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"Das hat sie zum Schluss selbst kaputt gemacht"

Der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie, Hubertus Schmoldt, hat die Abwahl der bisherigen DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer verteidigt. Sie sei vom Vorstand allein aus Altersgründen nicht mehr nominiert worden, sagte Schmoldt. Mit Blick auf die Kampfabstimmung beim DGB-Bundeskongress fügte er hinzu, in ihrer Amtszeit habe sie sich hohe Verdienste erworben, die sie leider zum Schluss selbst kaputt gemacht habe.

Moderation: Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Aufbruchstimmung in schwieriger Zeit. Trotz Mitgliederschwund: Der DGB-Bundeskongress soll ein Signal setzen. Neuer Wind bei der Einheitsgewerkschaft. Auch personell verordnen sich die Gewerkschaftsbosse eine Frischzellenkur. Nach 16 Jahren an der DGB-Spitze sollte Ursula Engelen-Kefer den Weg frei machen für eine Nachfolgerin. Doch der fein ausgetüftelte Plan ging nicht auf. Das bisherige Aushängeschild gewerkschaftlicher Sozialpolitik räumte nicht kampflos ihr Spitzenamt. Der Supergau für Michael Sommer wurde zwar vermieden, doch statt der gewünschten Aufbruchstimmung zumindest zum Auftakt Konflikte, Nervosität und Zerrissenheit.

    Acht Einzelgewerkschaften versammeln sich unter dem Dach des DGB. Eine davon ist die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie und deren Chef Hubertus Schmoldt begrüße ich jetzt am Telefon. Guten Morgen!

    Hubertus Schmoldt: Guten Morgen Herr Heinlein!

    Heinlein: Sind Sie froh, dass Ursula Engelen-Kefer nun doch endgültig aufs Altenteil geschickt wird?

    Schmoldt: Nein. Frau Engelen-Kefer hat 16 Jahre im DGB Sozialpolitik verantwortet. Das hat sie mit Unterstützung der Gewerkschaften getan. Da hat es nicht in allen Fällen Übereinstimmung gegeben, aber sie hat hohe Verdienste. Insoweit bedauere ich außerordentlich, dass sie dies zum Schluss selbst kaputt gemacht hat. Das wäre nicht nötig gewesen.

    Heinlein: Warum durfte sie dann nicht weitermachen?

    Schmoldt: Herr Heinlein, weil jeder von uns irgendwann ans Rentenalter kommt und ich glaube die Menschen in unserem Lande hätten sich an den Kopf gefasst, wenn wir gegen die Rente mit 67 Aktivitäten entwickeln und selber jemand wählen, der 67 Jahre alt wird, weil er ja innerhalb der nächsten vier Jahre das Rentenalter erreicht.

    Heinlein: Ist das der einzige Grund?

    Schmoldt: Das ist zumindest mir der einzig bekannte Grund. Ansonsten wäre sie ja nicht 16 Jahre lang - immerhin sind das vier Wahlperioden - jeweils wieder vorgeschlagen und gewählt worden.

    Heinlein: Hat Frau Engelen-Kefer vielleicht auch zu oft der übrigen DGB-Spitze, Herrn Sommer und anderen, einfach die Schau gestohlen? War sie zu präsent in den Medien? Ist das vielleicht auch ein Grund für diese rüden Abschiedsszenen?

    Schmoldt: Nein. Das hat sie mit Sicherheit nicht getan. Wir müssen als Gewerkschaften natürlich auch mit dem Thema Sozialpolitik in den Medien präsent sein. Es ist gut, wenn jemand dies übernimmt. Das hat Frau Engelen-Kefer getan. Insoweit gibt es den einzigen wirklich realen Grund, der ja auch mit ihr selber verabredet war - und zwar schon Ende des vergangenen Jahres -, dass sie aus Altersgründen nicht wieder kandidiert. Das hat sie dann selber mehrfach verworfen und gestern hat es dann diesen etwas unschönen Abgang gegeben.

