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"Das ist eine Absprache, dass sie nicht mehr antritt"

IG-Metall-Chef Jürgen Peters hat die Nominierung der CDU-Bildungsexpertin Ingrid Sehrbrock für den Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes verteidigt. Es gebe die Absprache, dass die bisherige stellvertretende DGB-Vorsitzende Engelen-Kefer nicht mehr antrete, sagte Peters. Dies habe sie nach seinem Wissen selbst erklärt. Deshalb habe man dann ein Personalkonzept entwickelt, das auch die Delegierten überzeugen werde, betonte Peters.

Moderation: Christine Heuer |
    Christine Heuer: Streit liegt in der Luft beim Gewerkschaftstreffen ab heute in Berlin. Alle vier Jahre findet der DGB-Bundeskongress statt und diesmal sollen die Delegierten die Frau abwählen, die seit 16 Jahren ihre stellvertretende Bundesvorsitzende ist: Ursula Engelen-Kefer. So hat es angeblich auf Druck der Spitzengewerkschafter Jürgen Peters und Frank Bsirske die Findungskommission im Deutschen Gewerkschaftsbund beschlossen. Doch Ursula Engelen-Kefer möchte nicht aufhören. Gut möglich, dass sie zu einer Kampfkandidatur antritt. Am Telefon ist ein sehr wichtiger Gewerkschafter. IG-Metall-Chef ist er und natürlich auch im DGB-Vorstand. Guten Morgen Jürgen Peters!

    Jürgen Peters: Schönen guten Morgen!

    Heuer: Herr Peters, hat Ursula Engelen-Kefer ihren Job schlecht gemacht?

    Peters: Nein, um Gottes Willen! Wie kommen Sie darauf?

    Heuer: Na weil sie abgewählt werden soll.

    Peters: Die wird doch nicht abgewählt! Entschuldigen Sie mal, das ist doch ein Unsinn, was da erzählt wird. Wir haben uns sehr früh im letzten Jahr darüber unterhalten: Wie soll die personelle Situation aussehen, zumal jemand aus Gesundheitsgründen in keinem Falle mehr antritt. Wir haben uns dann darauf verständigt, dass dieses Personalkonzept so aussehen soll, wie es am Dienstag auch vorgeschlagen wird. Die Kollegin Engelen-Kefer hatte gesagt, dass sie nicht mehr antritt. Das ist die Grundlage gewesen, auf der wir neu zu denken hatten.

    Heuer: Herr Peters, Entschuldigung! Hat Ursula Engelen-Kefer das von sich aus gesagt, dass sie nicht mehr antreten möchte?

    Peters: Ja, das ist eine Absprache, dass sie nicht mehr antritt. Wenn sie sich das, wie Sie das jetzt konstruieren, anders überlegt haben soll, dann ist mir das unbekannt. Das wäre dann auch keine Schande, wenn man sich etwas anders überlegt, aber es wäre schon sehr ungewöhnlich. Ich jedenfalls gehe davon aus, dass diese Geschäftsgrundlage die Geschäftsgrundlage ist, auf der wir weiter wandern werden. Ich kann ja im Übrigen verstehen, dass die Presse das als das wichtigste Thema macht, aber ich glaube wir haben auch im DGB ganz andere Themen, über die wir reden müssen, die die Leute bewegen werden, unsere Mitglieder, die Bevölkerung. Da wird es darum gehen, dass der Gewerkschaftskongress sehr klare Signale hat zu den Inhalten von Politik.

    Heuer: Herr Peters, die Basis im DGB hat signalisiert, zum Teil jedenfalls signalisiert, dass er Ursula Engelen-Kefer bei einer Kampfabstimmung unterstützen würde. Was würden Sie denn tun, wenn sie noch einmal gewählt würde, gegen den Vorschlag des Vorstands und der Findungskommission?

    Peters: Entschuldigen Sie, nichts machen wir da! Ich bin ja ganz verblüfft, dass Sie besser über die Basis Bescheid wissen als ganz offensichtlich die Gewerkschaften. Ich glaube, dass es Ihr Interesse daran ist, hier in irgendeiner Form ein spektakuläres Ereignis zu berichten. Ich glaube aber, dass dies ein wenig übertrieben ist. Wir werden es ja abwarten können. Es ist das gute Recht eines jeden, wenn er vorgeschlagen wird, auch zu kandidieren. Das ist gar keine Frage. Aber noch einmal: Es ist eine Absprache. Sie hat erklärt, dass sie nicht mehr kandidiert. Auf der Basis dieser Absprache haben wir dann einen Personalvorschlag gemacht und dieser Personalvorschlag – davon gehe ich aus – wird eine große Mehrheit haben.

    Heuer: Wer vertritt denn künftig die Sozialpolitik im DGB-Vorstand? Macht das die dann zu wählende neue Vizevorsitzende Ingrid Sehrbrock?

    Peters: Nein, nein! Sehen Sie mal das Problem ist sicher, dass wir hier nicht die Geschäftsverteilung festlegen können, aber es ist von allen eine ausgemachte Sache, dass wir davon ausgehen, dass für den Fall, dass sie gewählt wird, die Kollegin Buntenbach die Sozialpolitik dann vertreten wird, wie im Übrigen alle geschäftsführenden Vorstandsmitglieder natürlich Politik zu vertreten haben, auch Sozialpolitik.

