alemann: Der Vorteil liegt darin, dass eine Unterstützung einer Partei umso glaubwürdiger ist, desto weniger sie von der Partei selbst gemacht wird. Ein Plakat der Partei, "wählt mich", "wählt die SPD", "wählt die CDU", ist weniger glaubwürdig als ein Plakat einer Initiative von freien, unabhängigen Menschen aus allen Berufen, die sagen, wählt die CDU, wählt die SPD, weil wir sie auch wählen, weil wir davon überzeugt sind. Das wirkt eben glaubwürdiger und deswegen unterstützen die Parteien auch gerne solche Initiativen.
Meurer: Besteht ein Vorteil auch darin, dass diejenigen, die einer Wählerinitiative spenden, die Spende komplett absetzen können, was sie bei einer Parteispende nicht können, und dass das alles auch nicht veröffentlicht werden muss?
von Alemann: Ja. Wenn das natürlich der Fall ist, wenn sie die als Betriebsausgaben absetzen, dann ist das ein Vorteil für die Spender. Wenn es aber wirklich eine quasi Parteispende ist, dann ist es ein Verstoß gegen das Parteiengesetz.
Meurer: Der Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, bei uns heute Mittag im Deutschlandfunk. Herr von Alemann, besten Dank und auf Wiederhören.
Ulrich von Alemann: Guten Tag, Herr Meurer.
Meurer: Wir hatten ja schon einmal die Situation, dass die Abgeordneten in rasendem Tempo milliardenschwere Bankenrettungspakete absegnen mussten. Was bedeutet es für die Abgeordneten, dass sie jetzt schon wieder innerhalb von fünf Tagen 22 Milliarden Euro Kredite freigeben müssen?
von Alemann: Das bedeutet viel Stress für die Abgeordneten und für alle Politiker, alle die Beamten, die im Hintergrund arbeiten, viel Stress über eine Sache, die auch von den Bundestagsabgeordneten kaum jemand wirklich bis auf den Grund durchschaut, denn die wirklichen Gründe und die wirklichen Folgen der Griechenland-Krise können nur ganz wenige Experten wirklich verstehen, und das macht die Sache so im Grunde unheimlich.
Meurer: Nagt das ein wenig an der, ich sage mal, Legitimität solcher Entscheidungen im Bundestag?
von Alemann: Sicherlich. Unheimliche Situationen verunsichern, weil man wirklich nicht alle Faktoren einer solchen Entscheidung wirklich beurteilen kann, weder der einzelne Bundestagsabgeordnete, noch die meisten Experten, die immer nur Experten für ein kleines Teilgebiet sind. Hier sind so viele verschiedene Materien, Weltfinanzströme, Bankenfinanzierungsformen, Währung und Kredit, so viele Teilaspekte überschneiden sich gegenseitig. Wer durchschaut wirklich, die Griechen ja selber nicht, die griechische Haushaltslage und die Folgen für Griechenland, dann möglicherweise für andere Mittelmeerländer? Das ist eine sehr, sehr, muss ich schon sagen, ungemütliche Situation.
Meurer: Halten Sie es für möglich, dass das Bundesverfassungsgericht, das ja auch den Inhalt der Sache wahrscheinlich prüfen wird, auch die Form überprüfen könnte?
von Alemann: Ja, das ist immer denkbar, dass das Bundesverfassungsgericht eingreift. Nur das wäre ja immer sehr problematisch, weil es ja erst im Nachhinein, wenn alles längst entschieden ist, urteilen kann. Das Bundesverfassungsgericht, bis es dort zu einem Urteil käme, braucht ein bis zwei Jahre wahrscheinlich, bis so ein Fall wirklich entscheidungsreif ist, und dann sind eigentlich alle wesentlichen Dinge schon passiert. Also ich weiß es nicht, ob es dazu kommen wird. Das würde die Sache eher noch komplizierter machen.
Meurer: Nun will es der Zeitplan, Herr von Alemann, dass ausgerechnet in der Woche vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, auf die ja sowieso alle schon gestarrt haben, wie wird sie ausgehen, welche Folgen wird sie für Berlin haben, dieses Szenario jetzt aufgefächert wird. Was glauben Sie, wie sich die Abstimmung diese Woche, die ganze Diskussion auf den Ausgang der Landtagswahl auswirken wird?
