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"Das Eis wird sich im nächsten Winter wieder neu bilden"

Klimaforschung.- Das Eis der Arktis schwindet stark - eine altbekannte Tatsache. Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie stellt nun anhand eines neuen Modells die These auf, dass dies für das Klima gar nicht so schlimm sei wie stets befürchtet.

Jochem Marotzke im Gespräch mit Monika Seynsche |
    Monika Seynsche: Die Welt erwärmt sich und das macht sich ganz besonders in der Arktis bemerkbar. Denn dort schmilzt das Meereis immer stärker - und zwar in einer Art Teufelskreis. Je mehr Eis verschwindet, desto mehr dunkler Ozean wird frei. Der wiederum kann mehr Wärme absorbieren und die lässt wiederum mehr Eis schmelzen. Forscher warnen deshalb schon seit langem davor, dass bald ein Kipp-Punkt erreicht sein könnte, also ein Punkt, ab dem diese Entwicklung nicht mehr rückgängig machbar ist, das heißt, das Eis immer weiter sich zurückzieht. Selbst dann, wenn der Mensch den Klimawandel doch noch aufhalten könnte. Jetzt aber schließen Hamburger Forscher aus ihren Modellen, dass es vielleicht doch noch Hoffnung gibt. Einer von ihnen ist Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Ihn habe ich gefragt, was er und seine Kollegen modelliert haben.

    Jochen Marotzke: Dieser Effekt, den Sie beschrieben haben, dass das Eis abnimmt und deswegen der dunkle Ozean mehr Sonneneinstrahlung absorbiert und deswegen die Erwärmung nochmal wieder verstärkt wird - dieser Effekt tritt natürlich auch auf. Und wir haben in unserem Modell diesen Effekt mal im Extremfall durchgespielt. Wir haben gesagt, was ist, wenn das gesamte Meereis weg ist im Sommer? Und dann haben wir festgestellt, dass dieser Effekt der zusätzlichen Erwärmung im Sommer zwar auftritt, aber es gibt andere Effekte, die letztlich diese zusätzliche Wärmeaufnahme des dunklen Ozeans überwiegen und dazu führen, dass das Meereis doch wieder zurückkommt.

    Seynsche: Und was sind das für Effekte?

    Marotzke: Das ist zum einen, dass wenn Sie jetzt vom Sommer in den Winter übergehen, das Eis natürlich noch weg ist. Aber im Winter ist es so, dass dann der Ozean die Wärme an die Atmosphäre und dann auch wieder an den Weltraum abgibt. Und hier hilft nun für diese Wärmeabgabe, dass das Meereis weg ist. Denn das Meereis ist normalweise ein sehr guter Isolator. Er schützt also den warmen Ozean sozusagen vor der kalten Atmosphäre. Aber in unserem Modell ist es jetzt so: Da das Eis weg ist, gibt der Ozean ungehindert die Wärme an die Atmosphäre ab. Das ist ein Effekt. Und der andere Effekt ist etwas komplexer: dass nämlich im Winter vor allem die Wärmezufuhr in die Arktis schwächer wird - in unseren Rechnungen, wenn das Eis weg ist. Normalerweise hätte man so die Atmosphäre transportiert - auch im Winter - ... viel Wärme in die Arktis. Dieser Effekt ist bei uns abgeschwächt. Und insofern haben wir also zwei abkühlende Effekte: das eine ist, der Ozean gibt die Wärme ab in den Weltraum, und das andere ist, aus niederen Breiten kommt nicht so viel Wärme zu.

    Seynsche: Aber warum kommt aus niederen Breiten nicht so viel Wärme dazu?

    Marotzke: Das liegt daran, dass zunächst einmal die Atmosphäre wärmer ist - also nachdem das Eis geschmolzen ist, dann ist die Atmosphäre wärmer in der Arktis. Und die Wärmezufuhr von niederen Breiten hängt vom Temperaturunterschied in der Atmosphäre ab. Wenn die Arktis zunächst mal anormal warm ist, wird diese Wärmezufuhr eben reduziert, weil der Antrieb, der durch den Temperaturunterschied kommt, ist dann etwas schwächer.

    Seynsche: Was bedeutet das denn für Klimamodelle jetzt, ihre Aussagen?

    Marotzke: Es bedeutet, dass zunächst mal dieser Effekt, dieser Teufelskreis des abschmelzenden Eises, also der Effekt grundsätzlich ist zwar da, aber er ist eben nicht der einzige Effekt, der vorherrscht. Und er ist auch nicht der dominante Effekt. Und insgesamt bedeutet dass für Klimamodelle, aber auch für das wirkliche Klima, dass natürlich, wenn die Arktis sich erwärmt durch die globale Erwärmung, das Meereis zurückgehen wird. Wir müssen aber nicht damit rechnen, dass, falls durch eine zufällige Fluktuation, sagen wir ein besonders warmer Sommer, wenn das Eis mal besonders stark zurückgeht, müssen wir nicht damit rechnen, dass es dabei bleibt, sondern das Eis wird sich im nächsten Winter wieder neu bilden. Wir haben also nicht so einen sogenannten Kipp-Punkt, dass heißt, wenn es einmal weg ist, käme es nicht mehr wieder, das war ja die Befürchtung. Und diese Befürchtung haben wir wie ich finde sehr überzeugend ausgeräumt.