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"Das ist also jetzt erst mal in die Zukunft vertagt"

"Mit der CSU war wohl eine richtige Reform nicht zu machen ," bedauert Patrick Adenauer, Präsident des Verbandes "Die Familienunternehmer" in Bezug auf die vereinbarten Eckpfeiler zur Gesundheitsreform. Aus Arbeitgebersicht sei gleichwohl die Abkoppelung der Krankheitskosten von den Lohnkosten zu begrüßen.

Patrick Adenauer im Gespräch mit Dirk Müller |
    Dirk Müller: "Die Regierung kapituliert vor den Gesundheitskosten", schreibt jedenfalls die "Süddeutsche Zeitung", und meint damit die aktuellen Beschlüsse der Koalition zur Gesundheitsreform. 11 Milliarden Defizit insgesamt im Gesundheitswesen. Also haben die Koalitionäre Antworten geben müssen nach monatelangen Streitereien, Zerwürfnissen und Beleidigungen. Die Antwort heißt: alles wird teuerer, für die Versicherten, für die Arbeitnehmer wie auch für die Arbeitgeber wie auch für den Steuerzahler, weil die Beiträge steigen werden. Dazu gehören auch die Zusatzbeiträge. – Darüber sprechen wollen wir nun mit Patrick Adenauer, Präsident des Verbandes "Die Familienunternehmer". Guten Morgen!

    Patrick Adenauer: Guten Morgen, Herr Müller.

    Müller: Herr Adenauer, zunächst noch etwas anderes. Haben Sie heute Nacht gut schlafen können?

    Adenauer: Ja, man war schon ein bisschen traurig und der Schlaf ist unruhig ausgefallen, vor allem das Aufwachen heute Morgen. Es ist schade, dass die Mannschaft sich nicht hat auf dem Platz nur annähernd so durchsetzen können wie in den letzten Spielen.

    Müller: Sie haben die ganze WM verfolgt?

    Adenauer: Ja! – Ja und wir hatten uns natürlich alle gefreut auf einen schönen Abend gestern, aber von Anfang an merkte man, da stimmt was nicht. Ja, und es ist so ausgegangen, wie wir alle wissen. Ich glaube, die bessere Mannschaft (gestern Abend zumindest) hat gewonnen.

    Müller: Waren Sie zuvor auch euphorisch?

    Adenauer: Ja. Man steigert sich ja gerne in eine solche Euphorie hinein. Das ist ja auch schön fürs ganze Land, für alle, die Fußballbegeisterten und darüber hinaus, und insofern ist das dann immer ein Stück Traurigkeit, was man dann am Schluss hat.

    Müller: Weniger Euphorie, Herr Adenauer, hat ja die Gesundheitsreform, beziehungsweise die neuen Beschlüsse der Koalition zur Gesundheitspolitik ausgelöst. Verdient diese Gesundheitsreform den Namen Reform?

    Adenauer: Nein. Man kann jetzt nicht sagen, dass die ursprünglichen Ziele, nämlich Kostendämpfung ins System reinzubringen, tatsächlich erreicht sind. Letztlich ist es ein kleines Stück Reform und eine Beitragserhöhung insgesamt.

    Müller: Haben Sie damit gerechnet, dass die Koalition in diesem Punkt so unkreativ wird?

    Adenauer: Das habe ich anfangs nicht getan und hatte darauf gesetzt, dass die drei Parteien sich da zusammenraufen. Das ist aber offensichtlich, die FDP wollte das ja bis zum Schluss und hat ja bei den Zusatzbeiträgen, sage ich mal, einen gewissen Teilerfolg und bei der Festschreibung der arbeitgeberseitigen Kosten erlangt, aber mit der CSU war wohl eine richtige Reform nicht zu machen heute – leider.

    Müller: Da hätte man als Unternehmer auch die SPD wählen können?

    Adenauer: Ob der jetzt was anderes eingefallen wäre, als die Beiträge zu erhöhen, weiß ich nicht. Aber hier an der Stelle, was positiv aus Arbeitgebersicht zu beurteilen ist, ist eben, dass wir ein Stück weit der Abkoppelung der Krankheitskosten von den Lohnkosten haben. Krankheitskosten betreffen ja alle Bürger und die Kosten, die alle Bürger haben, werden ja nur auf die Arbeitsverhältnisse dann hier umgelegt, was für den Arbeitsmarkt in Deutschland schlecht ist. Insofern ist da zumindest ein Punkt eingezogen, eine Decke eingezogen. Aber die Anreize, die zur Kostensenkung im System beitragen sollten, die kommen jetzt erst langsam über den Wettbewerb, der entsteht, bei den Krankenkassen über die Zusatzbeiträge.

