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"Das ist eine zusätzliche Belastung für die Unternehmen"

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt hat die im Rahmen des Gesundheitsfonds geplante Erhöhung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Krankenversicherung kritisiert. Das widerspreche der Zusage der Großen Koalition, wonach die Beschäftigten mehr Netto vom Brutto bekommen sollten. Der Satz müsse auf jeden Fall unter 15 Prozent liegen. Wegen der vorgesehenen Steigerung des Beitragssatzes seien zusätzliche Gehaltsforderungen der Gewerkschaften zu befürchten, sagte Hundt.

Dieter Hundt im Gespräch mit Silvia Engels |
    Silvia Engels: Es ist eine Reform, die beschlossen und verkündet ist. Aber es ist zugleich auch eine Reform, für die die Bundesregierung nicht viel Werbung macht. Kein Wunder, denn für die meisten Menschen wird dieser Umbau wieder einmal Mehrkosten bringen. Die Rede ist vom Gesundheitsfonds. Ab kommendem Jahr soll er die Finanzen im Gesundheitssystem steuern. Heute wird das Thema im Rahmen der Haushaltsdebatte des Bundestages wohl eine Rolle spielen.
    Am Telefon ist nun Dieter Hundt. Er ist Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, kurz BDA. Guten Morgen, Herr Hundt.

    Dieter Hundt: Guten Morgen, Frau Engels.

    Engels: Herr Hundt, Sie haben früher mehrfach den Gesundheitsfonds kritisiert. Ministerin Ulla Schmidt wird aber nicht müde, ihn zu loben. Hat sie Sie mittlerweile überzeugt?

    Hundt: Sie hat mich nicht überzeugt. Was ich bemängele ist, dass mit der Gesundheitsreform der Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung weiter steigen wird. Die Bundesregierung wird von uns, von der deutschen Wirtschaft und von der BDA als Spitzenverband der deutschen Wirtschaft, aufgefordert, den Beitragssatz so niedrig wie möglich, in jedem Fall aber unter 15 Prozent festzulegen.

    Engels: Nun sagt AOK-Chef Ahrens, es wird wahrscheinlich 15,8 Prozent geben. Das hält er jedenfalls für möglich. Ist das realistisch?

    Hundt: Es wird im Moment von allen Fachleuten davon geredet, dass der Beitragssatz auf 15,5 Prozent und sogar darüber steigen könnte.

    Engels: Was würde das für die Unternehmen bedeuten?

    Hundt: Das ist eine zusätzliche Belastung für die Unternehmen und steht damit auch diametral der Bemühung entgegen, die ja auch von der Bundesregierung immer wieder bestätigt wird, unseren Beschäftigten mehr Netto für ihr Brutto zu belassen. Die Schuld für diese Entwicklung liegt zum einen in der vermurksten Gesundheitsreform. Dort sind weitere Leistungen vereinbart worden und ausgabensenkende Strukturreformen nicht realisiert worden. Und ganz aktuell ist ja jetzt den Honorarforderungen der Ärzte und der Krankenhäuser durch die Gesundheitsministerin und die Bundesregierung nochmals nachgekommen worden. Daraus resultieren weitere Mehrbelastungen für die Beitragszahler.

    Engels: Aber, Herr Hundt, haben denn die Arbeitgeber wirklich Grund zu klagen, denn schließlich sind ja schon durch die Deckelung des Arbeitgeberanteils stärker die Arbeitnehmer in der Pflicht? Sie sind da doch eigentlich gar nicht so stark betroffen.

    Hundt: Die Koalition hat im Koalitionsvertrag vor drei Jahren festgeschrieben, dass der Krankenversicherungsbeitrag, der damals bei 14,2 Prozent lag, stabil gehalten oder sogar abgesenkt wird. Und jetzt reden wir von 15 Prozent. Im Moment sind wir bei 14,9 Prozent, etwas darüber, und reden von 15,5 und mehr. Die Bundesregierung hat die eigene Zusage, das eigene Versprechen weit verfehlt.

    Engels: Aber wie gesagt, das trifft mehr die Arbeitnehmer als die Arbeitgeber.

    Hundt: Das betrifft die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber und es ist nicht im Interesse der Unternehmen, wenn die Arbeitnehmer zusätzliche Beiträge bezahlen müssen, weil das über Belastungen indirekt auch wieder auf die Kosten in den Unternehmen zurückschlägt.