    Heinlein: In der Öffentlichkeit hatte sie oder hat sie zum Teil auch das Image als ewig gestrige Traditionalistin, eine soziale Besitzstandswahrin, wenn man es böse formulieren will. Wollte sich der DGB auch davon befreien?

    Schmoldt: Wir brauchen mit Sicherheit überall Reformen, auch im Bereich der Sozialpolitik. Daran arbeiten wir als Gewerkschaften. Das ist ein für uns schwieriges Kapitel, weil die Menschen im Lande natürlich insbesondere auf soziale Sicherheit angewiesen sind. Das war eines der stabilisierenden Elemente unserer Gesellschaft und das wollen und werden wir auch jetzt in den vor uns liegenden Reformen sicherstellen.

    Heinlein: Sie haben den gestrigen Tag als unschönen Abgang gerade bezeichnet. Warum war es denn so schlimm, dass es zu einer Kampfkandidatur kommt? Ist es nicht gut für eine Gewerkschaft, wenn man demokratisch wählen kann zwischen zwei Alternativen?

    Schmoldt: Aber mit Sicherheit ja. Wenn dann zwei kandidiert hätten, die in einem Alter sind, wo sie nicht die Altersgrenze überschreiten, Herr Heinlein, wäre das ein ganz normaler Vorgang gewesen. Ich wiederhole: Es geht einzig und alleine darum, dass Frau Engelen-Kefer dann, wenn sie wiedergewählt worden wäre, 67 Jahre alt geworden wäre. Ich kann mir vorstellen, wie das in den Medien kommentiert worden wäre, wenn wir Aktivitäten gegen das Rentenalter mit 67 machen und selbst das erste Vorbild abliefern. Also das geht nicht!

    Heinlein: Immerhin über 40 Prozent, Herr Schmoldt, der Delegierten gestern konnten sich dieser Meinung, die Sie gerade formuliert haben, nicht anschließen. Sie stimmten für Frau Engelen-Kefer und damit gegen den Vorschlag des DGB-Vorstandes. Ist das auch ein Zeichen für Risse innerhalb des Daches des DGB?

    Schmoldt: Das glaube ich nicht. Ich weiß ja nicht, welche Motive im Einzelnen die Delegierten bewogen haben, Frau Engelen-Kefer zu wählen. Das ist mir im Prinzip auch egal. Wir haben eine Mehrheitsentscheidung im Kongress herbeigeführt. Das ist ja gerade die demokratische Entscheidung, die Sie angemahnt haben, und damit ist klar und deutlich, wer in den nächsten Jahren mit im geschäftsführenden Bundesvorstand die Gesamtpolitik verantwortet.

    Heinlein: Wie interpretieren Sie denn vor diesem Hintergrund den gehörigen Dämpfer für Michael Sommer, 78 statt 94 Prozent vor vier Jahren?

    Schmoldt: Ach Herr Heinlein, es gibt bei Gewerkschaften immer wieder das gleiche Phänomen, dass zu Beginn jemand ausgesprochen hohe Quoten, also Zustimmung, Wahlergebnisse erhält und dann beim nächsten Mal sind die deutlich geringer. Das war bei den Vorgängern von Michael Sommer nicht anders. Das ist ein Vorgang, den ich Ihnen nicht erklären kann. Der ist aber so und deshalb ist das kein Dämpfer oder kein Abstrafen.

    Heinlein: Aber diese Ohrfeige hat zumindest dazu geführt, dass Michael Sommer seine für gestern angekündigte Rede auf Donnerstag verschoben hat.

