Dienstag, 14. Mai 2024

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Das Ende des Geiseldramas von Beslan

Es sind grausige Bilder, die uns heute den ganzen Tag aus Nord-Ossetien erreichen: Tote, Verletzte, Menschen auf der Flucht, gezeichnet von dem, was sie in den letzten zwei Tagen erlebten und erlitten. Es kam, wie viele befürchteten: es war ein Ende mit Schrecken - das Ende jenes Geiseldramas in der Schule Nr. 1 von Beslan.Die Erstürmung des Gebäudes forderte zahlreiche Opfer - nach jüngsten Meldungen möglicherweise weit mehr als 150. Das melden heute abend die Nachrichtenagenturen. Und diese Befürchtung äußerte auch Aslambek Aslachanow, Berater von Präsident Putin.

Henning von Löwis im Gespräch mit Jewgenij Bowkun - Eine Dokumentation von Claudia Sanders | 03.09.2004
    Die gute Nachricht: über 400 Geiseln sind befreit - und die meisten Kinder haben überlebt. 20 Geiselnehmer sollen getötet worden sein. Will man russischen Quellen Glauben schenken, so befinden sich darunter zehn Araber. Das ganze Ausmaß des Geiseldramas - die endgültige Bilanz des Schreckens - wird wohl erst in einigen Tagen feststehen. Einige der Terroristen sollen sich zu dieser Stunde immer noch in der Schule verschanzt haben.

    Was müssen das für Menschen sein, die am ersten Schultag nach den Sommerferien eine Schule überfallen und wehrlose Kinder und ihre Lehrer in Geiselhaft nehmen! Bundesaußenminister Joschka Fischer sprach von einem "abscheulichen Verbrechen". Und ein Sprecher des Weißen Hauses bezeichnete den Terrorakt als "barbarisch". Für die Toten von Beslan seien die Terroristen verantwortlich.Wie immer die Geiselbefreiung heute morgen begonnen haben mag - auch das ist noch umstritten -, Präsident Wladimir Putin blieb nichts anderes übrig, als zu handeln.

    Henning von Löwis: Jewgenij Bowkun, Sie haben als russischer Journalist von Deutschland aus das dramatische Geschehen in Nord-Ossetien verfolgt. Hat Putin richtig gehandelt? Hatte er überhaupt eine Wahl?

    Jewgenij Bowkun: Der hatte keine Wahl, aber er hat nur zögernd gehandelt, und er zögert immer, nicht, weil das in seinem Charakter liegt, aber vielleicht deswegen, weil er nur ganz wenige Informationen hatte. Er wollte die Lage genauer analysieren und dann eingreifen. Aber es scheint so zu sein, dass die zuständigen Kollegen oder die Politiker, die für die Situation verantwortlich waren, zu wenig Informationen geliefert haben. Insoweit hat er selbst gesagt, er wird die Erfolge seiner Terrorismus-Bekämpfungs-Politik daran messen, wie viele Opfer es gegeben hat oder geben wird.

    Von Löwis: War das heute morgen eine geplante Aktion? Es gibt ja Spekulationen darüber.

    Bowkun: Es sieht so aus, dass es keine geplante Aktion war. Davon zeugen viele Details, die schon von den Journalisten, den Korrespondenten beschrieben wurden einerseits, andererseits kann man vermuten, dass Putin doch mit einem Angriff gerechnet hat, denn auch früher, bei ähnlichen Situationen, hat er zuerst gesagt, es wird eine friedliche Lösung gesucht, aber dann wurde trotzdem ganz hart vorgegangen gegen die Terroristen in Moskau letztes Jahr.

    Von Löwis: Putin ist ja durchaus ein populärer Präsident. Fördert das entschlossene Vorgehen gegen Terroristen seine Popularität? Oder schadet ihm diese Politik der harten Hand?

    Bowkun: Das schadet ihm natürlich. Seine Popularität ist gesunken. Er hat jetzt 50 Punkte verloren, 50 Prozent der Russen misstraut ihm inzwischen. Aber er hat ja immer seinen Präsidenten-Bonus genutzt, genauso wie vor ihm auch Gorbatschow und Jelzin. Aber es scheint so zu sein, dass dieser Präsidenten-Bonus sich in einen Präsidenten-Malus verwandeln kann, denn solange es solche Misserfolge in der Bekämpfung des Terrorismus geben wird, wird Putin auch weiter seine Popularität verlieren.

