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"Das geht zu weit von staatlicher Seite"

Die Sozialministerin von Baden Württemberg, Monika Stolz (CDU), hat sich gegen Vorschläge aus der SPD ausgesprochen, die Kinderfreibeträge zu senken und damit mehr Geld zu haben für Sachleistungen. Der Staat dürfe den Familien nicht vorschreiben, wie sie ihr Geld ausgeben. Gleichzeitig befürwortete Stolz eine Grundunterstützung der Familien.

Moderation: Philipp Krohn |
    Philipp Krohn: Der Gesetzesentwurf zum Betreuungsgeld liegt jetzt wieder auf Eis, weil die SPD dies erst 2013 gesetzlich regeln will. Gleichzeitig denkt die Partei darüber nach, künftig mehr Sachleistungen für bedürftige Familien anzubieten, statt allen Familien Geldleistungen zu bieten. CDU und CSU wehren sich gegen diese Idee. Am Telefon begrüße ich nun Monika Stolz, die Baden-Württembergische Sozialministerin von der CDU. Guten Morgen, Frau Stolz!

    Monika Stolz: Guten Morgen, Herr Krohn!

    Krohn: Frau Stolz, warum soll das Betreuungsgeld schon jetzt im Gesetzestext stehen, wenn es erst 2013 eingeführt werden soll?

    Stolz: Das ist eine klare Vereinbarung zwischen den Parteien, dass das jetzt auch in das notwendige Gesetz, auch zum Ausbau der Krippenplätze, dass es aufgenommen wird, und ich denke, an Vereinbarungen sollte man sich halten.

    Krohn: Die SPD interpretiert einfach die Einigung im Koalitionsausschuss anders.

    Stolz: Gut, ich denke, es bringt in der Sache wenig, hier zu blockieren. Wir sind uns einig, dass wir einen Ausbau von Krippenplätzen brauchen, das sollte nicht verzögert werden. Aber wir sind uns auch darüber einig gewesen, dass wir ein Betreuungsgeld auch bezahlen wollten und ich gehe davon aus, dass die SPD diese Vereinbarung auch, ich sage mal, im Interesse der Eltern, die auch auf den Ausbau der Krippen warten, auch einhält.

    Krohn: Bis Ende des Jahres muss das Gesetz stehen, sonst verfällt das Sondervermögen von mehr als zwei Milliarden Euro. Gefährdet die Union aus Prinzipientreue diesen Krippenausbau?

    Stolz: Nein, die Union gefährdet überhaupt nicht diesen Krippenausbau. Es gibt eine klare Vereinbarung, und die sollte jetzt eingehalten werden, gerade auch von der SPD.

    Krohn: Sehr viel mehr Einigkeit, Frau Stolz, herrscht bei dem Kinderzuschlag für sogenannte Aufstocker. Warum ist hier eine Lösung leichter zu erwarten?

    Stolz: Es ist unbestritten, dass wir Familien auch gerade in den niedrigen Einkommensbereichen stärker unterstützen sollten, insofern ist die Erhöhung des Kinderzuschlags eine gerechtfertigte Sache, um gerade diese Familien zu unterstützen.

    Krohn: Man gewinnt den Eindruck, dass es im Moment allen leicht fällt, Geld auszugeben, auch Bauminister Tiefensee will jetzt das Wohngeld erhöhen. Werden jetzt wieder Wähler gekauft?

    Stolz: Nein, ich denke, es ist immer gerechtfertigt, dass die Politik auch dort ansetzt, wo Handlungsbedarf da ist. Was das Wohngeld betrifft, denke ich, muss das geprüft werden, in welcher Höhe und mit welchen Auswirkungen. Der Vorschlag liegt auf dem Tisch, aber ich denke, der muss noch geprüft werden.

    Krohn: Trotzdem ist auffällig, dass viele der Vorschläge aus der SPD kommen, die sich mit dem Thema Kinderarmut beschäftigen. Braucht die Bundesfamilienministerin die SPD bei diesem Thema als Taktgeberin?

    Stolz: Nein, ich denke, unsere Bundesfamilienministerin braucht nicht die SPD zum Taktgeben. Die Vorschläge, die bisher auch umgesetzt wurden, sind Vorschläge, die der CDU auch sehr am Herzen liegen. Und ich denke, auch das Thema Erhöhung des Kindergeldes oder auch der Kinderfreibetrag ist eine Sache, die der Bundesfamilienministerin sehr am Herzen liegt, und da brauchen wir eigentlich nicht die Nachhilfe der SPD.

    Krohn: Nicht so sehr am Herzen zu liegen scheint Ihrer Partei ein anderer Vorschlag, den jetzt der niedersächsische Fraktionsvorsitzende Wolfgang Jüttner gemacht hat. Er plädiert dafür, die Kinderfreibeträge zu senken und damit Geld zu haben für mehr Sachleistungen. Klingt das nicht überzeugend?