    Schmoldt: Nein, nein, Herr Heinlein. Das war sogar auch mein Vorschlag an ihn. Die gestrige Berichterstattung wird natürlich sich im Wesentlichen mit der Personalie befassen. Wir wollen ja, wie Sie zu Beginn gesagt haben, mit diesem Kongress Aufbruchstimmung darstellen. Wir wollen neue Felder besetzen. Wir wollen Vorschläge für die künftige Entwicklung machen. Das wird und muss in der Grundsatzrede geschehen. Die braucht Aufmerksamkeit und die wäre mit Sicherheit gestern nicht gegeben gewesen.

    Heinlein: Blicken wir also auf die künftige Entwicklung. Welchen Unterschied, Herr Schmoldt, macht es, dass künftig nun das CDU-Mitglied Sehrbrock stellvertretende DGB-Vorsitzende ist und nicht mehr die Genossin Engelen-Kefer?

    Schmoldt: Wir haben in der DGB-Geschichte in der Funktion des Stellvertreters oder der Stellvertreterin immer mehr CDU- als SPD-Mitglieder gehabt. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Wir sind eine Einheitsgewerkschaft und das muss sich natürlich auch in der personellen Besetzung widerspiegeln.

    Heinlein: Also die politische Farbenlehre in Berlin, die große Koalition muss sich auch zwangsläufig in der Zusammensetzung der DGB-Spitze widerspiegeln?

    Schmoldt: Nein. Wir haben ja bittere Erfahrungen gemacht mit der Zerrissenheit in der Gewerkschaftslandschaft im Zusammenhang mit dem Niedergang der Weimarer Republik, dann die bitteren Jahre der Nazi-Zeit, und daraus haben die Gewerkschaften klugerweise die Lehre gezogen, dass es keine unterschiedlichen Gewerkschaften nach politischer, geistiger oder geistlicher Ausrichtung geben darf. Das ist die Einheitsgewerkschaft und da finden sich die großen politischen Strömungen wieder. Dazu gehört die CDU als große Volkspartei. Die ist immer im Personal des DGB-Vorstandes vertreten gewesen. Insoweit ist das etwas ganz Normales und spiegelt eigentlich nur diesen Gedanken der Einheitsgewerkschaft wider.

    Heinlein: Der DGB leidet ja seit Jahren unter enormem Mitgliederschwund. Glauben Sie, dass der gestrige Tag, dieses personalpolitische Gezerre an der Spitze besonders werbewirksam ist?

    Schmoldt: Das ist es mit Sicherheit nicht gewesen, aber der Mitgliederschwund ist ja relativ einfach zu erklären. In den Betrieben haben leider Millionen von Menschen ihren Arbeitsplatz verloren. Das wirkt sich auch in den Mitgliederzahlen der Gewerkschaften aus. Wenn die Konjunktur, wie es ja den Anschein hat, wieder anzieht, dann wird hoffentlich auch wieder neu eingestellt und dann werden wir auch wieder steigende Mitgliederzahlen vorfinden.

    Heinlein: Aber das Konzept der großen Einheitsgewerkschaft, das Sie gerade noch mal betont haben, scheint ja in der Krise. Der Marburger Bund macht ver.di zumindest hier die Kompetenz streitig. Ist das ein Problem für die Zukunft?

    Schmoldt: Ich glaube, dass die Sondervertretung von bestimmten Berufsgruppen keine Zukunft haben wird. Wir brauchen in einer Gesellschaft Solidarität. Die kann eine Einheitsgewerkschaft auch über verschiedene Berufsgruppen, Branchen und andere Zuständigkeiten herstellen. Das ist auch ein Stück an Sicherheit und Ausgleich. Wenn Sondergruppen wie der Marburger Bund oder auch Cockpit glauben, hier besonders ihre Positionen herausstellen zu können und damit dann etwas besser abzuschneiden, wird das nicht möglich sein. Insoweit ist das, wie ich glaube, eine Übergangserscheinung.

    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen IG BCE-Chef Hubertus Schmoldt. Herr Schmoldt, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin!

    Schmoldt: Ich bedanke mich auch bei Ihnen. Schönen Tag!