    Heuer: Frau Ursula Engelen-Kefer hat ja im Vorfeld gesagt – und das hat sie öffentlich gesagt, Herr Peters; deshalb können wir darüber ganz offen auch sprechen -, es sei nicht gut, wenn die Sozialpolitik nicht mehr beim Vizevorsitzenden sei, und so planen Sie das offenbar. Finden Sie die Sozialpolitik nicht so wichtig?

    Peters: Ach wissen Sie, das ist doch ein Unsinn hoch drei. Wir haben außerordentlich viele Felder, die sind ganz wichtig. Die Tarifpolitik zum Beispiel ist das Kernstück aller Gewerkschaften. Wir haben die Tarifpolitik auch nicht als Feld jetzt dem zweiten oder dem Vizevorsitzenden oder der Vizevorsitzenden angehängt, sondern das ist in einem anderen Ressort mit drin. Nein, nein! Da wird etwas jetzt konstruiert, was glaube ich nicht ganz in Ordnung ist. Ich kenne im Augenblick nicht, wie sich die Geschäftsverteilung entwickeln wird. Ich gehe aber davon aus, dass sie sehr gleichgewichtig zwischen den dann Gewählten austariert wird, weil es darum gehen muss, alle Felder von Politik, zum Beispiel die Wirtschaftspolitik, die Beschäftigungspolitik, natürlich auch die Tarifpolitik, denken Sie mal an das Thema Mindestlöhne, gleichgewichtig innerhalb dieses geschäftsführenden Vorstands zu verteilen, so dass wir auch dort, wenn Sie so wollen, eine machtvolle neue Ausrichtung haben werden.

    Heuer: Ist das eine neue Ausrichtung nach links, auch zur Linkspartei, denn Annelie Buntenbach und Ihr enger Vertrauter Klaus Mattesky, der ja auch in den Vorstand gewählt werden soll, gelten als Linke?

    Peters: Ach wissen Sie, diese Etikettierung führt doch zu nichts. Wir brauchen aktive agile Leute und ich glaube, dass wir hier einen Personalvorschlag gemacht haben, der auch die Delegierten überzeugen wird, einen Personalvorschlag der bedeutet, dass hier Leute sind, die etwas vom Fach verstehen, die auch in ihrem Auftritt eine Kompetenz ausstrahlen, die überzeugen können und darauf kommt es an.

    Heuer: Wer vertritt denn im Moment stärker die Gewerkschaftsposition, die SPD oder die Linkspartei, Herr Peters?

    Peters: So steht die Frage auch nicht.

    Heuer: Ich stelle sie mal so!

    Peters: Die Frage steht immer bei den jeweiligen Inhalten. Wenn ich die Programmatik von Parteien nehme, da gibt es sehr viel Übereinstimmung. Wenn ich nachher die praktische Übung sehe, dann haben wir eine ganz andere Beurteilung. So steht in der Politik im Übrigen sowieso nicht die Frage.

    Heuer: Ja. Die Praxis sieht in der Tat manchmal anders aus. Man erlebt das gerade bei der Steuererhöhung. Da ist die SPD erst dagegen gewesen; nun trägt sie sie mit. Bei Ihrem Kongress in Berlin wird Horst Köhler auf der anderen Seite gegen die Steuererhöhung sprechen. Da ist einiges durcheinander gekommen. Fühlen Sie sich von der SPD noch gut vertreten mit Ihren Positionen?

    Peters: Sehen Sie mal, wir haben ja eine Auseinandersetzung gerade über die Frage Rolle des Staates. Da ist Herr Köhler als Präsident sicherlich mit seinen Aussagen ein ganz gewichtiger Part in der Politik. Ich will aber darauf hinweisen, dass es eben sehr viele gibt, die der These nachhängen, wir brauchen einen schlanken Staat, wir brauchen einen Staat, der immer weiter zurückgeschnitten wird, der seine Aufgaben konzentrieren soll. Wir sagen, das ist Grund falsch. Wir brauchen einen starken Staat, einen Staat, der Funktionen übernimmt und weiterhin wahrnimmt, zum Beispiel in der Daseinsvorsorge, der auch Geld dafür braucht. Deshalb ist die Frage nicht, welche Einnahmeseite hat der Staat zu verschenken, sondern welche Einnahmeseite muss der Staat stärken, damit er seine Aufgaben erfüllen kann: zum Beispiel im Gesundheitswesen, zum Beispiel in der Bildung, in der Strukturpolitik, in der Daseinsversorgung, Wasser, Energie und so weiter, bis zum bezahlbaren Wohnen. All das sind staatliche Aufgaben, von denen einige sagen, der Staat soll die Aufgaben nicht mehr wahrnehmen, sondern das soll alles individualisiert, privatisiert werden: zum Beispiel die Bahn und dergleichen mehr. Das sind die Auseinandersetzungen, die wir in den nächsten Wochen und Monaten zu führen haben. Da gibt es ganz unterschiedliche Auffassungen. Einige, einige auch in der SPD, haben diesem Trend gehuldigt und wollen diesem Trend auch folgen und wir müssen sehen, dass wir einige wieder auf den Pfad der Tugend zurückführen.