    Von Löwis: Wir kennen noch nicht die genauen Hintergründe und die Hintermänner des Geiseldramas von Beslan, doch vieles deutet darauf hin, dass die Drahtzieher Tschetschenen sind. Stehen wir vor einer neuen Eskalation im Tschetschenien-Krieg? Ist das zu befürchten?

    Bowkun: Wir stehen nicht vor einer neuen Eskalation. Die Eskalation eines Konfliktes ist schon lange da, und es ist vielleicht eine neue Qualität des Krieges, genauso wie in Amerika, und man kann schon heute sagen, dass es ganz bestimmt Beziehungen gegeben hat zwischen den Terroristen und Al Quaida und - davon sind viele russische Spezialisten überzeugt - muss man ganz deutlich trennen. Die Separatisten, die gemäßigten Islamisten und die Terroristen. Mit den gemäßigten Islamisten, mit den Separatisten muss man Gespräche führen, und die Terroristen muss man mit aller Härte bekämpfen.

    Von Löwis: Rechnen Sie jetzt mit einer neuen Strafexpedition des Militärs?

    Bowkun: Nein, in den nächsten Tagen ganz bestimmt nicht, aber ich kann nicht ausschließen, dass Putin einen Befehl geben wird, die Hintermänner dieser Aktion zu suchen. Und das bedeutet natürlich nicht eine, sondern viele Aktionen gegen die Terroristen.

    Von Löwis: Präsident Putin hat erklärt, die internationalen Terroristen versuchten die derzeitige Normalisierung in Tschetschenien für ihre eigenen Zwecke zu missbrauchen. Herr Bowkun, Normalisierung in Tschetschenien?

    Bowkun: Normalisierung in Tschetschenien ist leider meines Erachtens unmöglich, besonders in absehbarer Zeit, weil die Terroristen schon ganz gut verstehen, mit solchen Mitteln umzugehen wie Geiselnahme und Explosionen. Das haben die letzten Beispiele in Moskau und in den Regionen Russlands gezeigt.

    Von Löwis: Die Tschetschenen sind ja am Rest von Russland alles andere als beliebt. Was bedeutet dieser brutale Terrorismus der Tschetschenen für das Zusammenleben der Menschen im Vielvölkerstaat Russland?

    Bowkun: Man hat Umfragen durchgeführt auf den Moskauer Straßen zum Beispiel. Viele Leute sagen - eine Frau hat sogar um Vergebung gebeten bei den Tschetschenen - gesagt, Tschetschenen und alle Kaukasier müssen uns entschuldigen, weil wir so gegen sie gestimmt worden sind, aber wir müssen uns doch vereinen. Und ein Tschetschene, der auch dazu befragt wurde von einem Radiokorrespondenten, man müsse sich vereinen, anstatt sich zu trennen. Aber sich zu vereinen ist es schon zu spät. Man muss nur daran denken, dass es möglichst wenige Opfer gibt.

    Von Löwis: Putins Tschetschenien-Politik steckt offenbar in der Sackgasse. Gibt es praktikable Auswege aus dieser Sackgasse?

    Bowkun: Vielleicht nur einen einzigen Ausweg, den habe ich schon angedeutet. Man muss Gespräche führen mit den gemäßigten Islamisten, das heißt mit Maschadov und mit seinen Anhängern.

    Von Löwis: Also Ansprechpartner wären da. Ein unabhängige Tschetschenien, völlig losgelöst von Russland, steht das überhaupt zur Diskussion?

    Bowkun: Für ein freies Tschetschenien ist es jetzt zu spät. Weil vor einigen Jahren, als Gespräche noch möglich waren, hat man das nicht geschafft. Und heutzutage gibt es noch weniger Chancen, das zu schaffen.

    Von Löwis: Inwieweit ist das, was wir da erleben, ein hausgemachter Terrorismus oder inwieweit ist Russland längst zu einem Schlachtfeld des globalen Terrorismus geworden? Lässt sich das sagen?

    Bowkun: Vielleicht. Es gab zwei Tschetschenien-Kriege, und das ist ja der dritte Krieg, der unsichtbare Krieg. Der Krieg mit den Terroristen ist der schlimmste. Man muss befürchten, dass es ja auch weiter in diesem Sinne eskalieren wird.

