Jürgen Zurheide: 48 Millionen Deutsche können abstimmen, sie können mitbestimmen, wie es denn bei ihrer Rente weitergeht, in den Verwaltungsräten oder bei den Krankenkassen. Allerdings – "denn sie wissen nicht, was sie ankreuzen", hat der "Spiegel" in diesen Tagen getitelt –, wissen Sie denn überhaupt, was Sie da ankreuzen und wen Sie wählen? Die Sozialwahl und das große Problem: Wissen wir denn genug?
Bei diesem Thema wollen wir bleiben und wollen uns bei einem derjenigen informieren, der in einem dieser Gremien sitzt. Ich begrüße am Telefon den Verwaltungsratschef der größten deutschen Krankenkasse, der BARMER GEK, Holger Langkutsch. Guten Morgen, Herr Langkutsch!
Holger Langkutsch: Guten Morgen, Herr Zurheide!
Zurheide: Herr Langkutsch, jetzt gibt es ja zwei Problemkreise, a) die Frage, wie groß ist Ihr Einfluss, und b) ausreichend demokratisch legitimiert? Wenn wir dem FDP-Politiker Vogel folgen, den wir gerade gehört haben – und mit dem Thema wollen wir anfangen –, Ihr Einfluss ist groß. Was machen Sie denn alles so in Ihrem Verwaltungsrat?
Langkutsch: Also einige Punkte sind ja schon von Herrn Rische und in dem Vorspann angesprochen worden. Wir tun das, was Parlamente ja auch tun, und ich lege Wert darauf, dass die Träger der sozialen Sicherung nicht zu vergleichen sind mit ganz normalen Unternehmen. Wir sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und wir gehören unseren Mitgliedern. Das heißt, wir haben über das Budget zu entscheiden, wir haben die Satzungen zu beschließen und wir treffen auch die Personalentscheidungen in der Führungsebene von zentraler Bedeutung, also dem Vorstand. Ein Beispiel hat ja die BARMER GEK, meine Kasse, gerade geben müssen, nicht dass das bestellt gewesen ist, aber da haben wir Handlungsfähigkeit und Entschlusskraft gezeigt, indem wir also innerhalb von vier Wochen einen vakant gewordene Vorstandsposition ich denke sachgerecht besetzt haben.
Zurheide: Allerdings, die Beiträge können Sie nicht mehr festsetzen, sondern nur noch die ungeliebten Zusatzbeiträge, weil die Politik Ihnen da Einfluss weggenommen hat. Würden Sie gerne wieder zum alten System zurückkehren und war das besser aus Ihrer Sicht?
Langkutsch: Ich denke mal, so viel geändert hat sich ja dadurch nichts, dass wir ja auch schon vor dieser staatlichen Festsetzung der Beiträge den Risikostrukturausgleich hatten, bei dem ein Großteil der Beitragssätze ja schon durch das System vorgegeben war.
Sicherlich ist es günstiger, wenn die Autonomie der einzelnen Träger noch voll erhalten bleibt und die Krankenkassen ihre Beiträge selber festsetzen können, sie haben dann auch viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Das ist für mich eine zentrale Frage, Gestaltungsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen, die wir haben, die auch zu verteidigen gegenüber den Versuchen, das System auszuhöhlen, damit die Betroffenen selber mit gestalten können, wie sich ihre Gemeinschaft fortentwickelt und auf soliden finanziellen Füßen zu stehen kommt.
Zurheide: Aber die Parität haben Sie zum Beispiel nicht verteidigen können, die ist seit einiger Zeit ausgehöhlt. Parität heißt ja, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu gleichen Teilen beteiligt werden; inzwischen ist es so, dass das, was an medizinischem Fortschritt da ist, möglicherweise dann auch kostet, nur noch von den Versicherten bezahlt werden muss. Sind Sie damit einverstanden?
Langkutsch: Überhaupt nicht, also ich halte schon die soziale Verantwortung der beiden Sozialpartner, also Arbeitnehmerseite und Arbeitgeberseite, für ein gutes Fundament der sozialen Sicherung und für den sozialen Frieden in der Bundesrepublik Deutschland.
Und in der Tat ist es so, dass die Politik, um die Lohnzusatzkosten zu schonen, Teile der Finanzierungslast auf die Versicherten allein übergewälzt hat, das sind die 0,9 Prozent, die bei dem allgemeinen Beitragssatz nicht mehr von den Arbeitgebern mit finanziert werden. Darum haben wir da schon eine Disparität. Ich denke immer an die vielen Zuzahlungen, die von den Versicherten geleistet werden, und ich denke mal, perspektivisch ist es deswegen insbesondere problematisch, weil ja nicht nur der medizinische Fortschritt, sondern auch die Mengenkomponenten künftig nur noch von den Versicherten zu schultern sein werden.
