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"Das ist ein Finale auf Augenhöhe"

Mit dem Einzug ins Finale der Champions League sei für Borussia Dortmund ein Traum in Erfüllung gegangen, sagt Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD). Und er sieht gute Chancen für die Dortmunder, den Titel zu holen.

Ullrich Sierau im Gespräch mit Christoph Heinemann | 24.05.2013
    Christoph Heinemann: Am Vormittag fliegen die Bayern, in den Mittagsstunden folgen dann die Dortmunder - Richtung: London, Zweck: Champions League-Finale, Ziel: Pokal. Soweit die Gemeinsamkeiten. Die Unterschiede sind schon rein farblich deutlich erkennbar. Über die Stimmung der Roten, der Bayern, haben wir eben berichtet. Vor dieser Sendung habe ich das folgende Gespräch mit Ullrich Sierau aufgenommen, dem Oberbürgermeister der Stadt Dortmund. – Guten Tag, Herr Sierau!

    Ullrich Sierau: Ich grüße Sie ganz herzlich, Herr Heinemann.

    Heinemann: Träumen Sie schwarz-gelb?

    Sierau: Ich träume schwarz-gelb, ich habe auch manchmal was Schwarz-gelbes an. Wir haben zu Hause keine schwarz-gelbe Bettwäsche, aber wir sind schon ziemlich farblich eingestimmt. Das stimmt wohl, ja.

    Heinemann: Erzählen Sie uns Ihren Traum.

    Sierau: Der Traum ist, dass wir das bisher erlebte noch ein bisschen fortsetzen könnten. Im Prinzip haben wir schon einen Traum durchlebt und erlebt, eigentlich die letzten Jahre: erst die Meisterschaft, letztes Jahr dann das Double und jetzt dieses Jahr eine ganz hervorragende Champions League-Saison, eine ganz klasse Vorrunde, die uns so keiner zugetraut hätte, und dann ganz herausragende Spiele, insbesondere natürlich die Spiele, die wir hier in Dortmund erleben konnten, gegen Malaga dieses Herzschlagfinale mit dem 3:2 am Ende und dann dieses sensationelle 4:1-Hinspiel gegen Real Madrid. Das sind Dinge, die man eigentlich früher hier nicht zu träumen gewagt hat. Die sind schon Realität geworden.

    Und dass jetzt dabei dann das Cup-Final herausgesprungen ist in Wembley, einem Ort, der gerade für die Deutschen nach dem Wembley-Tor von ‘66 ja was Mythisches hat, ist ja nun einfach so schon mal sensationell. Dass es jetzt noch zu allem Überfluss gegen die Bayern geht, wo ja spätestens seit dem Pokalaus Ende Februar in München noch eine Rechnung offen ist, gibt dem ganzen natürlich noch einen besonderen Reiz. Wenn Sie so wollen, ist damit schon Traum genug in Erfüllung gegangen.

    Heinemann: Der Traum ist schwarz-gelb. Könnte der Albtraum an Tagen wie diesen rot sein?

    Sierau: Nein. Wissen Sie, wir machen das hier ein bisschen anders als in München. Wir lieben den Fußball, wir sind da leidenschaftlich für und dann freuen wir uns.

    Heinemann: Na ja, das ist in München ähnlich!

    Sierau: Nein. Das, glaube ich, ist da doch ein bisschen anders. Sprechen Sie mal mit Münchnern, da werden Sie viele treffen, die beispielsweise für 1860 schwärmen. Und wenn ich sehe, dass zu einem Zeitpunkt, wo die Meisterschale durch die Gegend gefahren wird in München, wie jetzt vor kurzem, 20.000 Menschen auf dem Marienplatz waren – ich kenne den so ein bisschen, der ist ungefähr so groß wie unser Friedensplatz, da passen zehn drauf, da muss einer ein bisschen viel gezählt haben, oder die Sicherheit ist da ein bisschen zu kurz gekommen bei der Veranstaltung -, und wenn ich mir dann vorstelle, dass bei den 100.000, die an der Korsostrecke gewesen sein sollen, ungefähr genauso viel gezählt worden ist, dann halte ich mal die Begeisterung in München für ein bisschen überschaubarer, als das hier bei uns in der Stadt der Fall ist. Ich glaube, wir können uns an dem schon mal sehr erfreuen, was wir bisher hatten. Daraus soll man aber nicht den falschen Schluss ziehen, wir wären mit einer Niederlage im Finale zufrieden. Das hätten wir gegen FC Barcelona vielleicht in Kauf genommen, aber gegen die Münchner nicht.

    Heinemann: Welcher Verein steht in Wembley als Favorit auf dem Rasen?

