Archiv


"Das ist einfach zu schön für ein Unternehmen"

Der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff hält den Vorschlag der deutschen Ratspräsidentschaft, die Obergrenze für Handy- und Roaming-Gebühren im Ausland bei 60 Cent für abgehende und 30 Cent für ankommende Anrufe festzulegen, für deutlich zu hoch. Das Marktversagen auf dem oligopol strukturierten Telekommunikationsmarkt müsse jetzt durch die Europäische Kommission aufgebrochen werden.

Moderation: Dirk Müller |
    Müller: Bis zu fünf Milliarden Euro sollen die europäischen Telekommunikationsunternehmen zusätzlich einnehmen durch die extrem hohen Handy- und Roaming-Gebühren im Ausland. Längst hat sich das Europäische Parlament eingeschaltet und gesagt "so nicht!". Die Abgeordneten wollen einen Höchsttarif durchsetzen, der von den Firmen anschließend nicht überschritten werden darf. Doch auch die jüngsten Vorstöße sind dazu gescheitert, auch am Widerstand der deutschen Regierung.
    Am Telefon ist nun der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff. Guten Morgen!

    Graf Lambsdorff: Guten Morgen Herr Müller.

    Müller: Herr Lambsdorff, sind die Roaming-Gebühren nach wie vor monopolistische Abzocke?

    Graf Lambsdorff: Abzocke ja, monopolistisch nein. Das ist ein Oligopol hier, weil wir mehrere Betreiber im Markt haben, die ein Geschäft betreiben, in dem der Kunde zu kurz kommt. Insofern nicht monopolistisch, aber oligopolistisch. Das ganze ist unerfreulich, ein seit langem bestehendes Marktversagen, das die Europäische Kommission völlig zu Recht angegangen ist und bei dem wir jetzt feststellen müssen, nachdem Kommission und Parlament sich weitestgehend einig sind, dass die Mitgliedsstaaten weiche Knie bekommen und sich nicht trauen, dieses Marktversagen zu beseitigen, einen funktionierenden Markt herzustellen und für Wettbewerb zu Gunsten der Verbraucher zu sorgen.

    Müller: Marktversagen ist auf Dauer auch Staatsversagen. Ist das jetzt schon so?

    Graf Lambsdorff: So weit würde ich noch nicht gehen. Wir haben ein Marktversagen. Wir sind von den europäischen Institutionen dabei, das zu beseitigen. Die Mitgliedsstaaten müssen jetzt über ihren Schatten springen. Aber von Staatsversagen würde ich hier noch nicht reden.

    Müller: Wer ist denn im Moment Schuld an der Misere?

    Graf Lambsdorff: Es ist ganz klar, dass im Rat, also der Vertretung der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, sehr unterschiedliche Positionen vorliegen. Nehmen Sie tourismusintensive Länder wie Spanien, Österreich oder Italien. Die haben natürlich hohe Einnahmen aus diesem Missbrauch. Andere Länder, aus denen die meisten Geschäftsreisenden und Touristen unterwegs sind, zahlen drauf. Hier muss ein Ausgleich gefunden werden. Man hatte diesen Ausgleich ja eigentlich auf der CeBIT auch schon gefunden, wie wir alle dachten, als nämlich Minister Glos vorschlug, doch eine Regelung mit 50 Cent für abgehende und 25 Cent für eingehende Anrufe zu finden. Umso überraschter sind wir jetzt, dass die deutsche Ratspräsidentschaft mit einer 60/30-Kombination reingegangen ist, also mit 60 Cent für abgehende und 30 Cent für ankommende Anrufe.

    Müller: Michael Glos ist ja für Steuersenkungen gewesen, um ohnehin das Portemonnaie des Bürgers zu entlasten. Warum macht er das bei den Handy-Gebühren nicht?

    Graf Lambsdorff: Das ist eine gute Frage. Die müsste man ihm selber stellen. Wir waren wie gesagt wirklich überrascht davon. Natürlich sind 60 Cent nicht akzeptabel für das Parlament, um das ganz klar zu sagen. Das liegt nur marginal unter dem, was einzelne Betreiber jetzt nach dem Druck, der entstanden ist, bereits ohnehin anbieten. Also hier wird kein Fortschritt für den Verbraucher erzielt, der den Aufwand lohnen würde.

    Müller: Jetzt sagen ja Kritiker, Marktversagen muss in der Regel auch der Markt selber regeln. Jetzt wollen Sie eingreifen, von staatlicher Seite, von europäischer Seite aus. Besteht da nicht die Gefahr, dass der Markt mittelfristig dadurch empfindlich gestört wird?

    Graf Lambsdorff: Das ist eine Frage, die an einen Liberalen geht, und insofern ist sie natürlich besonders kritisch. Markteingriffe sind immer dann nötig, wenn der Markt versagt - ich sage das jetzt auch wirklich als Liberaler -, denn wir wollen ja Markt und Wettbewerb. Es gibt Marktversagen, wenn wir oligopole Monopole haben, und dann ist es ordoliberal auch völlig in Ordnung, ordnungspolitisch völlig in Ordnung, wenn hier der Staat eingreift und einen funktionierenden Wettbewerb wiederherstellt. Wir dürfen ja auch nicht vergessen, worauf man sich bereits geeinigt hat - und das begrüße ich sehr -, dass jede Regelung die man findet nach drei Jahren wieder ausläuft und dann der Markt im freien Spiel der Kräfte die Preise bestimmen kann.

    Müller: Warum funktioniert dieser Wettbewerb denn ausgerechnet in diesem Segment nicht? Warum kommt kein Anbieter auf die Idee zu sagen, wir machen das jetzt alles viel billiger, kauft mich?

    Graf Lambsdorff: Das hat ein bisschen mit der Struktur des Marktes zu tun, in dem wirklich eine relativ überschaubare Zahl wirklich großer Handy-Anbieter in Europa tätig ist. Denken Sie an Vodafone, denken Sie an Orange, denken Sie auch an T-Mobile. Das sind wirklich die großen Player. Das System läuft so, dass Vodafone Frankreich beispielsweise an T-Mobile große Minutenpakete verkauft mit Millionen von Minuten darin für Kunden des einen Unternehmens, die beim anderen Unternehmen dann roamen im Nachbarland. So eine Minute kostet im Großhandel 22 bis 25 Cent. Dann gibt es vielleicht noch ein paar Kosten von 5 bis 10 Cent pro Minute. Das halte ich für realistisch. Dann sind wir bei ungefähr 35 Cent pro Minute an Kosten. Es gibt aber Roaming-Preise, wie das in Ihrem Beitrag eben angedeutet worden ist, die liegen deutlich darüber: 1 Euro bis 1,50 Euro, mitunter sogar bis zu 3 Euro bei ganz extremen Fällen pro Minute. Das ist einfach zu schön für ein Unternehmen, um diesen Rahm aus dem Markt nicht abzuschöpfen, weil es einfach zu wenig Konkurrenz gibt.

    Müller: Der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff war das. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Graf Lambsdorff: Auf Wiederhören Herr Müller.