von Alemann: Eine unsichere Lage, eine sozusagen für den Wähler unheimliche Lage schafft verstärkte Unsicherheit und schafft damit weitere Unkalkulierbarkeit dieses Wahlausgangs, der ja für die Bundesrepublik insgesamt in der Tat sehr wichtig ist. Das ist also schwer zu prognostizieren, auch für jemand, der schon viele Wahlen beobachtet hat wie ich, ist es schwer zu sagen, welche Wirkung sein wird. Dass die Bundesregierung hier lange gezögert hat, wie sie handeln soll, dass es hin und her ging, gehen wir sehr radikal vor, oder helfen wir solidarisch Griechenland, gehen wir einzeln vor, das wird bei dem Wähler auch auf Unsicherheit stoßen. Ob der Wähler diese Unsicherheit auf der Bundesebene überträgt auf die Landesebene, ist die eine große Frage. Natürlich beeinflussen die Bundesergebnisse immer Landtagswahlen. Gerade eine so wichtige große Landtagswahl wie in Nordrhein-Westfalen ist auch in der Vergangenheit immer vom Bundestrend stark beeinflusst worden. Es ist also anzunehmen, dass es beeinflussend wirkt. Es wird die Unsicherheit des Wählers, wie soll ich mich denn entscheiden, vergrößern, und wie er dann in der Wahlkabine selber schließlich möglicherweise sich in letzter Sekunde entscheidet, wo er sein Kreuz macht, das ist eben in der Tat schwer zu kalkulieren.
Meurer: Sie haben sich, Herr von Alemann, immer wieder mit dem Thema Parteienfinanzierung auseinandergesetzt. Da haben wir ja jetzt die Geschichte, dass in Nordrhein-Westfalen die CDU bei der letzten Wahl 2005, als Rot-Grün abgewählt wurde, die CDU mit Jürgen Rüttgers an die Macht kam, eine Wählerinitiative aufgebaut habe, die als unabhängig auftrat, es aber faktisch nicht war, sondern doch am Arm der CDU hing. Inwiefern verstößt dieses Vorgehen gegen das Parteienfinanzierungsgesetz?
von Alemann: Wenn es eine Tarnorganisation war, die eigentlich voll von der Partei selber, der CDU, gesteuert worden war, dann sind alle Zuwendungen, die es für diese Organisation gegeben hat, Parteispenden im Sinne des Parteiengesetzes und müssen deklariert, müssen angegeben, müssen öffentlich, transparent gemacht werden. Das ist im Augenblick noch offensichtlich streitig, wobei ich allerdings dazu einschränkend sagen muss, dass ist vor fünf Jahren gewesen, das ist angesichts der Höhe der Probleme, die sonst im Lande sind, eher ein kleines Problem.
Meurer: Aber für die CDU-Wahlkampfkasse könnte es ein Problem werden?
von Alemann: Für die könnte es ein Problem werden, denn die müsste, wenn der Mittelverwalter, also der Bundestagspräsident hier eine Rüge erteilt, das Doppelte der gespendeten Mittel noch als Strafe draufzahlen. Das wäre natürlich ein Problem für die Parteikasse. Andererseits muss ich sagen, es ist ein bisschen eine Unart von vielen Parteien, solche Wählerinitiativen tatsächlich als Partei mitzusponsern und zu unterstützen.
Meurer: Das gibt es also häufiger?
von Alemann: Das gibt es auch in anderen Parteien, dass die Parteien natürlich sehr gerne von freien Initiativen unterstützt werden, und das ist nicht immer leider Gottes völlig unabhängig von den jeweiligen Parteien.
Meurer: Worin liegt denn der materielle Vorteil dieser Tarnorganisationen?
von Alemann: Der Vorteil liegt darin, dass eine Unterstützung einer Partei umso glaubwürdiger ist, desto weniger sie von der Partei selbst gemacht wird. Ein Plakat der Partei, "wählt mich", "wählt die SPD", "wählt die CDU", ist weniger glaubwürdig als ein Plakat einer Initiative von freien, unabhängigen Menschen aus allen Berufen, die sagen, wählt die CDU, wählt die SPD, weil wir sie auch wählen, weil wir davon überzeugt sind. Das wirkt eben glaubwürdiger und deswegen unterstützen die Parteien auch gerne solche Initiativen.
Meurer: Besteht ein Vorteil auch darin, dass diejenigen, die einer Wählerinitiative spenden, die Spende komplett absetzen können, was sie bei einer Parteispende nicht können, und dass das alles auch nicht veröffentlicht werden muss?
von Alemann: Ja. Wenn das natürlich der Fall ist, wenn sie die als Betriebsausgaben absetzen, dann ist das ein Vorteil für die Spender. Wenn es aber wirklich eine quasi Parteispende ist, dann ist es ein Verstoß gegen das Parteiengesetz.
Meurer: Der Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, bei uns heute Mittag im Deutschlandfunk. Herr von Alemann, besten Dank und auf Wiederhören.