Heckmann: Herr Wiefelspütz, sind Sie dafür, dass es ein Gesetz geben soll, das die Tötung von Unbeteiligten legitimiert, um den Tod von noch mehr Menschen zu verhindern?
Wiefelspütz: Das ist jedenfalls nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 15. Februar des Jahres 2006 nicht zulässig, und deswegen wird es ein entsprechendes Gesetz auch nicht geben. Wir sind als Verfassungsorgan Bundestag an die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes gebunden und werden das Urteil strikt befolgen.
Heckmann: Aber die Bundesregierung, namentlich das Bundesinnenministerium scheint ja doch an einem Gesetz zu arbeiten, das ein solches Vorgehen doch möglich machen soll, oder geht die Kritik der Opposition da völlig fehl?
Wiefelspütz: So weit geht die Bundesregierung sicherlich nicht. Es gibt Überlegungen durchaus im Einverständnis mit der SPD, dass die Konsequenzen aus diesem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes gezogen werden müssen. Für uns ist durchaus - das haben wir auch in der Koalitionsvereinbarung zugesichert - eine Änderung des Grundgesetzes denkbar, allerdings nur eine sehr, sehr enge, sehr schmale Veränderung des Artikels 35 des Grundgesetzes, der den Einsatz der Bundeswehr zur Unterstützung der Polizei bei schweren Unglücksfällen vorsieht. Nur dies betrachten wir als möglich. Und auch dann muss man immer betonen, der Abschuss eines als Waffe missbrauchtes Zivilflugzeuges darf auf gar keinen Fall erfolgen, wenn unschuldige Menschen an Bord sind, also Passagiere oder Besatzungsmitglieder, die dort in die Gewalt von Terroristen geraten sind. Wenn solch ein Fall sich ereignet, darf die Bundeswehr nicht ein solches Flugzeug zum Abschuss freigeben, weil damit unausweichlich unschuldige Menschen mit zu Schaden kämen, und das verbietet das Bundesverfassungsgericht.
Heckmann: Und dabei bleibt auch die SPD, dabei bleibt auch das Bundesinnenministerium?
Wiefelspütz: Dabei bleibt es. Das ist für uns nicht verhandelbar, und das, was da jetzt immer wieder mal in die Nachrichten kommt aus dem Bundesinnenministerium, das sind Überlegungen, die vorangetrieben werden, die aber noch keineswegs gleichbedeutend wären mit einer Auffassung der Bundesregierung, und schon gar nicht sind die Gespräche aufgenommen worden mit den Koalitionsfraktionen. Das heißt, das ist noch alles in einem sehr frühen Stadion, das ist noch gar nicht reif. Ich sage aber sehr deutlich, eine Veränderung des Artikels 87a des Grundgesetzes, der die Verteidigung Deutschlands beträfe, kommt mit der SPD überhaupt nicht zustande. Das lehnen wir grundsätzlich ab.
Heckmann: Weshalb haben Sie solche Probleme, diesen Weg zu gehen, der offensichtlich von Innenminister Schäuble favorisiert wird? Wir sprechen jetzt nur über den Abschluss von Flugzeugen, in denen keine Unschuldigen, Unbeteiligten sitzen, sondern nur Terroristen.
Wiefelspütz: Das ist richtig, wir haben diese Situation beim finalen Rettungsschuss bei der Polizei. Da geht es aber immer um den Täter, um einen Straftäter, der ein schwerste Straftat zu begehen bereit und in der Lage ist. Unschuldige dürfen nicht getötet werden nach deutschem Recht, und von daher ist da eine ganz, ganz starke Schranke. Der Bundesinnenminister bevorzugt offenbar eine Veränderung eines Grundgesetzartikels, der die Landesverteidigung betrifft. Da sagen wir von Seiten der SPD: Dieser Artikel ist völlig ausreichend, daran wollen wir nichts verändert wissen. Und wenn da etwas dran verändert werden soll, dann wittern wir Unrat, dann befürchten wir, dafür gibt es auch Anlass, dann befürchten wir, dass im Grunde die Sicherheitsarchitektur Deutschlands verändert werden soll.
Heckmann: In welcher Weise?
Wiefelspütz: Dass im Grunde die Bundeswehr viel, viel stärker einbezogen werden soll in den Bereich der inneren Sicherheit. Das wollen wir nicht. Wir wollen, dass innere Sicherheit und äußere Sicherheit weiterhin getrennt bleiben. Wir wollen, dass die innere Sicherheit eine Sache ist, die von unserer bewährten, sehr guten Polizei bearbeitet wird und garantiert wird, und für die äußere Sicherheit ist die Bundeswehr zuständig. Es gibt in einem ganz schmalen Segment bei terroristischen Überfällen Überschneidungen von innerer und äußerer Sicherheit, und dafür ist dann der Artikel 35 die richtige Norm. Die kann man sehr schmal, sehr eng verändern, aber nicht die Vorschriften über Verteidigung Deutschlands.
Heckmann: Wenn ich Sie richtig verstehe, Herr Wiefelspütz, dann argwöhnen Sie, dass Bundesinnenminister Schäuble versucht, über eine Änderung des Grundgesetzartikels 87a den Einsatz der Bundeswehr im Innern doch noch durch die Hintertür durchzubringen?
Wiefelspütz: Ja, dahinter steckt eine ganz bestimmte Überzeugung von Herrn Schäuble. Die habe ich zu respektieren, aber das ist nicht die Auffassung der SPD. Dahinter steckt die Auffassung, dass offenbar die Bundeswehr gleichsam die Sicherheitsreserve auch im Inneren unseres Landes sein soll. Das ist nicht unsere Auffassung. Wir wollen keine Militarisierung der inneren Sicherheit. Wir wollen, dass innere Sicherheit die Hauptaufgabe der Polizei ist und bleibt. Das hat sich gut bewährt in Deutschland, daran wollen wir nichts verändern.
