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"Das ist auch einer der großen Würfe"

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hat die SPD vor einer Blockade der Hartz-IV-Reform gewarnt. Wer die von der Bundesregierung neu berechneten Regelsätze verhindern wolle, der verhindere auch die geplanten zusätzlichen 620 Millionen für die Bildung von Kindern.

Alexander Dobrindt im Gespräch mit Dirk Müller |
    Dirk Müller: Ein Sturm der Entrüstung weht in diesen Wochen der Koalition ins Gesicht: die Atompolitik, die Wehrpflicht, die Gesundheitsreform und jetzt auch noch Hartz IV. Die jüngsten Umfragen verheißen nichts Gutes für die schwarz-gelbe Bundesregierung. Gestritten haben Union und FDP selbst heftig über all diese Vorschläge, Konzepte und Pläne, die nun offizielle Regierungspolitik sind. Gestern hat die Unions-Führung noch einmal beisammen gesessen; es bleibt bei fünf Euro mehr für die Hartz IV-Sätze.

    Bei uns am Telefon ist jetzt CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Guten Morgen.

    Alexander Dobrindt: Guten Morgen!

    Müller: Herr Dobrindt, muss Oppositionskritik immer falsch sein?

    Dobrindt: Ich glaube, dass es von der Sache abhängt, wenn Opposition jetzt meint, ein Gesetz, das sie selber in ihrer Zeit, als Rot-Grün regiert hat, gemacht hat, erfunden hat, das nicht verfassungskonform war. Wenn es jetzt objektiviert wird und verfassungsgerecht gemacht wird, dann ist die Kritik sicher falsch.

    Müller: Und mit fünf Euro Plus ist alles verfassungskonform?

    Dobrindt: Es ist dann verfassungskonform, wenn man objektiv festsetzt, wie sich Regelsätze zusammensetzen. Das haben wir getan. Es gibt 230 Einflussfaktoren, die den Satz bestimmen, und die sind berechnet aus einer Gruppe von Menschen im unteren Einkommenssegment in Deutschland. Die 20 Prozent der unteren Einkommen geben die Grundlage für das, was jetzt für die Hartz IV-Berechnung notwendig geworden ist.

    Müller: Sie sollen die Berechnungsgrundlage offenlegen, fordert die Opposition. Tun Sie das?

    Dobrindt: Die Berechnungsgrundlagen sind offen, sie können sie heute schon überall lesen.

    Müller: Aus dem Statistischen Bundesamt? Das ist die Grundlage?

    Dobrindt: Das ist die Grundlage.

    Müller: Warum streitet man sich über die Berechnungsgrundlagen so sehr?

    Dobrindt: Ich glaube nicht, dass man sich über die Berechnungsgrundlage grundsätzlich streitet, sondern die SPD muss natürlich sagen, wenn sie einen höheren Hartz IV-Satz will, was denn an Inhalten rein muss, was zusätzlich berechnet werden muss. Wir haben als politische Entscheidung Schnaps und Zigaretten rausgenommen, das sind Genussmittel, die gehören nicht zum Grundbedarf, den man zum Leben braucht. Und wenn die SPD meint, dass Schnaps, Zigaretten, Flachbildschirme rein kommen, dann muss sie es sagen.

    Müller: Herr Dobrindt, wird Hartz IV insgesamt teuerer?

    Dobrindt: Hartz IV wird insgesamt natürlich für den Sozialstaat teuerer. Fünf Euro mehr macht in der Summe 300 Millionen Mehrausgaben und ungefähr 115 Millionen bei den Kommunen.

    Müller: Und das, was für die Kinder dazu kommt?

    Dobrindt: Ja, das ist auch einer der großen Würfe. Wer heute meint, er muss diese Regelung blockieren, oder versucht, sie zu blockieren, der sagt gleichzeitig, dass er 620 Millionen zusätzliches Geld in die Bildung, in die Investition für Bildung für Kinder, die im Hartz IV-Bereich leben müssen, blockieren will. Ich glaube, dass es eine herausragende Leistung in diesem Gesetz ist, dass man jetzt es endlich schafft, dass man Bildung bei den Hartz IV-Kindern als eine der wesentlichen Maßnahmen sieht, die versucht zu fördern und ihnen damit die Chance gibt, aus dieser Hartz IV-Bezieherzeit herauszukommen, beziehungsweise, dass sich Arbeitslosigkeit oder Hartz IV-Bezug nicht dann auch noch in den Generationen verfestigt.

