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"Das ist die Spitze des Eisbergs gewesen"

Dass Politiker Einfluss auf die Presse nehmen, komme auf lokaler Ebene regelmäßig vor, sagt Michael Konken, Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes. In den öffentlich-rechtlichen Medien hätten Politiker grundsätzlich zu viel Einfluss zum Beispiel auf Personalentscheidungen, weil sie als Entscheider in den Gremien sitzen.

Michael Konken im Gespräch mit Gerd Breker |
    Tobias Armbrüster: Die Kontroverse um den Anruf eines CSU-Sprechers bei der "heute"-Redaktion wirft natürlich auch einige kritische Fragen zum Umgang zwischen Journalisten und Politikern auf. Viele fragen sich jetzt, wie selbstverständlich es eigentlich ist, dass Politiker sich in Nachrichtenredaktionen melden, und wie oft es vorkommt, dass die Journalisten dort auf ihre Wünsche eingehen. Mein Kollege Gerd Breker hat darüber gestern Abend mit Michael Konken gesprochen, dem Vorsitzenden des Deutschen Journalistenverbandes. Die erste Frage an ihn: Worin genau liegt die Brisanz dieses Vorfalls?

    Michael Konken: Ja allein: man mag ja überlegen, ob er dazu getrieben wurde, oder ob das wirklich jetzt etwas von Überheblichkeit war, von Selbstüberschätzung. Aber die Brisanz war darin, überhaupt so diesen Versuch zu starten, beim ZDF anzurufen, um zu verhindern, dass ein Bericht vom SPD-Parteitag gesendet wird, und das als politischer Gegner, das ist natürlich schon brisant. Wenn man dann auch noch bedenkt, dass im Verwaltungsrat des ZDF der Ministerpräsident Seehofer sitzt, im Fernsehrat auch noch der Generalsekretär der CSU, und dann auch noch damit gedroht wird, das könnte ja irgendwelche Folgen auch noch haben, wenn dann trotzdem gesendet wird, das ist schon sehr brisant und das ist darüber hinaus auch skandalös, denn hier wurde offen versucht, eine Berichterstattung zu verhindern. Das habe ich in diesem Maße bei vergleichbaren Fällen noch nicht erlebt und gehört.

    Gerd Breker: Legt denn dieses Vorgehen den Schluss nahe, dass der Sprecher nicht aus eigenem Antrieb heraus gehandelt hat?

    Konken: Ja, man kann es vermuten, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Pressesprecher einer Partei von sich aus bei einem großen Sender anruft und dort eine Berichterstattung verhindern will. Er ist Profi, man kennt ihn, er ist seit Jahren im Geschäft, er gilt als besonnen und auch erfahren, und wenn einer diese Attribute hat, dann kann ich mir schlecht vorstellen, dass er so einen Kardinalfehler macht. Ich glaube, jeder Pressesprecher, der einige Zeit im Job ist, wird das nie versuchen, weil er genau weiß, der Schuss geht nach hinten los, das lässt sich kein Journalist gefallen.

    Breker: Dass er so offensichtlich agiert hat, verwundert etwas, denn gerade im Bereich des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und des Rundfunks herrscht ja eher die subtile Form der Einflussnahme der Parteien vor.

    Konken: Ja klar! Die versuchen natürlich, auf allen Ebenen Einfluss zu üben. Deswegen ist ja auch meine Forderung, dass die Parteien, die Politiker mehr aus den Rundfunkräten, mehr aus dem Fernsehrat beim ZDF zurückgefahren werden. Im Verwaltungsrat des ZDF ist eine Mehrheit der Ministerpräsidenten, die entscheiden, und dann kommt es immer auf politische Mehrheiten an. Im Fernsehrat habe ich mal durchgerechnet: Von allen, die dort entsandt sind, sind ungefähr 80 Prozent, die Parteien nahestehen. Also auch Organisationen wie zum Beispiel das Deutsche Rote Kreuz werden dort von Herrn Seiters vertreten. Herr Seiters, weiß man, ist CDU-Bundestagsabgeordneter, und insofern wird er natürlich auch immer mit seiner Partei dort stimmen. Insofern sind diese, vor allem der Fernsehrat, durchsetzt von Politik. Im Moment hat das Bundesverfassungsgericht ja eine Entscheidung vorliegen, die wollen ja im nächsten Jahr überlegen, ob rückblickend auf den Fall Brender – damals hat ja auch die Politik dafür gesorgt, dass der Vertrag mit dem ehemaligen Chefredakteur des ZDF, Nikolaus Brender, nicht verlängert wurde -, ob das eine Entscheidung war, die nicht staatsfern war, und insofern überlegt man ja, ob vielleicht mehr Staatsferne, also weniger Einfluss von Politik in solchen Rundfunkräten und Fernsehräten notwendig ist. Ich meine schon. Dieser Fall wird vielleicht das Bundesverfassungsgericht darin bestärken, möglichst bald zu entscheiden und neue Kriterien vorzugeben.

    Breker: Und in diesen Gremien, Herr Konken, da bilden sich dann Freundeskreise, und die wiederum, die schnüren Personalpakete nach Proporz. Das ist doch so?

