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Das DeutschlandRadio erhält heute die 200. Frequenz in Thüringen

    Durak: Wir breiten uns in Thüringen aus. Das DeutschlandRadio erhält heute in Weimar seine 200. Frequenz. Anlass für uns, mit unserem Intendanten Ernst Elitz über das DeutschlandRadio zu sprechen. Wer hört uns wo, wie und vor allem weshalb und weshalb auch nicht?

    Die Schüler hocken hierzulande fast alle schon wieder über den Büchern; da haben wir unsere Zeugnisse hier bekommen, wir die Journalisten über die jüngste Medienanalyse. Und das Ergebnis heißt: der nationale Hörfunk hat stabile Marktanteile. Im Klartext heißt das: gut gehalten, aber es könnte besser sein, Herr Elitz, nicht wahr?

    Elitz: Ja, es kann immer besser sein, aber die Einschaltquoten für das DeutschlandRadio, für beide Programme, den Deutschlandfunk wie das DeutschlandRadio Berlin, haben sich innerhalb der letzten zwei Jahre verdoppelt. Damit sind wir tatsächlich ein Solitär in der Medienlandschaft. Solche Erfolge hat kein anderer aufzuweisen. Alle sind schon froh, wenn sie stabil bleiben.

    Uns ist es durch diese Verdoppelung gelungen, inzwischen über sieben Millionen regelmäßige Hörer überall in Deutschland zu haben und 1,3 Millionen Hörer, die täglich die Programme des Deutschlandfunks und des DeutschlandRadio Berlin einschalten. Die meisten davon den Deutschlandfunk.

    Durak: Ein paar kommen jetzt in Thüringen hinzu. In Weimar gibt es ab heute die neue Frequenz 89,7. Das sollte man sich dort in Thüringen merken, wenn man den Deutschlandfunk in Weimar ganz genau und gut hören will. Herr Elitz, warum gerade dort?

    Elitz: Wir können es uns nicht immer aussuchen, wo neue Frequenzen aufgeschaltet werden. Die Hörerinnen und Hörer denken häufig, jetzt soll mal das DeutschlandRadio, der Intendant oder die Technische Direktion dafür sorgen, dass ich dieses Programm überall gut hören kann. Das sind sehr schwierige Prozesse. In jedem einzelnen Bundesland gibt es Landesmedienanstalten. Bei denen müssen wir unsere Frequenzen beantragen. Das UKW-Frequenznetz ist schon ziemlich ausgekämmt. Jeder weiß es. Die Landesrundfunkanstalten haben starke Frequenzen. Ihre Programme sind überall gut zu hören. Dann sind die privaten Veranstalter hinzugekommen. Die haben auch einigermaßen gute Frequenzen.

    Als letztes kam der nationale Hörfunk im Jahre 1994 auf den Markt, und da waren die meisten guten und starken Frequenzen schon weg. Jetzt müssen wir sehen, wo gelingt es uns noch, neue Frequenzen zu bekommen, denn wir haben den Auftrag, unsere beiden Programme flächendeckend anzubieten. Diese Frequenzen müssen wir uns jedoch ganz mühsam besorgen. Nun haben wir Glück. Wir haben eine neue Frequenz in Weimar bekommen, und das ist die 200.!

    Durak: Wo haben wir denn im bundesweiten Netz für den nationalen Hörfunk noch die größten Lücken?

    Elitz: Wir haben die größten Lücken noch in Baden-Württemberg und in Bayern, leider auch in Nordrhein-Westfalen, obwohl Nordrhein-Westfalen ja ein Sitzland des DeutschlandRadios ist. Zudem haben wir auch in Hessen noch einige Schwierigkeiten. In einigen anderen Gebieten im Norden und Osten Deutschlands sowie in Sachsen sind wir sehr gut mit Frequenzen ausgestattet. In Thüringen ist das für Weimar jetzt noch eine Füllfrequenz. Das führt dann natürlich auch dazu, dass wir in den Regionen, wo wir über gute technische Empfangsmöglichkeiten verfügen, auch besonders viele Hörer haben. Das gilt zum Beispiel für eine Stadt wie Hamburg, das gilt für Berlin, das gilt für Sachsen und das gilt dann auch für Gebiete wie beispielsweise Stuttgart, wo wir gute Empfangsmöglichkeiten haben. Dort erreichen wir dann für Informations- und Kulturprogramme sehr gute Quoten.