    Sierau: Wenn man nach den Umfragen geht, die jetzt ja auch allenthalben veröffentlicht werden, dann erwarten natürlich die meisten einen Sieg von Bayern München. Die haben auch eine sensationell gute Saison gespielt, die haben sich zu Beginn der Saison gezielt verstärkt, da kann man nur den Hut vor ziehen, auch wie Jupp Heynckes es geschafft hat, da ein schlagkräftiges Team zu formen. Die haben eine Niederlage einstecken müssen in einem Heimspiel gegen Leverkusen, und das auch noch durch einen bemerkenswerten Abpraller aus dem Gesicht eines Münchner Abwehrspielers. Also da kann man nur den Hut vor ziehen und insofern sagen natürlich auch alle, das ist jetzt so, dass die Münchner dran sind. Die haben jetzt schon zweimal das Finale erreicht gehabt, sind dann nicht zum Zuge gekommen, dabei auch das traumatisierende "Finale dahoam" im letzten Jahr. Der Volksmund hat darauf eine Antwort. Der sagt, aller guten Dinge sind drei. Ich will damit sagen, auch das dritte Mal kann man durchaus in einem Finale verlieren.

    Heinemann: Hat der BVB ohne Götze eine Chance?

    Sierau: Ja selbstverständlich! Wir haben die Bayern letztes Jahr in Berlin im Pokalfinale auch ohne Götze 5:2 vom Platz gefegt.

    Heinemann: Das war allerdings eine schwache Bayern-Saison, muss man dazu sagen.

    Sierau: Das war keine schwache Bayern-Saison, sondern Borussia Dortmund war nur stärker. Für vorangegangene Saisons hätte der Punktestand der Münchner gereicht, um Meister zu werden, aber Dortmund hat letztes Jahr schon für sich einen Vereinsrekord aufgestellt. Insofern will ich mal so sagen: Die Bayern sind sicherlich stärker als im letzten Jahr, unbestritten, aber ich glaube, wir sind jetzt nicht so schwach, wie der Tabellenabstand das vermitteln möchte. Das ist ein Finale auf Augenhöhe und da geht es um Tagesform, da geht es manchmal um Kleinigkeiten, es geht vor allen Dingen aber auch um Leidenschaft und unbedingten Siegeswillen, und ich glaube, dass die Dortmunder da einen kleinen Vorteil haben.

    Heinemann: Herr Sierau, was bedeutet Borussia für Dortmund?

    Sierau: Wenn Sie in der Welt unterwegs sind und sagen, Sie kommen aus Dortmund, dann lautet die Antwort immer gleich "Borussia Dortmund". Das ist natürlich so: Der Verein ist ein Botschafter der Stadt in die Welt hinaus, er ist ein positiver Image-Träger. Mit dieser sympathischen Mannschaft mit dem sympathischen Trainer ist es so, wenn wir jetzt mal über Sympathiewerte sprechen, jenseits dessen, was die Erwartungen im Hinblick auf das Finale sind, dass natürlich die Sympathien eindeutig zugunsten von Borussia Dortmund ausschlagen, bei den deutschen Fans insgesamt. Das zeigen die aktuellen Umfragen ja auch. Insofern ist es natürlich so, dass der Glanz von Borussia Dortmund auch ein bisschen auf die Stadt abstrahlt. Das ist unbestritten. Aber jenseits der Tatsache, dass wir diesen wunderbaren Fußballverein hier in der Stadt haben, gibt es hier noch eine ganze Reihe anderer Stärken. Wir sind beispielsweise eine Stadt der Wissenschaft mit 45.000 Studentinnen und Studenten, mit sechs Hochschulen. Wir sind ein Technologiestandort mit vielen zukunftsträchtigen Arbeitsplätzen …

    Heinemann: Jetzt schwärmt der Oberbürgermeister!

    Sierau: … und haben den Strukturwandel noch nicht ganz hinter uns, aber doch einiges mehr geschafft, als man uns von draußen so zutraut.

    Heinemann: Herr Sierau, was wünschen Sie Ihrem Münchner Amtskollegen und SPD-Parteifreund Christian Ude zum Wochenende?

    Sierau: Zum Wochenende wünsche ich ihm einen wunderschönen Aufenthalt in London, dass er viele nette Menschen trifft. Ich glaube, das wird auch gelingen.

    Heinemann: Wird er Sie auch treffen?

    Sierau: Wir werden uns wahrscheinlich auch treffen, ich freue mich auch darauf. Ich halte ihn für einen Top-Typ und er ist auch Fan des richtigen Vereins in München, nämlich von 1860. Insofern wird er über eine Niederlage von Bayern München im Finale in Wembley auch ganz gut hinwegkommen, das wird er gut verschmerzen.

    Heinemann: Was würden Sie tun, wenn Ihnen jemand in diesen Tagen ein Bayern-Trikot schenken würde?

    Sierau: Ja, da würde ich mich sehr drüber freuen, dann hätte ich ein super Geschenk für meinen Bruder, der ist nämlich Bayern-Fan.

    Heinemann: Ullrich Sierau, der Oberbürgermeister der Stadt Dortmund. Das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.