    Müller: Herr Adenauer, die Familienunternehmen werben ja auch damit, soziale Unternehmen zu sein, verantwortliche Unternehmen zu sein, mittelständische Unternehmen zu sein. Die Arbeitnehmer schauen jetzt in die Röhre. Kann Ihnen das recht sein?

    Adenauer: Wir haben immer gefordert, dass wir für unsere Mitarbeiter mehr Netto vom Brutto brauchen, und haben deshalb natürlich von der Großen Koalition, auch von der CDU/CSU-FDP-Koalition erwartet, dass sie an der Stelle ansetzt. Das ging natürlich auch insbesondere auf die Steuerseite. Da ist ja mit Familiengeld und Erhöhung des Kinderfreibetrages etwas geschehen, aber wir hätten uns da natürlich größere Schritte erhofft. Leider hat die Konjunktur dann einen Strich durch die Rechnung gemacht, aber per Saldo ist außer dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz und den Dingen, die vorher schon verarbeitet wurden, dann ja jetzt nichts Weiteres draufgekommen. Das ist aber auch der Finanzkrise und den Konsequenzen aus der Weltwirtschaftskrise geschuldet.

    Müller: Wobei diese Ankündigung mehr Netto vom Brutto ja nun auch während der Finanzkrise getan wurde. Das heißt, wir wussten alle, worum es geht, und das war ja kurz vor dem Bundestagswahlkampf.

    Adenauer: Ja. Insofern hätte ich mir gewünscht, wenn es auch in den ersten zwei Jahren dieser Koalition nicht möglich ist, dass dann doch zumindest ein Weg aufgewiesen wird, wie man es vielleicht dann in zwei oder drei Jahren angeht, und das steht eben einfach noch aus. Bei der Gesundheitsreform ist es tatsächlich so, dass wir Kostenerhöhungen haben. Alle Bürger profitieren auch davon, dass diese Mehrkosten getragen werden. Wir haben beispielsweise in Deutschland im Durchschnitt 18 Arztbesuche pro Jahr, in anderen europäischen Ländern mit gleichen Krankenquoten et cetera haben wir sieben Besuche. Also ich hätte mir gewünscht, dass man tatsächlich bei den Kosten ansetzt und sagt, was leistet das System solidarisch, was leistet es nicht mehr, aber in diese, sage ich mal, dann auch harte Auseinandersetzung ist man leider nicht reingegangen und insofern ist da eine gewisse Enttäuschung. Das ist also jetzt erst mal in die Zukunft vertagt.

    Müller: Reden wir über Solidarität. Sie haben eben schon darauf hingewiesen. Der Arbeitgeberanteil wird eingefroren auf 7,3 Prozent. Ist das wirklich solidarisch mit den Mitarbeitern?

    Adenauer: Ja. Ich habe ja schon gesagt, es ist ja nicht so, dass das jetzt nur auf den einzelnen Mitarbeiter geht, sondern es wird ja über diese Systematik die Kosten des Gesamtsystems, also auch der Leute, die nicht beschäftigt sind, bei dem Arbeitgeber ja mit abgedeckt. Das heißt also, wir haben hier eine Systematik, die nur bei den Arbeitsverhältnissen und sonst nirgendwo die Krankenkosten des gesamten Volkes abdeckt. Das ist ja der Punkt. Das ist ja auch die Begründung dafür, dass der Arbeitgeberanteil bei 7,3 Prozent eingefroren wird, weil wenn wir das Ganze immer weiter auf die Arbeitsplätze ablegen, auf die Kosten der Arbeitsplätze, dann wird das System am Ende dazu führen, dass es immer weniger Beschäftigung in Deutschland gibt.

    Müller: Aber der Beschäftigte muss das ja auch mittragen?

    Adenauer: Ja, der Beschäftigte muss auch mittragen, klar, das ist so. Deshalb soll ja der Sozialausgleich beispielsweise über Steuermittel erfolgen, damit es da auf die Gesamtbevölkerung umgelegt wird.

    Müller: Und da haben Sie nicht das Gefühl, Herr Adenauer, wenn ich Sie hier unterbreche – Entschuldigung! -, wenn wir über diese Zusatzbeiträge reden, die sind ja jetzt nicht gedeckelt, das heißt eine Krankenkasse kann hingehen und dann irgendeinen Beitrag festsetzen, zehn Euro, acht Euro, 20, auch 30 Euro ...