    Müller: Blockieren ist ja nicht Ihre Sache. Das haben Sie in der Vergangenheit immer wieder gesagt. Warum blockieren Sie dann die Chipkarten der Arbeitsministerin?

    Dobrindt: Wir haben uns festgelegt, dass wir dieses Bildungspaket als Sachleistung verwenden wollen. Sachleistung heißt, dass es direkt zu demjenigen geht, der beispielsweise den Nachhilfeunterricht anbietet, oder der das Mittagessen an der Schule anbietet – in der Regel sind das alles die Schulen -, dass der dieses Geld bekommt. Damit können wir sicherstellen, dass es auch direkt bei den Kindern ankommt.

    Müller: Also keine Chipkarte?

    Dobrindt: Wir brauchen dafür keine Chipkarte, aber das ist Technik. Wir sind jetzt im Gesetzesverfahren und das Gesetz regelt nur, dass es sich um eine Sachleistung handelt. Wir verstehen die Sachleistung so, dass das Geld direkt bei demjenigen, der dann auch das Angebot für die Hartz IV-Kinder anbietet, ankommt und dass der das Geld bekommt.

    Müller: Wie groß, Herr Dobrindt, ist für Sie das Risiko, als Fünf-Euro-Partei in die nächsten Monate zu gehen und dann im Bundesrat zu scheitern?

    Dobrindt: Ich glaube, dass wir im Bundesrat nicht scheitern. Die SPD hat keine Mehrheit, um das Vermittlungsverfahren anzurufen im Bundesrat, und sie muss erklären, warum sie das Mehrgeld für Kinder, 620 Millionen an dieser Stelle, wenn dann auch blockieren will. Es ist eine gute Lösung, die man jetzt geschafft hat, und objektive Berechnungsverfahren, die auch noch transparent und nachvollziehbar sind, die kann man ehrlich gesagt nicht anprangern.

    Müller: Da müssen Sie uns noch einmal Nachhilfestunden geben. Wir haben das jetzt so verstanden, dass die Mehrheitsverhältnisse sich zu Gunsten der SPD-geführten Länder verändert haben.

    Dobrindt: Es gibt keine Mehrheit dafür, ein Vermittlungsverfahren anzurufen. Wir haben keine eigene Mehrheit im Bundesrat und die SPD hat keine eigene Mehrheit im Bundesrat für ein Vermittlungsverfahren.

    Müller: Und deswegen bekommen Sie das so durch wie Sie wollen?

    Dobrindt: Deswegen glaube ich, dass die SPD erklären muss, warum sie eine Verbesserung für Hartz-IV-Bezieher und für Kinder von Hartz-IV-Beziehern blockieren will.

    Müller: Welche Erklärung haben Sie dafür, dass die Bundesregierung im Moment so schlecht dasteht?

    Dobrindt: Ich glaube, dass die Arbeit der Bundesregierung gut ist. Das Erscheinungsbild könnte besser sein, aber wir arbeiten ja daran.

    Müller: Welche Erklärung haben Sie?

    Dobrindt: Ich glaube, dass es an vielen Stellen wenn, dann ein Vermittlungsproblem ist. Wir haben große Aufgaben auch in den nächsten Monaten noch zu leisten. Wir müssen ein Sparpaket jetzt dann umsetzen, wir haben Hartz IV umzusetzen, wir müssen das Energieprogramm umsetzen, und dazu gehört auch noch ein bisschen Kommunikation, die kann man verbessern.

    Müller: Dazu gehört auch die Gesundheitsreform. Da sagt die CSU, so in dieser Form nicht.

    Dobrindt: Dazu gehört auch die Gesundheitsreform. Wir haben an der einen oder anderen Stelle bei dieser Gesundheitsreform unseren Bedarf angemeldet, wo man noch diskutieren muss. Das hat damit zu tun, dass wir bei den Hausärzten Vertrauensschutz haben wollen, das hat damit zu tun, dass wir gerne eine praktikable Lösung haben wollen, was Zusatzbeiträge betrifft. Darüber wird noch diskutiert, aber das sind Detailfragen, die lassen sich klären.

    Müller: Das hat ja auch Ihr Parteifreund Markus Söder gleich nach dem Kabinettsbeschluss gesagt. Warum gibt es einen Kabinettsbeschluss und Sie haben noch Nachbesserungsbedarf?