Zurheide: Und was können Sie als Verwaltungsrat dagegen tun?
Langkutsch: Wir können alles unternehmen, dass die Versichertengemeinschaft, also jeder Träger für sich versucht, so wirtschaftlich wie möglich zu agieren. Wir sind zwar keine Unternehmen, aber wir werden alle modernen Instrumente einer modernen Unternehmensführung einsetzen, um wirtschaftlich zu agieren. Das hat insbesondere mit den durch die Politik eröffneten neuen Handlungsfeldern, Leistung einzukaufen, etwas zu tun; das hat beispielsweise mit dem Skandal auf dem Pharmamarkt zu tun, der jetzt etwas eingedämmt ist durch dieses Arzneimittelmarkt-Neuregelungsgesetz, damit die Pharmafirmen nicht einfach das nehmen können, was ihnen gerade in den Sinn kommt; das hat mit stationärer Versorgung zu tun und Einkauf der Leistung in den Krankenhäusern.
Aber ich will noch mal eins deutlich machen: Man darf nicht vom Geld her kommen und dem System Geld entziehen oder undifferenziert reinpumpen, man muss von der Qualität kommen, man muss von den Bedarfen der Menschen kommen, was brauchen sie an medizinisch erforderlichen Leistungen: Und noch mal die Versicherung, ihr habt alle ein Recht auf die Teilhabe am medizinisch-technischen Fortschritt.
Zurheide: Und warum glauben Sie, dass Sie das dann besser können sozusagen als Vertretung derjenigen, denen die Kasse gehört?
Langkutsch: Weil wir natürlich die Betroffenheit sparen. Wir haben sicherlich manchmal die Quadratur des Kreises zu bewerkstelligen, indem wir einmal darauf schauen müssen, was ich gerade sagte, die Teilhabe am medizinischen Fortschritt, die erforderliche gesundheitliche Versorgung, ich nehme mal die Pflege ausdrücklich auch noch mit rein, und auf der anderen Seite unsere treuhänderische Verantwortung für die Verwaltung der Beiträge. Es muss finanzierbar bleiben. Und das ist sicherlich nicht leicht, aber ich denke mal, nach den vielen Jahren, die ich das schon mit gestalten darf, da sind noch erhebliche Potenziale, die gehoben werden, ohne dass also jetzt gleich das System insgesamt ins Wanken gerät.
Zurheide: Und sind Sie ausreichend demokratisch legitimiert? Da gibt es kritische Fragen, die Wahlbeteiligung ist gesunken und man weiß auch nicht immer, wen man da wählt. Da gibt es auch gerade jetzt einen Fall, wo bei einer Krankenkasse, bei der DAK, möglicherweise sogar ein Pharmamitarbeiter – ich sage jetzt nicht Lobbyist – gewählt wird. Wie kann man so was verhindern?
Langkutsch: Also ich denke mal bei der DAK und auch bei uns, das sind also zwei Beispiele von Krankenkassen, die mit Urwahl ihre Legitimation verleihen. Also wir gehören nicht zu denjenigen, die mit geheimen Listen die verteilbaren Mandate dann auch vergeben, sondern bei uns sind die 6,5 Millionen bei der BARMER GEK wahlberechtigten Mitglieder gerufen, ihre Stimme abzugeben. Verhindern kann man natürlich bei Kandidaturen nie, dass es auch mal U-Boote gibt, aber wir haben bei uns immer großen Wert darauf gelegt, dass unsere Mitglieder im Verwaltungsrat auch alle Mitglieder der Kasse sind. Es gibt noch eine Möglichkeit nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften, dass man also auch Leute ohne Versicherung bei der Kasse in den Verwaltungsrat wählen kann, das ist bei der BARMER GEK aber nicht der Fall.
Zurheide: Sie sind also nach Ihrer Auffassung ausreichend demokratisch legitimiert?
Langkutsch: Ich bin ausreichend demokratisch legitimiert, obwohl ich mir wünsche, dass die Wahlbeteiligung zunimmt. Und ich denke mal, das ist ja nicht nur eine Frage jetzt um den Wahlakt herum, sondern das ist eine Frage über die ganze Legislatur. Und wir haben die Hinweise, die wir von der Politik, die wir auch von dem Bundeswahlbeauftragten bekommen haben, sehr ernst genommen, wir haben kontinuierlich Öffentlichkeitsarbeit betrieben: Wir haben Mitgliederzeitschriften, die vier mal im Jahr jedes Mal über die Tätigkeit in der Selbstverwaltung agieren, und ich habe immer deutlich gemacht, keine Hofberichterstattung, sondern ganz konkrete Beispiele von Dingen, die die Menschen bewegen, wie da sich die Selbstverwaltung eingebracht hat.