    Adenauer: Das ist auf zwei Prozent des Einkommens gedeckelt.

    Müller: Ab dann gibt es diese steuerfinanzierten Zusatzbeiträge.

    Adenauer: Ja.

    Müller: Ist das politisch klug?

    Adenauer: Es soll den Wettbewerb bei den Krankenkassen erhöhen, um dafür zu sorgen, wenn die Krankenkassenbeiträge zu hoch werden, dass man dann eben zu einer anderen Krankenkasse wechselt. Das ist beabsichtigt an der Stelle und der Sozialausgleich fängt dann zusätzlich noch mal an bei zwei Prozent des Einkommens, sodass also das auch keine Überforderung dann darstellt am Ende des Tages. Ich hätte mir zusätzlich im System noch stärkere Anreize dazu vorstellen können, dass gespart wird, nicht nur an dieser Stelle. Dieser Weg, der jetzt gewählt worden ist, ist ein Einstieg, aber er geht für meine Begriffe nicht an die Wurzel des Problems, eben dem: Was wird alles über das solidarische System abgetragen, abgedeckelt oder nicht, beispielsweise was ist mit den Folgen von Verletzungen aus Extremsportarten, um mal so ein Beispiel zu bringen, muss da nicht der Einzelne, der sagt, ich mache Drachenfliegen, dann sagen, okay, ich zahle dann auch fünf Euro mehr im Monat, um dieses Risiko mit abzudecken. An diesen Stellen muss meines Erachtens noch mehr im System verändert werden.

    Müller: Da soll auch der Raucher mit rein?

    Adenauer: Ich kann mir auch vorstellen, den Raucher mit reinzunehmen, ganz klar. Wir haben eben gigantisch steigende Gesundheitskosten und da muss man gucken, wie man etwas intelligenter vorne anpackt, und wenn einer sagt, ich rauche gerne, dann muss ihm das auch fünf Euro im Monat wert sein.

    Müller: Wären Sie manchmal gerne Pharmaunternehmer?

    Adenauer: Ja! Dann hätte ich zumindest bessere Renditen als in unserer Branche. Insofern kann ich ganz klar sagen, ja.

    Müller: Oder Hotelier? Haben Sie darüber nachgedacht?

    Adenauer: Hotelier, weiß ich nicht, ist eine sehr umkämpfte Branche. Gleichwohl hätte ich diese Mehrwertsteuerveränderung nicht vorgenommen, weil es eine einseitige Subvention einer Branche ist. Da sind wir grundsätzlich als Familienunternehmer dagegen. Ich glaube, das bringt am Ende nicht viel, und ich hätte es jetzt auch wieder zurückgedreht. Zumindest gehört es zurückgedreht im Rahmen einer allgemeinen großen Mehrwertsteuerreform.

    Müller: Jetzt haben wir nicht mehr viel Zeit, eine gute halbe Minute. Dennoch die Frage: Spitzensteuersatz. Wären Sie bereit, mehr zu zahlen?

    Adenauer: Ich sage Ihnen, im Rahmen eines solidarischen Aktes, in dem man hingeht und sagt, wir müssen einmal das und diese und diese Summe aufbringen, glaube ich, würde sich kein Familienunternehmer dem verschließen. Aber jetzt auch einfach genau wie bei der Gesundheit zu sagen, wir brauchen mehr Steuern, jetzt höherer Spitzensteuersatz, das halte ich für nicht gut, weil man auch damit die Kostensteigerung der öffentlichen Hand nicht dämpft. Darüber hinaus trifft die höhere Spitzensteuer viele, viele Unternehmer, 90 Prozent der Mittelschicht-Unternehmer zahlen Einkommensteuer, weil sie in Form der Personengesellschaft organisiert sind, und damit trifft das dann auch die Firmen. Mit Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer und so weiter sind wir schon bei 50 Prozent, wir sind ja gar nicht bei 42 Prozent. Das ist das Problem. Insofern sollte man an der Schraube nicht drehen, sondern auch hier muss man an die entsprechenden Einsparungen denken und an die Unternehmen denken.

    Müller: Bei uns im Deutschlandfunk Patrick Adenauer, Präsident des Verbandes "Die Familienunternehmer". Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Adenauer: Sehr gerne. Auf Wiederhören, Herr Müller.