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Das Fernsehduell zwischen Schröder und Stoiber

Heinlein: Das Duell gestern Abend hat für uns Wolfgang Schaller gesehen, Autor, Kabarettist und Intendant der Dresdener 'Herkuleskeule'. Herr Schaller, wie hat es Ihnen denn gefallen?

    Schaller: Gefallen? Das ist ein Wort dafür. Ich weiß ja gar nicht, ob es ein Duell war. Duell heißt ja eigentlich Kampf. Es war ja eigentlich mehr ein Duett. Ich musste mir das ja berufsmäßig ansehen, und es hat mir etwas Neues gebracht, nämlich nichts. Wissen Sie, ich habe ja gar keine Spannung wie bei Hitchcock erwartet, und keine Kamerahelden-Bilder wie von Leni Riefenstahl, aber ich kann es nicht anders sagen: Mir hat es die Schlaftablette ersetzt, und das war das einzig Positive. Das lag vor allem, glaube ich, an den Moderatoren, die die eintrainierten Antworten der Duellanten provozierend nie hinterfragt haben, und so kamen nur diese geschniegelten Statements raus, die man alle schon kannte. Mich hat eins, wenn ich das mal sagen darf, sehr enttäuscht. Ich dachte, der Stoiber bringt sein ganzes Impotenzteam mit, also die ganze junge Garde von Späth bis Schäuble. War aber nicht. Und für so alleine, wie er da stand, denke ich, hat er sich eigentlich ganz gut geschlagen.

    Heinlein: Dennoch: Glauben Sie, dass der Tatort im Ersten oder das Traumschiff beim ZDF spannender gewesen wäre?

    Schaller: Ich habe noch nie in meinem Leben das Traumschiff gesehen. Ich kann da keine Vergleiche ziehen. Nein, nein, es gab schon Spannenderes daran, zum Beispiel dass Stoiber es immer wieder fertig bringt, nicht zu sagen, was er wirklich denkt. Also wenn ich an seine früheren Sprüche denke, " zur Verrassung der Deutschen durch Ausländer... und dass die doppelte Staatsbürgerschaft unserem Land genauso schaden wird wie die RAF", ich denke, da hat der Deutsche Bundestag schon Recht, wenn er festgelegt hat, Experimente mit deutschen Stammtischzellen sind verboten.

    Heinlein: Hätten Sie denn gerne Guido Westerwelle bei diesem Duell dabei gehabt? Wäre es dann spannender gewesen?

    Schaller: Ach nee, über Westerwelle möchte ich mich hier nicht auslasen. Dieter Hildebrand hat ja bei seiner Lesung in Dresden vor kurzem gesagt, dem Westerwelle mache die Arbeit der Regierung Kopfzerbrechen, und Kopfschmerzen bei Westerwelle müssen wohl Phantomschmerzen sein. Ich kann vielleicht noch etwas ernsthafter hinzufügen: Man sagt ja immer, dass die Parteien - das kam wieder gestern in den Statements zum Ausdruck - sich kaum in ihren Programmen unterscheiden. Manche sagen auch, Schröder sei der beste CDU-Kanzler, den die SPD jemals hatte. Das mag ja alles sein. Aber wissen Sie, Stoiber ist der Freund von Berlusconi und Haider, und das ist dann für mich doch ein Unterschied, der mir nicht ganz so unwichtig ist.

    Heinlein: War es inszeniert, was die beiden gestern geboten haben? Ist Ihnen aufgefallen, dass beide trainiert haben für diesen Bühnenauftritt?

    Schaller: Ja, ich hatte leider mit Ihnen keine Gelegenheit, mich auf dieses Interview vorzubereiten. Freilich, so etwas trainiert man, und deswegen kamen ja auch solche gelackten, einstudierten Statements raus. Vielleicht war auch gar nicht mehr zu erwarten. Das will ich für mich beurteilen. Es wurde ja vorne weg so groß angekündigt, und diese amerikanische Art des Wahlkampfes überzeugt mich sowieso nicht so sehr, denn wissen Sie, wer da vielleicht am süffisantesten lacht, und wer am wenigsten äh, äh sagt, es gibt vielleicht für Deutschlands Zukunft noch Wichtigeres als telegen zu wirken.

    Heinlein: Ist denn ein solches Duell und das ganze Drumherum der Stoff, von dem Kabarett und letztendlich Sie auch leben?

    Schaller: Ich habe immer nach Witzigerem gesucht, was ich heute sagen kann, aber das eigentlich Komische kam ja erst anschließend in den sehr unterschiedlichen Umfragen, die einmal den Schröder vorn sahen, dann wieder den Stoiber als klaren Sieger, und dann habe ich eine, wie ich finde, ganz komische, lustige Feststellung von einem Journalisten gehört, der feststellte, Schröder habe müde gewirkt, man habe ihm angesehen, dass er viermal verheiratet war. Ich glaube, das stimmt auch. Stoiber hat gestern einfach als Alpen-Ayatollah wirklich frischer gewirkt. Ich weiß nicht, woran es lag, vielleicht an der Milch der Alpenkühe.

    Heinlein: Aber es war doch interessant, im Anschluss zu hören, was Inge Meisel oder Uschi Glas von diesem Duell gehalten haben?

    Schaller: Oh, das habe ich verpasst.

    Heinlein: Hätte man vielleicht im Anschluss tatsächlich die besten Sätze in Zeitlupe wiederholen sollen, so wie es ein Medienforscher vorgeschlagen hat?

    Schaller: Mir hat es einmal ohne Zeitlupe gereicht; vielleicht in Zeitlupe für die Steinmetze zum Mitmeißeln, aber da es ja so neu nicht war, was die beiden Kontrahenten sagten, genügte es im normalen Tempo, dass man es verstehen konnte.

    Heinlein: Die Einschalterwartungen der beiden Sender im Vorfeld waren ja gewaltig. Glauben Sie, dass bei Ihnen im Dresden vor dem Hintergrund der vergangenen Tage und Wochen sich viele für dieses Duell interessiert haben?

    Schaller: Ich denke, dass die Dresdener schon geschaut haben, obwohl sie jetzt hier andere Sorgen haben. Sie haben die Bilder im Fernsehen gesehen, aus Ost und aus West. Es spielte zusammen, was zusammengehört. Wir in der Herkuleskeule sind nicht abgesoffen, aber trotzdem steht uns das Wasser bis zum Hals, weil die Zuschauer in unserem sonst immer ausverkauften Haus wegbleiben, denn Dresden ist touristenleer. Also ich benutze das jetzt Mal in eigener Sache als Werbung: Kommen Sie nach Dresden. Entgegen aller Panikmeldungen ist Dresden weder von Seuchen noch von Giftgaswolken heimgesucht, und es lohnt sich schon deshalb zu uns zu kommen, weil die Herkuleskeule täglich spielt.

    Heinlein: Werden denn auch Politiker von den Dresdenern und von der Herkuleskeule gerne empfangen, oder sind die Menschen in den neuen Bundesländern, in den Hochwassergebieten besonders sensibel, wenn jetzt plötzlich Politiker auftauchen, um mit ihren Besuchen vielleicht auch ein wenig Wahlkampf zu machen.

    Schaller: Na ja, erst kam die Flutkatastrophe nach Dresden, dann kam Stoiber. Ich fand das schon gut, dass er hier war. Er hat sich extra modisch-schick gekleidet, in seinen gelben Hochwasserstiefeln, auch Schröder, nee, nee, Polittourismus belebt das Stadtbild.

    Heinlein: Vielen Dank für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio