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"Das ist die zweite Welle"

Das Interesse an Impfungen hat in den letzten Tagen deutlich zugenommen, sagt Bernhard Schönemann, Leiter des Kölner Gesundheitsamts. Als Versorger mit Impfstoff stellt sich die Behörde auf eine stärkere Nachfrage der Praxen ein. Nicht zuletzt, weil bei den bisherigen Impf-Aktionen keine schwerwiegenden Nebenwirkungen aufgetreten sind.

Bernhard Schönemann im Gespräch mit Bettina Klein | 03.11.2009
    Bettina Klein: Eine Welle von Schweinegrippe-Infektionen läuft über Deutschland. Das hat gestern das Robert-Koch-Institut in Berlin mitgeteilt. Es rechnet auch mit weiteren Todesfällen. Die Welle, die wir für Herbst erwartet haben, habe bereits begonnen, so der Präsident des Institutes Jörg Hacker. Neue Todesfälle und schwerere Krankheitsverläufe seien für die Zukunft nicht auszuschließen. Zuletzt registrierte das RKI Ende Oktober rund 3.000 Fälle dieser neuen Grippe pro Woche, die meisten Neuinfizierten pro 100.000 Einwohner leben in Bayern und Mecklenburg-Vorpommern. Wir wollen darüber jetzt mit einem Experten aus der Praxis sprechen. Ich begrüße Bernhard Schönemann. Er ist zu uns ins Studio gekommen. Er ist vom Gesundheitsamt hier in Köln. Schönen guten Morgen!

    Bernhard Schönemann: Guten Morgen!

    Klein: Herr Schönemann, das Gesundheitsamt in Köln ist hier so organisiert: Sie organisieren die Impfungen durch die Hausärzte und Sie verteilen die Impfstoffe. Beschreiben Sie uns zunächst, wenn wir von einer Art Welle von Infektionen sprechen, vor allem betroffen der Nordosten und der Süden Deutschlands: Wie ist es hier in Köln?

    Schönemann: Wir verzeichnen an diesem Wochenende einen deutlichen Anstieg, wir haben über 35 Neufälle. Es geht jetzt ungefähr seit zwei, zweieinhalb Wochen ein deutlicher Trend nach oben und wir erreichen jetzt fast schon wieder die Zahlen, wie wir sie im Sommer auch hatten.

    Klein: Was sind die Ursachen dafür?

    Schönemann: Das ist die zweite Welle. So kann man es wahrscheinlich sehen. Das ist ja eine Erfahrung aus früheren Pandemien, dass sie in Wellen auftreten, und wir stehen wahrscheinlich jetzt am Beginn des Anstiegs der zweiten Welle.

    Klein: Wie aussagefähig sind solche Zahlen, die wir jetzt aus Bayern und aus Mecklenburg-Vorpommern gehört haben? Sie schildern etwas Ähnliches aus Köln. Wie viel kann man daraus ablesen über Entwicklungen in anderen Regionen Deutschlands?

    Schönemann: Ich denke, dass es in Gesamtdeutschland ansteigen wird. Das passt einfach zu der Pandemie. In allen Bereichen wird man jetzt mehr Neuinfektionen verzeichnen.

    Klein: Wovon hängt jetzt ab, in welchen Regionen sich das Virus besonders ausbreitet?

    Schönemann: Bei der normalen Winter-Influenza gibt es eine Erfahrung, dass die Viren sich von Süden nach Norden, nach Nordosten ausbreiten. Das scheint dieses Jahr auch so zu sein. Nur es scheint sehr viel schneller zu sein.

    Klein: Weshalb schneller?

    Schönemann: Das ist jetzt eine Beobachtung, die man so noch nicht erklären kann, aber man sieht es deutlich auf den Karten. Der Süden und der Osten Deutschlands, die sind jetzt im Moment einfach stärker befallen.

    Klein: Das heißt, bei Ihren Beobachtungen ist das nicht übertrieben oder Panikmache, wenn man tatsächlich davon spricht, diese Welle rollt jetzt an?

    Schönemann: Nein, das ist schon eine sachliche korrekte Aussage. Die Welle rollt und wird sich wahrscheinlich noch ein bisschen verstärken.

    Klein: Die Impfaktionen selbst zerbrechen ja inzwischen vielen Deutschen den Kopf und bereiten ihnen Kopfschmerzen, ohne die Erkrankung schon zu haben oder Nebenwirkungen der Impfung. An einigen Orten hört man, in einigen Bundesländern gibt es nicht ausreichend Impfstoff. Anderswo können die angefangenen Dosen gar nicht aufgebraucht werden, weil zu wenig Leute sich impfen lassen möchten. Welche Erfahrungen machen Sie hier in Köln?