    Durak: Woran liegt es, dass wir diese Frequenzen nicht haben? Haben wir keine guten Beziehungen zu den Landesregierungen?

    Elitz: Das ist ein technisches Problem. Die Landesregierungen sind Anhänger eines nationalen Hörfunks, der sich auf Information und Kultur konzentriert, der werbefrei ist. Das ist bei vielen eine Idealvorstellung für den öffentlich-rechtlichen Hörfunk. Bloß es gelten gewisse technische Gegebenheiten. Es ist die Physik, die die Grenze dafür setzt, ob man irgendwo eine neue Frequenz aufschalten kann oder nicht. Die Konkurrenz ist groß. Wer etwas hat, gibt nichts heraus. Die Landesrundfunkanstalten bauen ihre Programme aus. Der Hessische Rundfunk hat inzwischen acht Hörfunkprogramme und die Privatprogramme wollen sich natürlich auch immer wieder verbessern. So sind wir immer in einer harten Konkurrenz.

    Durak: Wir sind ja nicht nur was die Frequenzen angeht in Konkurrenz, insbesondere mit den Landesrundfunkanstalten, die auch sogenannte gehobene ARD-Hörfunkprogramme produzieren wie wir auch. Wir, beide Programme des DeutschlandRadios, haben aber den besonderen Auftrag, zur Integration von Ost und West beizutragen. Wie ist dies in den Jahren seit 1994 gelungen?

    Elitz: Es ist uns deshalb schon gut gelungen, weil wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Ost und West in unserem Programm vereinen konnten. Jeder ist mit seiner ganz persönlichen Neugier, seiner Erfahrung an die Arbeit herangegangen. Vieles was für den Journalisten, der in West-Deutschland groß geworden ist, ganz selbstverständlich war, war für Kolleginnen oder Kollegen, die aus dem Osten kamen, neu und alle sind mit ihrer speziellen Neugier an die Themen herangegangen. Das gleiche galt für die Westdeutschen, wenn sie sich mit Problemen der DDR oder der neuen Bundesländer beschäftigt haben.

    Diese unterschiedliche Neugier, die unsere Journalistinnen und Journalisten an den Tag gelegt haben, hat natürlich auch das unterschiedliche Interesse der Hörerinnen und Hörer in Ost und West gefunden. Auch dort sind wir wieder ein Solitär in der Medienlandschaft. Das DeutschlandRadio ist der einzige Medienanbieter, der seine Hörerschaft proportional gleich auf Ost und West verteilt hat.

    Durak: Wir haben aber als nationaler Hörfunk beileibe nicht das Monopol für die Integration von Ost und West. Das müssen andere Anstalten auch tun, und sie tun es ja auch, Herr Elitz. Was also unterscheidet uns von Landesrundfunkanstalten, die sich vernünftigerweise auch der Einheit annehmen?

    Elitz: Die Landesrundfunkanstalten konzentrieren sich auf ihre regionale Berichterstattung. Das ist ja der Sinn eines nationalen Hörfunks, wie wir ihn veranstalten, dass wir uns neben den Landesrundfunkanstalten, die sich auf ihre Regionen konzentrieren und mit der Konzentration auf die Region Hörerbindung betreiben, an Hörer wenden, die über die Landesgrenzen hinaus schauen, und dass wir den Auftrag haben, das Interessanteste aus allen Ländern zu präsentieren. Diese Integrationsaufgabe gilt nicht nur für Ost und West; die gilt auch für Nord und Süd, denn die Friesen und die Bayern müssen genauso viel voneinander erfahren wie die Sachsen und die Schleswig-Holsteiner.