    Dobrindt: Es gibt ein parlamentarisches Verfahren, in den Parlamenten werden die Gesetze gemacht und es gilt ja grundsätzlich, dass auch aus dem Kabinett ein Gesetz, das ins Parlament geht, nicht komplett unverändert da wieder rauskommen muss.

    Müller: Herr Dobrindt, wenn es nur noch um Details geht bei der Gesundheitsreform, das heißt der indirekte oder auch direkte Einstieg in die Kopfpauschale ist damit sanktioniert?

    Dobrindt: Nein, es geht überhaupt nicht um die Kopfpauschale. Es geht darum, dass wir unser Gesundheitssystem für die Zukunft leistungsfest machen, und das heißt, dass wir ein Defizit von elf Milliarden Euro in den nächsten Jahren ausgleichen. Das haben wir damit getan.

    Müller: Und Sie muten den Arbeitnehmern zu, den Hauptteil zu tragen?

    Dobrindt: Wir muten beiden Beteiligten im Gesundheitssystem, Arbeitnehmern wie Arbeitgebern, jetzt zu, dass sie selber sich in die Lage versetzen, ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem zu haben. Gesundheit wird immer ein Stück teuerer und deswegen haben wir paritätisch den Hauptteil der Kosten auf alle tragenden Schultern verteilt.

    Müller: Sie sagen "jetzt", aber ein Jetzt ist in der Politik sehr kurz. Das heißt, 2012 müssen die Arbeitnehmer die Steigerung alleine tragen?

    Dobrindt: Wir werden erst mal sehen, was passiert. Es geht im Wesentlichen natürlich auch darum, dass Einsparmaßnahmen vorgenommen werden. Da wo Luft drin ist, muss die rausgelassen werden. Da sind alle Leistungserbringer jetzt auch aufgefordert. Deswegen haben wir ja beispielsweise im Bereich der Pharmaindustrie ein großes Sparpaket aufgelegt. Die werden alle mit beteiligt daran und dann wird man sehen, ob man damit nicht die Kosten erheblich dämpfen kann.

    Müller: Zwei Milliarden ist da die Zahl, die im Moment kursiert. Hatten Sie mehr erwartet? Wir hatten ja auch mal von drei Milliarden gehört.

    Dobrindt: Zwei Milliarden ist keine kleine Zahl.

    Müller: Drei Milliarden?

    Dobrindt: Man kann das nicht einfach aus dem Ärmel schütteln, sondern es geht auch schließlich darum, dass wir die Leistungsfähigkeit nicht überstrapazieren. Zwei Milliarden halte ich für einen erheblichen Beitrag.

    Müller: Das heißt, Sie werden es insgesamt mittragen?

    Dobrindt: Wir haben noch einen kleinen Nachbesserungsbedarf, das habe ich gerade formuliert, aber dass wir ein Gesundheitspaket am Schluss mittragen, das zukunftsfähig ist, daran habe ich keinen Zweifel.

    Müller: Und bei der Bundeswehrreform, Herr Dobrindt, ist alles bestens?

    Dobrindt: Wir haben bei der Bundeswehrreform bei unserer gemeinsamen Präsidiumssitzung am Wochenende Beschlüsse gefasst. Es geht jetzt darum, das Konzept des Bundesministers der Verteidigung, das wir unterstützen, in seiner weiteren Ausgestaltung mitzugestalten. Das heißt, wir reden jetzt darüber, wie muss eine Truppenstärke der Bundeswehr ausschauen. 163.000 Mann sind eine Zahl, die uns zu gering erscheint, die müsste deutlich höher werden. Wir wollen über Standortfragen an dieser Stelle auch reden und wir wollen auch darüber reden, wie die Zukunftsausrichtung der Bundeswehr in Bezug auf Landesverteidigung entsprechend ausschaut, und wir haben noch erheblichen Diskussionsbedarf, wie man die Fragen des Zivildienstes beziehungsweise eines zukünftigen attraktiven zivilen Dienstes gestaltet.

    Müller: Also bei der Truppenstärke machen Sie nicht mit, weil auch zu viele Standorte in Bayern betroffen wären?

    Dobrindt: Bei der Truppenstärke gibt es viele Aspekte. Einer ist der: Wir haben Bündnisverpflichtungen einzuhalten, und diese Bündnisverpflichtungen wird man mit einer, wie es der Verteidigungsminister selber sagt, untersten Zahl von 163.000 vielleicht nur schwer einhalten können. Deswegen stellen wir uns eine deutlich höhere Zahl vor.

    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Dobrindt: Gerne. Auf Wiederhören!