Ich denke mal an solche Dinge, wo Versicherte nicht zufrieden sind mit dem Leistungsgewähren ihrer Kasse, das geht dann in Widerspruchsausschüsse rein, davon haben wir bei der BARMER GEK sechs, da sitzen also auch Selbstverwalterinnen und Selbstverwalter, die dann im Interesse der Versicherten mit dem Hauptamtlichen sich mal im Streit überlegen, ob dann die Entscheidung, die da getroffen ist und nicht auf die Zustimmung des Versicherten stieß, auch zu Recht getroffen wurde. Also auch noch mal dieses Korrektiv, was es in keinem anderen System, was Kunde und Verkaufsbeziehungen anbelangt, existent ist, aber bei uns ist das etabliert.
Zurheide: Warum machen Sie das ganz persönlich? Ich glaube, Sie kriegen 62 Euro pro Tag, das kann ja nicht die Motivation sein?
Langkutsch: Auf gar keinen Fall, auf gar keinen Fall! Das ist ein Teil des wiederbelebten bürgerschaftlichen Interesses, sich einzubringen. Ich habe das also mit 30 Jahren mal begonnen, weil mich Gesundheitswesen interessiert hat, weil mich soziale Fragen auch aus tiefer christlicher Überzeugung interessiert haben und ich wissen wollte, wie funktioniert dieses System, und dann feststellte, Deutschland hat ein hervorragendes System der Möglichkeit der Partizipation, des Sich-Einmischens. Und das tu ich nun schon geraume Zeit, und ich sage, mit hohem Gewinn, mit hohem für mich Erkenntnisgewinn auch für andere Felder. Man hat mit Menschen zu tun und meistens dann in Situationen, wo sie in Bedrängnis sind. Und dann helfen zu können und dabei Erfolg zu haben, das ist schon eine sehr befriedigende Angelegenheit.
Zurheide: Die Sozialwahl ist wenig bekannt. Wir haben heute Morgen ein bisschen dafür getan, das man mehr weiß, zumindest warum man abstimmen könnte oder sollte, das waren einige Argumente, ich bedanke mich bei Holger Langkutsch, dem Verwaltungsratsvorsitzenden der BARMER GEK, danke schön, Herr Langkutsch, auf Wiederhören!
Langkutsch: Wiederhören!
Bei diesem Thema wollen wir bleiben und wollen uns bei einem derjenigen informieren, der in einem dieser Gremien sitzt. Ich begrüße am Telefon den Verwaltungsratschef der größten deutschen Krankenkasse, der BARMER GEK, Holger Langkutsch. Guten Morgen, Herr Langkutsch!
Holger Langkutsch: Guten Morgen, Herr Zurheide!
Zurheide: Herr Langkutsch, jetzt gibt es ja zwei Problemkreise, a) die Frage, wie groß ist Ihr Einfluss, und b) ausreichend demokratisch legitimiert? Wenn wir dem FDP-Politiker Vogel folgen, den wir gerade gehört haben – und mit dem Thema wollen wir anfangen –, Ihr Einfluss ist groß. Was machen Sie denn alles so in Ihrem Verwaltungsrat?
Langkutsch: Also einige Punkte sind ja schon von Herrn Rische und in dem Vorspann angesprochen worden. Wir tun das, was Parlamente ja auch tun, und ich lege Wert darauf, dass die Träger der sozialen Sicherung nicht zu vergleichen sind mit ganz normalen Unternehmen. Wir sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und wir gehören unseren Mitgliedern. Das heißt, wir haben über das Budget zu entscheiden, wir haben die Satzungen zu beschließen und wir treffen auch die Personalentscheidungen in der Führungsebene von zentraler Bedeutung, also dem Vorstand. Ein Beispiel hat ja die BARMER GEK, meine Kasse, gerade geben müssen, nicht dass das bestellt gewesen ist, aber da haben wir Handlungsfähigkeit und Entschlusskraft gezeigt, indem wir also innerhalb von vier Wochen einen vakant gewordene Vorstandsposition ich denke sachgerecht besetzt haben.
Zurheide: Allerdings, die Beiträge können Sie nicht mehr festsetzen, sondern nur noch die ungeliebten Zusatzbeiträge, weil die Politik Ihnen da Einfluss weggenommen hat. Würden Sie gerne wieder zum alten System zurückkehren und war das besser aus Ihrer Sicht?
Langkutsch: Ich denke mal, so viel geändert hat sich ja dadurch nichts, dass wir ja auch schon vor dieser staatlichen Festsetzung der Beiträge den Risikostrukturausgleich hatten, bei dem ein Großteil der Beitragssätze ja schon durch das System vorgegeben war.
Sicherlich ist es günstiger, wenn die Autonomie der einzelnen Träger noch voll erhalten bleibt und die Krankenkassen ihre Beiträge selber festsetzen können, sie haben dann auch viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Das ist für mich eine zentrale Frage, Gestaltungsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen, die wir haben, die auch zu verteidigen gegenüber den Versuchen, das System auszuhöhlen, damit die Betroffenen selber mit gestalten können, wie sich ihre Gemeinschaft fortentwickelt und auf soliden finanziellen Füßen zu stehen kommt.
Zurheide: Aber die Parität haben Sie zum Beispiel nicht verteidigen können, die ist seit einiger Zeit ausgehöhlt. Parität heißt ja, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu gleichen Teilen beteiligt werden; inzwischen ist es so, dass das, was an medizinischem Fortschritt da ist, möglicherweise dann auch kostet, nur noch von den Versicherten bezahlt werden muss. Sind Sie damit einverstanden?
Langkutsch: Überhaupt nicht, also ich halte schon die soziale Verantwortung der beiden Sozialpartner, also Arbeitnehmerseite und Arbeitgeberseite, für ein gutes Fundament der sozialen Sicherung und für den sozialen Frieden in der Bundesrepublik Deutschland.
Und in der Tat ist es so, dass die Politik, um die Lohnzusatzkosten zu schonen, Teile der Finanzierungslast auf die Versicherten allein übergewälzt hat, das sind die 0,9 Prozent, die bei dem allgemeinen Beitragssatz nicht mehr von den Arbeitgebern mit finanziert werden. Darum haben wir da schon eine Disparität. Ich denke immer an die vielen Zuzahlungen, die von den Versicherten geleistet werden, und ich denke mal, perspektivisch ist es deswegen insbesondere problematisch, weil ja nicht nur der medizinische Fortschritt, sondern auch die Mengenkomponenten künftig nur noch von den Versicherten zu schultern sein werden.
Zurheide: Und was können Sie als Verwaltungsrat dagegen tun?
Langkutsch: Wir können alles unternehmen, dass die Versichertengemeinschaft, also jeder Träger für sich versucht, so wirtschaftlich wie möglich zu agieren. Wir sind zwar keine Unternehmen, aber wir werden alle modernen Instrumente einer modernen Unternehmensführung einsetzen, um wirtschaftlich zu agieren. Das hat insbesondere mit den durch die Politik eröffneten neuen Handlungsfeldern, Leistung einzukaufen, etwas zu tun; das hat beispielsweise mit dem Skandal auf dem Pharmamarkt zu tun, der jetzt etwas eingedämmt ist durch dieses Arzneimittelmarkt-Neuregelungsgesetz, damit die Pharmafirmen nicht einfach das nehmen können, was ihnen gerade in den Sinn kommt; das hat mit stationärer Versorgung zu tun und Einkauf der Leistung in den Krankenhäusern.
Aber ich will noch mal eins deutlich machen: Man darf nicht vom Geld her kommen und dem System Geld entziehen oder undifferenziert reinpumpen, man muss von der Qualität kommen, man muss von den Bedarfen der Menschen kommen, was brauchen sie an medizinisch erforderlichen Leistungen: Und noch mal die Versicherung, ihr habt alle ein Recht auf die Teilhabe am medizinisch-technischen Fortschritt.
Zurheide: Und warum glauben Sie, dass Sie das dann besser können sozusagen als Vertretung derjenigen, denen die Kasse gehört?
Langkutsch: Weil wir natürlich die Betroffenheit sparen. Wir haben sicherlich manchmal die Quadratur des Kreises zu bewerkstelligen, indem wir einmal darauf schauen müssen, was ich gerade sagte, die Teilhabe am medizinischen Fortschritt, die erforderliche gesundheitliche Versorgung, ich nehme mal die Pflege ausdrücklich auch noch mit rein, und auf der anderen Seite unsere treuhänderische Verantwortung für die Verwaltung der Beiträge. Es muss finanzierbar bleiben. Und das ist sicherlich nicht leicht, aber ich denke mal, nach den vielen Jahren, die ich das schon mit gestalten darf, da sind noch erhebliche Potenziale, die gehoben werden, ohne dass also jetzt gleich das System insgesamt ins Wanken gerät.
