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"Das Interesse war sehr, sehr groß"

Der Impfstoff sei in keinem Fall infektiös, sagt Jakob Cramer vom Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg. Er koordiniert die angelaufenen Probeimpfungen gegen die Schweinegrippe und zufrieden mit dem bisherigen Verlauf der Aktion: Bislang wurden 30 Probanden geimpft.

Jakob Cramer im Gespräch mit Bettina Klein | 11.08.2009
    Bettina Klein: Die Bundesregierung rechnet ab Ende September, Anfang Oktober mit der Auslieferung der ersten Impfstoffdosen gegen die sogenannte Schweinegrippe. Der Beginn der Impfungen hängt aber natürlich von weiteren Fortschritten der Impfstoffentwicklung und vom Zeitpunkt der Zulassung ab. Das betont heute noch mal die "Passauer neue Presse", die sich auf den parlamentarischen Staatssekretär im Gesundheitsministerium Rolf Schwanitz beruft, was diese Datumsangabe angeht. Die Forschung und Entwicklung ist im Gange, seit gestern auch mit Probeimpfungen an freiwilligen Testpersonen unter anderem in Hamburg. Wir wollen noch ein wenig genauer hören, wie diese Impfungen gestern abgelaufen sind, und darüber sprechen mit Dr. Jakob Cramer, der in Hamburg am Bernhard-Nocht-Institut die Impfungen koordiniert. Ich grüße Sie, Herr Cramer. Guten Morgen!

    Jakob Cramer: Guten Morgen, Frau Klein.

    Klein: Wie viele Probanden haben Sie denn geimpft gestern?

    Cramer: Wir haben gut 30 Probanden hier bei uns einschließen können, heute werden dann noch einige weitere folgen.

    Klein: Aus welchen Bevölkerungsgruppen?

    Cramer: Das ist ganz unterschiedlich. Das Interesse, wie ja schon gerade im Beitrag genannt, war sehr, sehr groß. Es sind in den 20ern, 30ern welche dabei, aber durchaus auch einige bereits im Rentenalter, also durchaus heterogen.

    Klein: Der Andrang war riesig, haben wir gehört. Was halten Sie für die Motivation?

    Cramer: Wir haben ja schon öfter Studien durchgeführt und im Vergleich zu früheren Studien war der geradezu wirklich überwältigend. Ich denke, ganz entscheidend spielt hier schlichtweg die Berichterstattung und die öffentliche Aufmerksamkeit im Vorfeld eine Rolle. Sicherlich versprechen sich einige davon, eben auch schon an diesen Impfstoff heranzukommen. Allerdings waren doch alle recht gelassen und haben das hier wirklich gut dann mitgemacht.

    Klein: Aber ein gewisser Mut ist schon erforderlich, sich da freiwillig zu melden, oder nicht?

    Cramer: Ja, angesichts der Berichterstattung möglicherweise. Aus meiner Sicht aber ist die Verträglichkeit wirklich vergleichbar zu erwarten mit der saisonalen Grippeimpfung auch. Wir haben ja auch früher schon einen Impfstoff getestet gegen die Vogelgrippe; auch hier liegen uns Erfahrungen vor, so dass ich sagen kann, aus meinen Überlegungen gehört Mut wahrscheinlich dann ähnlich dazu.

    Klein: Lassen Sie uns dabei bleiben. Welche Unsicherheiten bestehen noch, was die Risiken angeht?

    Cramer: Jedes neue Medikament - und wenn man so will ist dieser Impfstoff eben auch ein neues Medikament - muss einfach erst einmal getestet werden. Es gibt diese Vorgaben für klinische Studien, das läuft hier jetzt auch nicht anders ab. Man muss einfach andererseits sagen, es gibt kaum ein neues Medikament oder einen neuen Impfstoff, über den man letztlich aus vergleichbaren Studien, aus vergleichbaren Impfstoffen schon so viel weiß wie über diesen Impfstoff, so dass die Restrisiken letztlich doch überschaubar sind oder man aus den vorherigen Studien doch schon einiges weiß. Aber es muss einfach getestet werden, die Verträglichkeit muss getestet werden. Sie wird ja dann wohl, beginnend in der kommenden Woche, auch an Kindern getestet werden und dann muss man sehen.

    Klein: Die Risiken sind überschaubar, sagen Sie. Worin bestehen sie denn?

    Cramer: Es gibt wie immer Möglichkeiten einer lokalen Reaktion, einer generalisierten grippeähnlichen Reaktion. Es gab im Vorfeld auch einige Meldungen oder Überlegungen in den Medien zu dem Herstellungsverfahren jetzt dieses Impfstoffes. Er ist ja nun zellkulturbasiert. Jedoch auch hier sehe ich keine, über die üblichen Infektionen hinausgehenden Gefahren.

    Klein: Aber Sie testen ja im Augenblick. 30 Probanden, haben Sie gesagt, haben Sie gestern geimpft. Womit rechnen Sie und inwiefern können Sie jetzt feststellen, ob die Risiken tatsächlich bestehen oder eben nicht?

    Cramer: Man muss sagen, jeder bekommt den Impfstoff. Es gibt diesmal also keine Placebo-Gruppe mit dabei. Der Proband muss aber erst mal eine Weile hier bei uns in der Ambulanz verbleiben. Es wird dann fortgeguckt, wie ist die Verträglichkeit unmittelbar nach der Impfung. Der Proband bekommt aber dann umfangreiches Material mit, wo er alles notieren muss, was an der Impfstelle oder aber auch generalisiert auftritt. Er hat darüber hinaus Telefonnummern und auch 24-Stunden-Kontaktmöglichkeiten zu uns im Falle eines Falles, falls irgendwelche medizinischen Ereignisse auftreten. Er ist aber angehalten, wirklich alles zu notieren; das gilt auch für das verstauchte Knie beim Sport. Wie das immer so ist: es wird alles notiert und dann erst in einem zweiten Schritt beurteilt, ob das mit der Impfung zusammenhängt oder nicht.