    Von Löwis: Das Nachrichtenmagazin "Focus" bezeichnet Tschetschenien als Sammelbecken für internationale Terroristen. Welche Belege gibt es für den langen Arm von Al Quaida nach Tschetschenien hinein?

    Bowkun: Die Belege kommen ganz sicher von den Sicherheitsdiensten, sowohl von den russischen als auch von den westlichen. Und wenn man alles zusammenfügt in einem Bild, kann man schon sagen, dass es nicht nur ideologische und politische, sondern auch materielle Verbindungen gibt zu Al Quaida.

    Von Löwis: Putin hat ja gut Freunde im Westen, könnten die ihm helfen in punkto Tschetschenien? Lässt er sich überhaupt helfen oder erwartet er nur Solidarität mit seiner Politik?

    Bowkun: Sicherlich erwartet er Solidarität mit seiner Politik. Und die eine Solidarität hat er schon gespürt in Sotschi, als er mit Gerhard Schröder und Jacques Chirac darüber sprach, über die Sicherheitsfragen. Andererseits gibt es bei ihm auch kritische Punkte. Er erwartet eine Unterstützung seiner Politik insgesamt seiner Außenpolitik, und die kann er vom Westen kaum finden.

    Von Löwis: Was ist hilfreicher für die Menschen in Russland und Tschetschenien: deutliche Worte in Sachen Tschetschenien oder lautlose stille Diplomatie?

    Bowkun: Ich würde sagen, beides. Es kommt darauf an, was das für Menschen sind. Die Moskowiter sind mehr informiert als die Leute in der Provinz, und deswegen erwarten sie wahrscheinlich deutliche Worte von Putin und seiner Umgebung. Die Leute in der Provinz vertrauen blind seiner Politik und werden kaum befragt.

    Von Löwis: Sie kennen Wladimir Putin. Welche Lehren wird er aus dem Geiseldrama von Beslan ziehen? Sind politische Korrekturen in irgendeiner Weise zu erwarten oder nur mehr Macht für die Leute des Sicherheitsapparates?

    Bowkun: Ich erwarte keine extraordinären Maßnahmen von Putin. Er wird natürlich versuchen, jetzt seine Position zu festigen, zu erklären, wenn es die Informationen nicht bestätigen, dass es wirklich nicht so viele Opfer gegeben hat wie man befürchtet hat. Aber man sagte ja vorher, es seien anderthalb Tausend gewesen. Im Verhältnis sind es ja nicht besonders viel, wenn man so eine größere Zahl betrachtet. Trotzdem kann er befürchten, dass sein Image darunter deutlich leidet.

    Von Löwis: Wie fest sitzt er heute im Sattel?

    Bowkun:
    Er sitzt fest im Sattel. Nur sagt er immer, er muss Reformen durchführen, Zeit für die Reformen haben. Jetzt wird er sagen, die Härte hat gezeigt, man muss auf allen Fronten gegen die Terroristen hart vorgehen.

    Von Löwis: Dankeschön, Jewgenij Bowkun.

    Es war einmal ein Terrorismus, der war klar zu lokalisieren, einzugrenzen auf bestimmte Regionen, Länder, Weltgegenden. Dieser Terrorismus gehört seit dem 11. September 2001 der Vergangenheit an. Der neue Terrorismus ist nicht selten ungleich brutaler, und er ist grenzenlos. Terrorismus als globale Herausforderung - eine Dokumentation von Claudia Sanders:

    Als das World Trade Center am 11. September 2001 in Asche zerfiel, Tausende Menschen in den Trümmern starben, begann eine neue Ära des Terrorismus. Nie zuvor forderte ein einzelner terroristischer Anschlag so viele Menschenleben auf einmal. Und nie zuvor wurde deutlicher, was es bedeutet, wenn die Attentäter ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben, vom Fanatismus getrieben, zuschlagen.

    Populär wurde der Begriff "Terreur" erstmals während der französischen Revolution, und beschreibt das Vorgehen der Jakobiner gegenüber ihren Gegnern. Bis zum 11. September 2001 verbanden sich mit dem Begriff des Terrorismus in erster Linie die Aktionen einzelner Gruppen, die gewaltsam gegen einen Staat kämpften.