    Schönemann: Wir in Köln richten uns ja nach den Vorgaben des Bundes und des Landes. Zuerst impfen die Betriebsärzte des Personal- und Gesundheitswesens, also in Krankenhäusern, Arztpraxen und so weiter, und wir haben jetzt gerade begonnen, die niedergelassenen Ärzte, die Hausärzte und Kinderärzte mit Impfstoff zu versorgen, damit die die chronisch Kranken impfen. Das läuft jetzt den zweiten Tag heute und wir hatten am ersten Tag in einigen Praxen schon schnell einen Ausverkauf der Impfdosen und mussten nachliefern. Die Nachfrage ist wohl recht rege und wir stellen uns darauf ein, dass wir die Praxen jetzt noch verstärkt mit Impfstoff versorgen.

    Klein: Nach Ihrer Erfahrung, haben Sie eine Erklärung dafür, weshalb es offensichtlich schwierig ist, Impfstoff im ausreichenden Maße, nicht zu viel und nicht zu wenig in den jeweiligen Ländern, Regionen und Städten bereitzustellen?

    Schönemann: Das hängt ja einerseits von den Herstellungsprozessen ab. Die einzelnen Bundesländer erhalten von dem Hersteller jede Woche eine neue Ration, ein neues Kontingent und dieses wird verteilt. Hier in Nordrhein-Westfalen war das jetzt schon von Woche zu Woche etwas unterschiedlich die ersten beiden Wochen. Die dritte Woche wird wieder einen anderen Wert haben. Von dieser Ration, die wir in Nordrhein-Westfalen erhalten, erhalten wir in Köln nach Einwohnerzahl unseren Anteil. Das wird sich jetzt über die nächsten Wochen so hinziehen, weil immer nachproduziert werden muss und diese Produktion dann über die Bundesländer verteilt werden kann.

    Klein: Weshalb lässt sich das nicht genauer steuern und regeln, wie viel Impfstoff wo gebraucht wird?

    Schönemann: Das wird eigentlich nach der Einwohnerzahl gesteuert. Man weiß ja nie, in welchem Ort wie viel gebraucht wird, wie dort die Nachfrage ist. Das kann keiner vorhersagen.

    Klein: Ein großes Diskussionsthema war ja die Frage nach den Nebenwirkungen, gerade bei dem Impfstoff, der für die breite Masse der Bevölkerung ja eingekauft worden ist. Welche Erfahrungen gibt es da nach Ihrer Praxis bisher?

    Schönemann: Wir haben bisher von ein, zwei Fällen gehört, wo jemand Beschwerden am Arm hatte, an der Einstichstelle, wo man sich mal etwas schlapper fühlte, Kopfschmerzen hatte. Einer ist mal einen Tag zu Hause geblieben, weil er sich etwas krank fühlte. Aber darüber hinausgehend haben wir bisher nichts gehört.

    Klein: Haben Sie den Eindruck, dass die Impfmüdigkeit nachlässt und die Leute sich von diesen Nebenwirkungen nicht abschrecken lassen oder nicht mehr abschrecken lassen?

    Schönemann: Ja, das ist wirklich der Eindruck der letzten 48 Stunden, dass das Interesse deutlich gestiegen ist. Wir erhalten auch sehr viele Anrufe, wie kann man sich impfen lassen, wo kann man sich impfen lassen, wer impft mich auch.

    Klein: Gesetz den Fall, ich habe mich noch nicht impfen lassen, bekomme die Krankheit, mit welchen Krankheitsverläufen ist zu rechnen, was kann ich am besten tun, wenn ich mich infiziert habe?

    Schönemann: Bisher gehen wir ja weiter davon aus, dass die meisten Krankheitsverläufe ja mild sind. Man hat Fieber, man hat Husten, man hat vielleicht Kopfschmerzen, Gliederschmerzen und das geht nach zwei, drei, vier Tagen auch wieder weg und am 7. Tag sind die allermeisten jetzt auch wieder vollkommen fitt.

    Klein: Aber dennoch, wenn wir von einer Welle, die jetzt kommt, sprechen, die Vorsorgemaßnahmen, die Vorkehrungen, die ja über Monate schon angemahnt wurden, die treffen weiter zu?

    Schönemann: Das häufige Händewaschen, was immer wieder zitiert wird, trifft zu. Man sollte Menschenansammlungen möglichst vermeiden. Das gilt für jede Influenza-Welle in jedem Winter auch. Man sollte sich von Personen, die wirklich krank sind, auch etwas fernhalten. Aber das sind nun schon die wesentlichen Sachen, die man tun kann.

    Klein: Bernhard Schönemann vom Gesundheitsamt hier in Köln über den Verlauf der neuen Welle der Schweinegrippe hier in Deutschland. Ich bedanke mich für den Besuch im Studio.

    Schönemann: Gerne.