Zurheide: Und sind Sie ausreichend demokratisch legitimiert? Da gibt es kritische Fragen, die Wahlbeteiligung ist gesunken und man weiß auch nicht immer, wen man da wählt. Da gibt es auch gerade jetzt einen Fall, wo bei einer Krankenkasse, bei der DAK, möglicherweise sogar ein Pharmamitarbeiter – ich sage jetzt nicht Lobbyist – gewählt wird. Wie kann man so was verhindern?
Langkutsch: Also ich denke mal bei der DAK und auch bei uns, das sind also zwei Beispiele von Krankenkassen, die mit Urwahl ihre Legitimation verleihen. Also wir gehören nicht zu denjenigen, die mit geheimen Listen die verteilbaren Mandate dann auch vergeben, sondern bei uns sind die 6,5 Millionen bei der BARMER GEK wahlberechtigten Mitglieder gerufen, ihre Stimme abzugeben. Verhindern kann man natürlich bei Kandidaturen nie, dass es auch mal U-Boote gibt, aber wir haben bei uns immer großen Wert darauf gelegt, dass unsere Mitglieder im Verwaltungsrat auch alle Mitglieder der Kasse sind. Es gibt noch eine Möglichkeit nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften, dass man also auch Leute ohne Versicherung bei der Kasse in den Verwaltungsrat wählen kann, das ist bei der BARMER GEK aber nicht der Fall.
Zurheide: Sie sind also nach Ihrer Auffassung ausreichend demokratisch legitimiert?
Langkutsch: Ich bin ausreichend demokratisch legitimiert, obwohl ich mir wünsche, dass die Wahlbeteiligung zunimmt. Und ich denke mal, das ist ja nicht nur eine Frage jetzt um den Wahlakt herum, sondern das ist eine Frage über die ganze Legislatur. Und wir haben die Hinweise, die wir von der Politik, die wir auch von dem Bundeswahlbeauftragten bekommen haben, sehr ernst genommen, wir haben kontinuierlich Öffentlichkeitsarbeit betrieben: Wir haben Mitgliederzeitschriften, die vier mal im Jahr jedes Mal über die Tätigkeit in der Selbstverwaltung agieren, und ich habe immer deutlich gemacht, keine Hofberichterstattung, sondern ganz konkrete Beispiele von Dingen, die die Menschen bewegen, wie da sich die Selbstverwaltung eingebracht hat.
Ich denke mal an solche Dinge, wo Versicherte nicht zufrieden sind mit dem Leistungsgewähren ihrer Kasse, das geht dann in Widerspruchsausschüsse rein, davon haben wir bei der BARMER GEK sechs, da sitzen also auch Selbstverwalterinnen und Selbstverwalter, die dann im Interesse der Versicherten mit dem Hauptamtlichen sich mal im Streit überlegen, ob dann die Entscheidung, die da getroffen ist und nicht auf die Zustimmung des Versicherten stieß, auch zu Recht getroffen wurde. Also auch noch mal dieses Korrektiv, was es in keinem anderen System, was Kunde und Verkaufsbeziehungen anbelangt, existent ist, aber bei uns ist das etabliert.
Zurheide: Warum machen Sie das ganz persönlich? Ich glaube, Sie kriegen 62 Euro pro Tag, das kann ja nicht die Motivation sein?
Langkutsch: Auf gar keinen Fall, auf gar keinen Fall! Das ist ein Teil des wiederbelebten bürgerschaftlichen Interesses, sich einzubringen. Ich habe das also mit 30 Jahren mal begonnen, weil mich Gesundheitswesen interessiert hat, weil mich soziale Fragen auch aus tiefer christlicher Überzeugung interessiert haben und ich wissen wollte, wie funktioniert dieses System, und dann feststellte, Deutschland hat ein hervorragendes System der Möglichkeit der Partizipation, des Sich-Einmischens. Und das tu ich nun schon geraume Zeit, und ich sage, mit hohem Gewinn, mit hohem für mich Erkenntnisgewinn auch für andere Felder. Man hat mit Menschen zu tun und meistens dann in Situationen, wo sie in Bedrängnis sind. Und dann helfen zu können und dabei Erfolg zu haben, das ist schon eine sehr befriedigende Angelegenheit.
Zurheide: Die Sozialwahl ist wenig bekannt. Wir haben heute Morgen ein bisschen dafür getan, das man mehr weiß, zumindest warum man abstimmen könnte oder sollte, das waren einige Argumente, ich bedanke mich bei Holger Langkutsch, dem Verwaltungsratsvorsitzenden der BARMER GEK, danke schön, Herr Langkutsch, auf Wiederhören!
Langkutsch: Wiederhören!