    Konken: Ja. Ich bin selbst im ZDF-Fernsehrat, und als ich dort einstieg, musste ich mich entscheiden, ob ich zur linken Seite gehöre oder zur rechten Seite. Das sind dann Freundeskreise: Der eine Freundeskreis ist ein Freundeskreis Beckmann und der andere der Freundeskreis Jung, also werden repräsentiert durch ehemalige Spitzenpolitiker, und dazwischen gibt es nichts und natürlich werden dort auch politische Kämpfe ausgetragen, und die, die die Mehrheit haben – im Moment sind das im ZDF-Fernsehrat die Unions-Parteien -, die wollen natürlich auch kräftig Einfluss nehmen. Auf der anderen Seite wird es aber höchst wahrscheinlich auch nicht anders sein, wenn die andere Seite mal die Mehrheit hat.

    Breker: Kann man daraus lernen, dass Spitzenjobs in den öffentlich-rechtlichen Medien ohne Parteizuordnung kaum noch zu haben sind?

    Konken: Es ist jedenfalls schwierig. Der Fall Brender hat es gezeigt. Brender war jemand als Chefredakteur, der sehr objektiv neutral gearbeitet hat. Das hat ihm sogar geschadet, weil dann doch eine bestimmte Parteienstrukturierung wollte, dass er mehr für diese Partei macht, und sein Vertrag wurde nicht verlängert. Und letztlich entscheidet dann der Verwaltungsrat im ZDF darüber, welche Verträge dann von Spitzenjournalisten verlängert werden, und die sind dann schon politisch abhängig, und das kann und darf es nicht geben.

    Breker: Dass Politiker in Redaktionen anrufen und loben oder tadeln, das ist eigentlich nicht ungewöhnlich. Allerdings: Wenn man sich es genau überlegt, das würden sie ja nicht tun, wenn sie nicht erwarten würden, dass das irgendwelche Konsequenzen hätte?

    Konken: Ja gut, dass man sich über Berichte vielleicht auch mal aufregt und beschwert, da rechnet auch ein Journalist mit. Da hat er eine Resonanz, mit der er auch umgehen kann. Beim Loben ist das vielleicht schon dann etwas schwierig, weil der Journalist dann vielleicht sagen muss, da hat er vielleicht was falsch gemacht, denn er soll ja auch kritisch etwas aufbereiten. Aber auf der anderen Seite ist das natürlich ein Verhalten, was heute die Politik macht, und den Fall, den wir gerade erleben, der kommt im Kleinen regelmäßig vor. Das ist jetzt mal die Spitze des Eisbergs gewesen, die an die Öffentlichkeit gekommen ist, die Spitze. Wir erleben das auf lokaler Ebene überall, dass Einfluss genommen wird, dass über gewisse politische Stränge auf regionalen Ebenen Einfluss genommen wird, und insofern ist das heute an der Tagesordnung, dass Politik natürlich auch versuchen will, dann auch so ein bisschen die Medien zu beherrschen. Und gerade im öffentlich-rechtlichen Bereich haben wir ja die Situation, dass der Rundfunk aus öffentlichen Gebühren finanziert wird, und das sehen einige Politiker so als ihr Eigentum dann an und meinen, wenn schon öffentliche Gebühren, dann sind wir auch diejenigen, die das zu verantworten haben, und dann gehören diese Sender vielleicht auch uns. So ist jedenfalls die Denke einiger Politiker und da kann ich mir dann gut vorstellen, dass man auch immer wieder – und das weiß ich auch – versucht, Einfluss zu nehmen.

    Breker: Sie haben es gerade schon angedeutet, Herr Konken: dieser Fall ist bekannt geworden. Spannend wäre natürlich die Frage, wie groß die Dunkelziffer der erfolgreichen Einflussnahmen ist.

    Konken: Ja gut, die wird man nicht herausbekommen. Ich erfahre das nur immer wieder am Rande. Ich kann mich erinnern an einen Fall, der ungefähr zwei Jahre zurückliegt, als einmal der Parlamentspräsident in Hamburg, Bernd Röder, versucht hat, eine Berichterstattung in der "Hamburger Morgenpost" zu verhindern. Da ging es um die Schneekatastrophen-Affäre, wo er seine Straße hat reinigen lassen und das kam raus, und er hat dann versucht, Druck auf die Redaktion zu machen. Ich weiß es von einer Lokalzeitung, dass dort mal der Oberbürgermeister, als er anfing zu arbeiten, die Lokaljournalisten zu sich einbestellt hat und denen sozusagen aufgetragen hat, künftig nur noch positiv über die Stadt zu berichten. Das sind immer so kleine Geschichten, die man dann am Rande erfährt. Die Dunkelziffer ist sehr viel hoch und wie oft natürlich sich vielleicht auch Journalisten dem beugen, weiß ich nicht. Ich hoffe, nicht. Ich hoffe immer noch, dass Journalisten in Deutschland so viel Standing haben, um zu sagen, wir haben eine andere Auffassung von Arbeit und wir werden uns nicht durch die Politik beeinflussen lassen.

    Armbrüster: Soweit Michael Konken, der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes, gestern Abend im Gespräch mit dem Kollegen Gerd Breker.


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