    Durak: Wir werden besonders gut im Osten gehört, geht aus dieser schon mal erwähnten Medienanalyse hervor. Besonders gut im Osten, weshalb das?

    Elitz: Einmal haben wir dort eine sehr gute technische Versorgung. Man kann unsere Programme dort ohne Schwierigkeiten hören, was in Teilen der alten Bundesländer leider nicht der Fall ist. Offenbar gibt es auch bei den Bürgern in den neuen Bundesländern ein besonderes Interesse an Informationen. Wir können dieses Interesse an Informationen mit 80 Prozent Wortanteil im Deutschlandfunk offenbar besser befriedigen als Programme, die mit sehr viel Musik und mit sehr viel Volkstümelei zu den Hörern kommen.

    Durak: Die 80 Prozent Wortanteil im Deutschlandfunk bringen mich auf eine andere Zahl. Der Deutschlandfunk ist kein Seniorenprogramm, aber der Altersdurchschnitt liegt bei den meisten unserer Hörer weit über 50. Sollte der Deutschlandfunk in irgendeiner Form etwas mehr auf jüngere Menschen zugehen oder gerade in Konkurrenz zu Landesrundfunkanstalten bei dem bleiben, was er macht?

    Elitz: Nein, wir bleiben bei dem was wir machen und wir erfahren immer, dass auch gerade ein jüngeres Publikum sich für diese Programme interessiert. Wenn wir uns vor Augen führen, dass der Altersdurchschnitt der Bevölkerung immer mehr steigt, wenn wir uns vor Augen führen, dass wir beide, als wir im jugendlichen Alter von 18 oder 19 waren, möglicherweise auch nicht so informationsinteressiert waren wie wir es heute sind, dann kommt man leicht auf einen Altersdurchschnitt, der über 50 liegt. Das ist jetzt kein Spezifikum der Programme des DeutschlandRadios, sondern das ist ein Spezifikum aller Informationsprogramme. CNN hat einen weit höheren Altersdurchschnitt seiner Zuschauer als der Altersdurchschnitt unserer Hörer. Information ist etwas, was Leute mit Erfahrungen und einer gewissen Weltsicht besonders interessiert, aber trotzdem machen wir spezielle Angebote für junge Leute nicht nur bei uns im Internet, sondern auch in Sendungen wie ?Campus und Karriere? und in ?CORSO?. Dort bieten wir bestimmte Informationen und Service auch für ein jüngeres Publikum, denn im jüngeren Publikum liegt natürlich auch unsere Zukunft.

    Durak: Sie haben den nationalen Hörfunk mal mit der BBC verglichen und als deutsche BBC beschrieben. Was fehlt uns noch, um wirklich dort hinzukommen?

    Elitz: Uns fehlen einmal die Frequenzen. Ansonsten sind wir es. Wir sind die deutsche BBC. Es war in Deutschland schwer zu vermitteln, was soll überhaupt ein nationaler Hörfunk. Man war aus der Tradition daran gewöhnt, dass es eben regionale Landesrundfunkanstalten gibt, und BBC steht für einen nationalen Hörfunk. Der ist parallel zu den nationalen Fernsehangeboten von ARD und ZDF damals endlich auch in Deutschland gegründet worden. Wir sind ein reiner Hörfunkveranstalter. Sicher fragt man sich manchmal, ob in einer Zeit, in der die großen Medienkonzerne in allen Medienbereichen aktiv sind oder beteiligt sind, Zeitungen, Zeitschriften, Radio und Fernsehen, ob angesichts einer solchen Entwicklung die Zukunft des öffentlich-rechtlichen, steuer- und gebührenfinanzierten Rundfunks in der Vereinzelung liegt. Das macht es natürlich schwer, wenn man nur Radio hat und nicht auch durch das Fernsehen auf sich aufmerksam machen kann.

    Link: Interview als RealAudio