    Engels: Auf gut Deutsch: Sie fürchten, die Gewerkschaften werden dann wieder stärkere Forderungen erheben?

    Hundt: Das wird zu zusätzlichen Forderungen führen, wie wir sie bedauerlicherweise jetzt schon in deutlich überzogener Form ganz aktuell von der IG Metall mit einer Forderungshöhe zwischen sieben und acht Prozent bereits auf dem Tisch haben.

    Engels: Die Bundesregierung hat gerade noch einmal die Zusatzkosten, die man ja in der Tat ausgeben will, verteidigt, denn das Geld soll an Kassenärzte, an Krankenkassen und eben an Pflegepersonal gehen. Ist das denn so falsch? Ein gutes Gesundheitssystem ist schließlich auch ein wichtiger Standortvorteil.

    Hundt: Eine Reform im Gesundheitswesen, die im Endeffekt zu Beitragserhöhungen führt, ist für mich eine missglückte Reform. Ich hätte mir gewünscht, dass ausgabensenkende Vereinbarungen getroffen werden, dass die Beiträge für die Beschäftigten und die Unternehmen abgesenkt werden, und fordere unverändert, dass wir auch zu einer neuen Balance kommen müssen – weniger gesetzliche Versicherungen und Leistungen, dafür höheres Nettoeinkommen der Beschäftigten und eine erhöhte Verantwortung für die Eigenvorsorge. Wir haben eine Chance im Moment – das würde ich gerne noch erwähnen -, die kurzfristig darin besteht, den Beitrag für die Arbeitslosenversicherung deutlich abzusenken. Das dürfte allerdings nicht durch höhere Krankenversicherungsbeiträge kompensiert werden, sondern sollte eine wirkliche Entlastung darstellen. Wenn die Bundesregierung die Kraft und den Mut hat, den verfassungswidrigen Eingliederungsbeitrag aufzugeben, dann könnten wir kurzfristig die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sogar unter 2,5 Prozent absenken.

    Engels: Das ist das Interesse, was die Reduzierung der Lohnzusatzkosten angeht. Kommen wir noch einmal kurz zurück auf den Fonds. Ulla Schmidt sagt ja, der Wettbewerb würde nicht beeinträchtigt werden, denn gut wirtschaftende Kassen würden ja den Mitgliedern Prämien zahlen. Wenn also alles funktioniert, dann wird die Belastung der Arbeitnehmer am Ende doch gar nicht so groß. Aber da glauben Sie nicht dran?

    Hundt: Unsere Sorge ist, dass diese Überlegung nicht tragen wird, sondern dass zusätzliche Kosten entstehen aufgrund der erweiterten Leistungen, der zusätzlichen Zusagen an Ärzte und Krankenhäuser, und im Endeffekt dann die Beiträge weiter erhöht werden. Der Gesundheitsfonds selbst löst keines unserer bestehenden großen Probleme im Gesundheitswesen. Er ist kein Fortschritt. Wir erzielen dadurch keine Verbesserung.

    Engels: Aber so gesehen profitiert doch am Ende vielleicht auch die Medizinsparte der Wirtschaft, wenn im System mehr Geld ist, denn das wird ja für ihre Produkte ausgegeben.

    Hundt: Mit Beitragserhöhungen werden die Standortbedingungen für die deutschen Unternehmen verschlechtert und gerade vor dem Hintergrund der zu erwartenden abgeschwächten Konjunkturentwicklung im nächsten Jahr sollten wir alle Vorsorgemöglichkeiten nutzen, um die negativen Auswirkungen einer abgeschwächten Wirtschaftsentwicklung insbesondere auch auf den Arbeitsmarkt so gering wie nur möglich zu halten.

    Engels: Noch ist ja nicht alles geregelt. Haben Sie noch Hoffnung, dass der Fonds am Ende doch nicht kommt, oder zumindest nicht pünktlich startet?

    Hundt: Ich erwarte, dass der Fonds zum 1. Januar des kommenden Jahres in Kraft tritt und wir im nächsten Jahr bedauerlicherweise um weitere Beitragserhöhungen nicht herum kommen werden, so sehr ich fordere, dass dieses verhindert wird.

    Engels: Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Vielen Dank für das Gespräch.

    Hundt: Danke Ihnen!