    Klein: Und die Gefahr, die bestehen könnte, besteht darin, dass die Schweinegrippe bei denjenigen ausbricht, oder worin noch?

    Cramer: Nein, definitiv nicht. Es handelt sich bei diesem Impfstoff wie bei allen Grippeimpfstoffen nicht um ein lebendiges Virus, bei den jedenfalls üblichen, bei uns eingesetzten Grippeimpfstoffen nicht um ein lebendiges Virus, sondern nur um ein aufgereinigtes, isoliertes Oberflächenantigen und dieses ist in keinem Fall infektiös.

    Klein: Aber es gibt doch Grippeimpfungen, wo diejenigen, die sich haben impfen lassen, über Grippesymptome klagen, zumindest einige Tage lang?

    Cramer: Das ist richtig. Nun müssen Sie bedenken, dass die Grippeimpfung normalerweise vor der Grippesaison verabreicht wird. Es gibt viele, viele Viren, die ebenfalls grippeähnliche Infektionen machen können, so dass das manchmal nicht selten ist. Manchmal ist in einer Saison die Wirksamkeit eines Grippeimpfstoffes besser und mal schlechter. Der Schutz ist nie 100 Prozent und wie das bei Impfstoffen eben ist: es ist ja eine Immunreaktion im Sinne von Ausbildung von Antikörpern ja erwartet und begleitend kann es bei dem einen oder anderen immer auch mal im Rahmen dieser Immunreaktion zu Fieber, leichtem Fieber, Gliederschmerzen und aber eben auch Lokalreaktionen kommen. Das ist gar nicht so selten in der Medizin.

    Klein: Ich möchte trotzdem noch mal nachfragen. Wenn Sie sagen, die eigentliche Gefahr besteht nicht darin, dass die Grippesymptome ausbrechen, worin dann?

    Cramer: Sie reden immer von Gefahr oder fragen mich nach Gefahren.

    Klein: Von Risiken haben wir auch gesprochen.

    Cramer: Ja, natürlich. Wie gesagt, die Erfahrungen, die wir haben, sind so wie bereits beschrieben. Ich kann keine Gefahren darüber hinaus sehen. Wir haben auch schon manchmal in den Medien dann gehört, dass in den 70er-Jahren in den USA großflächig Impfungen auch schon gegen die Schweinegrippe durchgeführt worden sind. Diese Impfstoffe sind alle nicht vergleichbar mit dem Impfstoff, den wir jetzt testen und der möglicherweise dann ab Herbst auch zur Verfügung stehen wird. Die Vergleichbarkeit ist wirklich nicht gegeben.

    Klein: Aus den USA kam eben auch die Information, dass das Risiko für Schwangere besonders groß sei, viermal so hoch wie für andere Personengruppen. Dennoch stehen ja die Schwangeren ganz oben als Risikogruppe auf der Liste derer, die geimpft werden sollen. Wie passt das zusammen?

    Cramer: Es ist so, dass in klinischen Studien Schwangere generell nicht mit eingeschlossen werden sollen, aus verschiedensten Gründen, aus ethischen Gründen. Auch wir hier testen ganz intensiv auf Schwangerschaften und das ist definitiv ein Ausschlusskriterium. Andererseits gebe ich Ihnen Recht: es soll dann dieser Impfstoff ja auch bei Schwangeren eingesetzt werden als Risikogruppe für einen schweren Verlauf der Schweinegrippe. Dennoch sollte dieser Impfstoff natürlich erst mal an gesunden Erwachsenen getestet werden. Sie sehen das ja auch an den Kinderstudien. Auch diese werden zeitversetzt beginnen, wenn die ersten Sicherheitsdaten aus den Erwachsenen vorliegen. Warum man nicht gleich bei Schwangeren mittestet, es sind im Wesentlichen eben diese ethischen Gründe. Es ist wie gesagt ein toter Impfstoff, es ist ein Virusbestandteil. Das sollte eigentlich keine Gefahr für Schwangere darstellen. Es ist eben so, dass an Schwangeren keine klinischen Studien durchgeführt werden.

    Klein: Herr Cramer, abschließend noch ein Wort zum Krebsrisiko, das durch diesen Impfstoff besteht. Können Sie das schon ausschließen?

    Cramer: Diese Herstellungsverfahren für diesen Impfstoff sind ja seit 2007 zugelassen. Es gibt also auch bereits Impfstoffe, die basiert sind auf diesen Herstellungsverfahren. Man liest oder hört dann manchmal, es seien doch schließlich Krebszellen, und das muss man ganz klar sagen: nein, es sind Zellkulturen, Zellen, die sich dort also vermehren, die man verwenden kann für die Herstellung von diesen Viren. Dieses Virus wächst in diesen Zellen. Eine Plausibilität ist schlichtweg aber nicht gegeben, dass hieraus später Krebs entstehen könnte. Natürlich liegen Langzeitdaten nicht vor, wenn so etwas 2007 erst erstmalig zugelassen worden ist, aber plausibel jedenfalls ist das nicht.

    Klein: Und die Studien werden noch fortgesetzt. - Das war Dr. Jakob Cramer vom Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg. Er koordiniert dort die gestern angelaufenen Probeimpfungen gegen die Schweinegrippe. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Cramer.

    Cramer: Sehr gerne.