    Stolz: Nein, davon halte ich überhaupt nichts. Ich glaube, wir dürfen den Familien nicht durch solche Eskapaden letztlich vorschreiben, wie sie zu leben haben und wofür das Geld ausgegeben wird. Wir brauchen eine Grundunterstützung der Familien, aber auch Freiheit, wie sie mit diesem Geld auch umgehen und wie sie das ausgeben. Ich halte das nicht für eine gute Botschaft des Staates, hier zu Vorschriften zu kommen oder den Eindruck zu erwecken, als wüsste der Staat besser, wozu das Geld in den Familien ausgegeben werden muss.

    Krohn: Sie sprechen von Eskapaden. Armutsexperten dagegen verlangen schon seit langem, auf die Gießkanne zu verzichten und gezielt Bedürftige zu fördern, etwa mit Schulspeisung. Auch das ist in dem Vorstoß von Wolfgang Jüttner ja vorgesehen. Warum sperrt sich da die Union?

    Stolz: Ich denke, es ist ein Grundverständnis, auch was man Familien zutraut, und dass uns wichtig ist, die Freiheitsräume, auch der erziehenden Eltern, zu erhalten. Die Erziehung und Betreuung von Kindern ist zunächst Pflicht und Aufgabe der Eltern, und es ist nicht Aufgabe des Staates, hier alles vorzuschreiben. Wir müssen Freiräume auch für die Entscheidungen der Eltern lassen, und Freiräume heißt, dass wir ihnen eben auch finanziell Unterstützung gewähren, das Kindergeld und auch den Kinderfreibetrag, aber dass das dann in einzelne Töpfe ausdifferenziert wird, ich denke, das geht zu weit von staatlicher Seite, und ich stelle mir das schlimm vor, wenn dann auch immer wieder darüber gestritten wird, welcher einzelne Topf jetzt ausgebaut wird oder nicht. Das geht zu weit, wir wollen keine Bevormundung seitens des Staates, sondern die Eltern müssen hier ihren Freiraum behalten.

    Krohn: Heißt das aber nicht mit anderen Worten, dass günstiges Essen in Schulen also nicht angeboten werden kann?

    Stolz: Das ist ein anderes Thema. Natürlich müssen die Schulträger vor Ort dafür sorgen, dass es ein gutes Angebot ist, ein qualitätvolles Angebot, und dass das dann natürlich auch zu einem Preis angeboten wird, der für alle Familien bezahlbar ist. Ich denke, das ist im Interesse aller Familien, dass hier ein gutes, preiswertes Angebot zur Verfügung gestellt wird. Das ist nicht eine Sache, dass jetzt ein Topf eingerichtet wird, aus dem dann wieder Geld verteilt wird.

    Krohn: Aber was halten Sie den Experten entgegen, die für mehr Sachleistungen plädieren?

    Stolz: Natürlich haben wir in unserem Staat durchaus auch Familien, die in ihrer Verantwortung, Erziehungsverantwortung, überfordert sind, aber wir dürfen deswegen nicht, ich sage mal, alle über einen Kamm scheren und von staatlicher Seite hier Familien mehr durch Sachleistungen fördern und dadurch praktisch vorschreiben, was sie jetzt zu tun haben. Das geht in unserem Familienverständnis zu weit.

    Krohn: Die SPD macht noch ein anderes Argument aus, das für sie dafür spräche, die Freibeträge zu reduzieren, dass nämlich diese Besserverdienende bevorzugen. Auch da könnte man doch argumentieren, dass die SPD Recht hat.

    Stolz: Die Freibeträge, die steuerlichen Freibeträge, decken das Existenzminimum ab. Das ist ein Verfassungsanspruch, und ich würde dringend davor warnen, an diesem zu rütteln. Das wäre ein völlig falsches Signal in der Familienpolitik.

    Krohne: Trotzdem hat man den Eindruck, dass die Union sich mehr um beispielsweise Mehrkindfamilien kümmern will, und das unabhängig davon, ob sie bedürftig sind. Wie zielgenau sind denn die familienpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung?

    Stolz: Ich denke, das ist ein wichtiges Thema, dass wir die Familienleistungen durchaus überprüfen - erreichen sie das, was wir auch wollen? -, und zu überprüfen, wie wir Mehrkindfamilien auch besser unterstützen können durch die Familienförderung, denke ich, ist legitim, weil gerade die Mehrkindfamilien doch stark belastet sind und vor allen Dingen in einer Mehrkindfamilie doch eine Berufstätigkeit beider Ehepartner weit weniger möglich ist und vielleicht auch gar nicht erwünscht. Also, ich denke, es ist legitim, sich diese Fragen zu stellen: Wie kommen unsere Leistungen an und wo können wir sie durchaus verbessern?

    Krohne: Im Deutschlandfunk war das die baden-württembergische Sozialministerin Monika Stolz. Danke für das Gespräc