    Ob es nun die deutsche Rote Arme Fraktion war, die spanische ETA oder die irische IRA: So unterschiedlich die Ziele dieser Terrorgruppen auch sein mögen, eines haben beziehungsweise hatten sie gemeinsam: Wenigstens theoretisch spielte und spielt es für die Attentäter eine Rolle, selber unversehrt zu bleiben und möglichst keine aus ihrer Sicht "Unbeteiligten" zu verletzten.

    Auch wenn es eine zynisch anmutende Unterscheidung zwischen "Beteiligten" und "Unbeteiligten" sein mag, es garantierte den Sicherheitsbehörden doch Eines: Die Terrorgruppen blieben bis zu einem gewissen Grad berechenbar, die Ermittler hatten wenigstens eine kleine Chance im Kampf gegen diese Form des Terrorismus.

    Die Terrorgruppen der "alten Prägung" legten bei ihrem Kampf zumindest vordergründig Wert darauf, dass Teile der Bevölkerung sie unterstützten, mit ihnen wenigstens indirekt sympathisierten. Und schließlich waren es meist sehr handfeste Ziele, die sie erreichen wollten: Einen eigenen Staat, ganz gleich wie groß er ist.

    Das Streben nach Unabhängigkeit ist zwar bei den tschetschenischen Geiselnehmern auch vorhanden, doch damit enden auch schon die Gemeinsamkeiten der "alten" und neuen Terrorgruppen.

    Diese Terroristen, also ganz besonders islamistische Terroristen unterscheiden nicht mehr zwischen "Beteiligten und Unbeteiligten", nur noch zwischen "Gläubigen und Ungläubigen. Es ist also nicht nur der Kampf gegen einen konkreten Staat. Es ist der Kampf gegen eine ganzes Wertesystem. Grenzen im eigentlichen Sinne existieren für diese Täter nicht mehr.

    Es werden keine handfesten, irdischen Ziele verfolgt, sondern es geht um Religion, um "Alles oder Nichts". Diesem Terrorismus sind nicht nur staatliche Grenzen unbekannt, sondern auch "moralische" Grenzen existieren nicht - wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt von Moral sprechen möchte.

    Das Leben der Attentäter ist wertlos, ihr Tod hingegen verspricht den Eingang ins Paradies. Sterben andere Gläubige durch ihre Attentate – auch das wird einkalkuliert- verstößt das nicht gegen die Maxime der Terroristen – In diesem Kampf ist all das erlaubt und aus Sicht der Täter geradezu notwendig.

    Sympathien in der Bevölkerung für ihr Tun? Brauchen die Terroristen nicht, haben sie doch letztlich nur einen "Richter" einen himmlischen, irdischer Applaus ist da vollkommen überflüssig.

    Nur vor diesem Hintergrund ist überhaupt erklärbar, dass unschuldige Kinder als Geiseln genommen werden – moralische Bedenken oder irgendeine andere Hemmschwelle in dieser Hinsicht, sind diesen Terroristen offenbar fremd. Angst und Schrecken verbreiten, und das gesamte "Wertesystem", das sie bekämpfen, destabilisieren, gelingt ihnen so unzweifelhaft. Wer kann sich schon den schrecklichen Fernsehbildern von halbnackten, blutenden und frierenden Kindern entziehen?

    Insofern hat der 11. September 2001 noch eine andere Grenzenlosigkeit gezeigt: Will eine Terrorgruppe heute noch Aufmerksamkeit erregen, muss ihr Attentat noch fürchterlicher als alles bisher da gewesene sein: Eine Autobomben-Explosion, ohne das jemand verletzt wird, schafft es heute schlicht nicht mehr bis in die Abendnachrichten.

    Diese "Grenzenlosigkeit" in jeder Hinsicht und damit verbunden die Aussicht, dass jedes noch so unvorstellbare Attentat möglich wird, macht es den Sicherheitsbehörden fast unmöglich gegen diese Terroristen vorzugehen.

    Wo Menschenleben wertlos sind, nützen auch die schärfsten Strafandrohungen nichts mehr. Nur Aufklärung im Vorfeld wäre hilfreich - doch beispielsweise Agenten in solche Terrorgruppen einzuschleusen ist ein hoffnungsloses Unterfangen: Welcher bezahlte Staatsdiener würde schon solch einen Auftrag annehmen?

