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"Das ist auch Otto Schily seinen Wählern schuldig"

Der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Jerzy Montag, hat den SPD-Abgeordneten Otto Schily aufgefordert, seine Nebeneinkünfte offen zu legen. Die Regeln für Parlamentarier seien klar. Sie würden auch für den Abgeordneten Schily gelten. Schily hatte Medienberichten zufolge die von Korruptionsvorwürfen betroffene Siemens AG rechtlich beraten und diese Tätigkeit nicht angegeben.

Moderation: Dirk-Oliver Heckmann |
    Dirk-Oliver Heckmann: Eigentlich ist die Sachlage klar. Zumindest dachte man das bisher. Nach dem Abgeordnetengesetz des Bundestages und den entsprechenden Verhaltensregeln muss ein Parlamentarier neuerdings die Höhe seiner Einkünfte angeben, zumindest nach Stufen gestaffelt, wenn, ja wenn er neben seinem Mandat noch einem anderen Beruf nachgeht und daraus Einkünfte erzielt. Jeder Wähler soll wissen, für wen sein Abgeordneter noch so aktiv ist, um mögliche Interessenskonflikte erkennen zu können. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte das Gesetz zuletzt für zulässig erklärt. Nun weigert sich ein Parlamentarier, die geforderte Angabe zu machen. Es handelt sich um niemanden anders als Ex-Innenminister Otto Schily von der SPD. Am Telefon begrüße ich jetzt Jerzy Montag. Er ist rechtspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Guten Tag Herr Montag!

    Jerzy Montag: Einen schönen guten Tag!

    Heckmann: Herr Montag, hat sich der Gesetzgeber bei der Formulierung des Gesetzes und bei der Formulierung der Verhaltensregeln zu den Nebeneinkünften unklar ausgedrückt?

    Montag: Es gibt in einigen Grenzbereichen Unklarheiten und ich hätte mir gewünscht, dass die von Anfang an vielleicht besser gefasst oder jetzt auch nachgebessert worden wären. Das Bundesverfassungsgericht hat aber jetzt das letzte Wort gesprochen. Die Bestimmungen des Deutschen Bundestages sind mit der Verfassung vereinbar und sie gelten und jeder hat sich daran zu richten.

    Heckmann: Wenn Sie sagen, dass es Spielräume und Lücken gebe, dann ist es so, dass Otto Schily diese Spielräume nutzt?

    Montag: Ich kann zu dem Einzelfall des Kollegen Otto Schily nichts sagen, weil ich die Einzelheiten nicht kenne. Ich kenne nur die Presseveröffentlichungen und die sind naturgemäß lückenhaft. Ich gehe davon aus, dass auch der Kollege Schily als Anwaltskollege angesprochen - ich bin selber Rechtsanwalt - wie auch als Parlamentskollege angesprochen sich an die Regeln halten wird, die er im Übrigen selbst vorgeschlagen und selbst mitgetragen hat. Sie gelten in vollem Umfang auch für ihn.

    Heckmann: Was halten Sie denn von der Argumentation, die Tätigkeit als Anwalt sei keine Nebentätigkeit, sondern eine Haupttätigkeit?

    Montag: Das ist ein Spiel mit Worten und rührt am Problem überhaupt nicht. Es ist richtig: die Abgeordnetentätigkeit ist kein Beruf. Trotzdem heißt es, dass die Abgeordneten gefordert sind, das Hauptausmaß ihrer Arbeitsfähigkeit dem Abgeordnetenmandat zu widmen. Insofern kann man und soll man und darf man seinen Beruf weiterführen, aber eben nicht mit voller Kraft. Damit wird die Tätigkeit als Anwalt nicht zu einer Nebentätigkeit, aber sie kann nicht mit voller Arbeitskraft geleistet werden. Und alles das, was an Geld Abgeordneten zufließt aus ihrer Tätigkeit, nicht nur Nebentätigkeit, auch aus ihrer beruflichen Tätigkeit, aus ihrer schriftstellerischen oder sonstigen Tätigkeit, ist in anonymisierter Form anzugeben. Das ist ein Aspekt der Transparenz. Das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern schuldig und das ist auch Otto Schily seinen Wählern schuldig.

    Heckmann: Das zweite Argument, das genannt wird, ist: Wenn man Teil einer Anwaltssozietät ist, also einer Gemeinschaft, dann habe man nicht das Recht, über die Einkünfte dieser Gemeinschaft Rechenschaft abzulegen. Was halten Sie von dieser Argumentation?

    Montag: Na ja, das ist eine dieser spitzfindigen unklaren Formulierungen. Ich gehe davon aus, nach dem was ich der Presse entnommen habe, dass der Kollege Schily als Anwalt und Strafverteidiger - und er ist ja ein guter - den Siemens-Konzern in strafrechtlichen Angelegenheiten beraten hat. Ein solches Strafmandat wird nicht einer Sozietät übergeben, sondern immer einem Einzelanwalt, spielt also in diesem Zusammenhang keine Rolle.

    Heckmann: Gehen Sie denn davon aus, Herr Montag, dass Otto Schily jetzt noch einlenkt?

    Montag: Das ist eine Auseinandersetzung, die in erster Linie mit dem Parlamentspräsidenten, Herrn Kollegen Lammert, zu führen ist. Er wacht über die Einhaltung der Regeln. Ich kann nur eines sagen: Niemand wird gezwungen, Abgeordneter des Deutschen Bundestages zu sein. Die Regeln sind klar. Sie sind vom Verfassungsgericht geprüft. Sie gelten auch für den Abgeordneten Schily und er kann sich des Problems, in dem er sich wähnt, nur auf eine Art und Weise entledigen, indem er sein Mandat zurückgibt.

    Heckmann: Jerzy Montag war das, rechtspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Herr Montag, danke für das Gespräch.