    Schließlich bezieht sich die Grenzenlosigkeit auch auf die Organisation der neuen Terrorgruppen. Das gerne zitierte Bild der "Krake" Al Quaida passte eben nicht: Wird dabei doch davon ausgegangen, dass ein "Kopf" die vielen kleinen Gruppen steuert oder verbindet. Tatsächlich gibt es nur ein Bindeglied: den Glauben und den damit verbundenen Fanatismus. Gerade Al Quaida Zellen agieren autark: Zwei, drei potentielle Attentäter, die mit ihren Mitteln planen und losschlagen. Gibt es doch einmal Abstimmungsbedarf, nutzt man ein "grenzenloses" Medium: das Internet. Spuren tauchen hier ebenso schnell auf, wie sie wieder verschwinden – gelingt es den Ermittlern zufällig doch eine Email abzufangen, nutzen Sender und Empfänger schon längst wieder andere Emailadressen.

    Ähnlich unfassbar sind die Quellen, wie sich die Terroristen finanzieren: Nach dem 11. September wurden weltweit Konten gesperrt, Geld eingefroren. Doch schnell zeigte sich, dass die Terroristen kaum über die Bankfiliale an der Ecke ihre Geschäfte abwickelten.

    Nutzt man auf der einen Seite moderne Kommunikationsmittel, konzentrieren sich die Attentäter hier auf eine ganz altmodische Vorgehensweise: Geld wird per Boten überbracht, in kleinen Hinterzimmern übergeben.

    Es lässt sich auch noch fragen: Was "kostet" diese Art von Terrorismus eigentlich? Die Antwort darauf fällt kurz und knapp aus: nicht viel Geld. Einige Rücksäcke mit selbstgebastelten Sprengstoff reichen, um ein Land in seinen Grundfesten zu erschüttern, wie das Attentat von Madrid in diesem Jahr gezeigt hat. Mit vollbrachtem Anschlag fallen in der Regel keine weiteren Kosten an – schließlich sind die Täter tot.

    Doch der größte Vorteil, von dem die grenzenlos agierenden Terroristen profitieren, ist immer noch das begrenzte Handeln der jeweiligen Staaten. Trotz aller anderslautender politischer Beteuerungen nach den Attentaten vom 11. September 2001, kommt der Austausch zwischen den Sicherheitsdiensten kaum in Gang. Bis heute ist unbekannt, wo sich Al Quaida- Chef Osama bin Laden aufhält, und das obwohl er der meistgesuchte Terrorist weltweit ist.

    Einerseits werden von den Sicherheitsdiensten eifersüchtig Informationen gehütet. Andererseits ist die Unsicherheit groß, weil die Dienste tatsächlich nur wenig über die Terroristen dieses neuen Tpys wissen. Und welcher Geheimdienst gibt schon gerne zu, dass er eigentlich nichts weiß?

    In diesen Zusammenhang passt auch die gerade erst in diesen Tagen noch einmal vom Chef des deutschen
    Bundesnachrichtendienstes geäußerte Warnung: Es müsse davon ausgegangen werden, dass Deutschland eben nicht nur "Ruheraum" für Terroristen sei, sondern auch ein mögliches Anschlagsziel werden könne. Aber: Konkrete Hinweise habe man jedoch nicht. Ähnliche Meldungen hört man fast täglich aus anderen europäischen Ländern oder den USA: Es wird das Schlimmste befürchtet, nur genaues weiß man nicht.

    Denn im Gegensatz zu den Terroristen sind die Ressourcen der Staaten und der Sicherheitsdienste begrenzt. Sehr begrenzt. "Kein einziger Europäischer Staat setzt genügend Mittel im Kampf gegen den Terror ein", beklagte vor kurzem erst der Deutsche Vertreter bei Eurojust, der europäischen Justizbehörde in Den Haag. Was das konkret bedeutet, lässt sich an einem Beispiel aus Deutschland belegen:

    In der Regel dürfen deutsche Richter und Staatsanwälte weder ins Ausland telefonieren, noch Faxe oder Emails in Ausland versenden ohne vorherige Anmeldung und Begründung bei der Telefonzentrale. Ist die Telefonzentrale nicht besetzt, gibt es auch keinen Kontakt zum Ausland. So lange die Ausstattung von Sicherheitsdiensten und Justiz so bescheiden ist, so lange können sich die Terroristen auch in Sicherheit wiegen und in aller Ruhe weiter Anschläge planen und durchführen - und das weltweit.