Heckmann: Es gibt Kritiker, die sagen, es wäre sinnvoller, sich von diesem ganzen Projekt zu verabschieden, diesen Fall, diesen Grenzfall überhaupt gar nicht gesetzlich zu regeln und sich stattdessen auf einen übergesetzlichen Notstand zu berufen.
Wiefelspütz: Ich kenne diese Auffassung, die wird auch im Parlament von Teilen der Opposition vertreten. Das war nie meine Auffassung, weil wir schon Rechtssicherheit brauchen. Übergesetzlicher Notstand heißt, die Dinge werden nicht geregelt, und ein Pilot oder ein Verteidigungsminister, der sich dann entscheidet, Waffengewalt gegen eine entführte Maschine einzusetzen, dem wird dann hinterher gesagt: Du handelst rechtswidrig, du musst dich vor Gericht verantworten, und wenn du Glück hast, wirst du freigesprochen und kommst ohne Strafe davon. Das ist unwürdig, das ist unzumutbar, deswegen habe ich diesen Vorschlag immer abgelehnt. Also der Gesetzgeber muss schon Klarheit und Rechtssicherheit für alle Beteiligten auf diesem Sektor schaffen. Das tut man durch eine Gesetzgebung, die transparent ist, die Rechtssicherheit schafft, die aber im vollen Einklang mit der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes stehen muss, und die bedeutet eben halt, Abschluss eines Flugzeuges, in dem unschuldige Menschen sind, darf nicht sein, ist verboten, verstößt gegen das Grundgesetz, und dabei bleibt es.
Wiefelspütz: Das ist jedenfalls nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 15. Februar des Jahres 2006 nicht zulässig, und deswegen wird es ein entsprechendes Gesetz auch nicht geben. Wir sind als Verfassungsorgan Bundestag an die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes gebunden und werden das Urteil strikt befolgen.
Heckmann: Aber die Bundesregierung, namentlich das Bundesinnenministerium scheint ja doch an einem Gesetz zu arbeiten, das ein solches Vorgehen doch möglich machen soll, oder geht die Kritik der Opposition da völlig fehl?
Wiefelspütz: So weit geht die Bundesregierung sicherlich nicht. Es gibt Überlegungen durchaus im Einverständnis mit der SPD, dass die Konsequenzen aus diesem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes gezogen werden müssen. Für uns ist durchaus - das haben wir auch in der Koalitionsvereinbarung zugesichert - eine Änderung des Grundgesetzes denkbar, allerdings nur eine sehr, sehr enge, sehr schmale Veränderung des Artikels 35 des Grundgesetzes, der den Einsatz der Bundeswehr zur Unterstützung der Polizei bei schweren Unglücksfällen vorsieht. Nur dies betrachten wir als möglich. Und auch dann muss man immer betonen, der Abschuss eines als Waffe missbrauchtes Zivilflugzeuges darf auf gar keinen Fall erfolgen, wenn unschuldige Menschen an Bord sind, also Passagiere oder Besatzungsmitglieder, die dort in die Gewalt von Terroristen geraten sind. Wenn solch ein Fall sich ereignet, darf die Bundeswehr nicht ein solches Flugzeug zum Abschuss freigeben, weil damit unausweichlich unschuldige Menschen mit zu Schaden kämen, und das verbietet das Bundesverfassungsgericht.
Heckmann: Und dabei bleibt auch die SPD, dabei bleibt auch das Bundesinnenministerium?
Wiefelspütz: Dabei bleibt es. Das ist für uns nicht verhandelbar, und das, was da jetzt immer wieder mal in die Nachrichten kommt aus dem Bundesinnenministerium, das sind Überlegungen, die vorangetrieben werden, die aber noch keineswegs gleichbedeutend wären mit einer Auffassung der Bundesregierung, und schon gar nicht sind die Gespräche aufgenommen worden mit den Koalitionsfraktionen. Das heißt, das ist noch alles in einem sehr frühen Stadion, das ist noch gar nicht reif. Ich sage aber sehr deutlich, eine Veränderung des Artikels 87a des Grundgesetzes, der die Verteidigung Deutschlands beträfe, kommt mit der SPD überhaupt nicht zustande. Das lehnen wir grundsätzlich ab.
Heckmann: Weshalb haben Sie solche Probleme, diesen Weg zu gehen, der offensichtlich von Innenminister Schäuble favorisiert wird? Wir sprechen jetzt nur über den Abschluss von Flugzeugen, in denen keine Unschuldigen, Unbeteiligten sitzen, sondern nur Terroristen.
Wiefelspütz: Das ist richtig, wir haben diese Situation beim finalen Rettungsschuss bei der Polizei. Da geht es aber immer um den Täter, um einen Straftäter, der ein schwerste Straftat zu begehen bereit und in der Lage ist. Unschuldige dürfen nicht getötet werden nach deutschem Recht, und von daher ist da eine ganz, ganz starke Schranke. Der Bundesinnenminister bevorzugt offenbar eine Veränderung eines Grundgesetzartikels, der die Landesverteidigung betrifft. Da sagen wir von Seiten der SPD: Dieser Artikel ist völlig ausreichend, daran wollen wir nichts verändert wissen. Und wenn da etwas dran verändert werden soll, dann wittern wir Unrat, dann befürchten wir, dafür gibt es auch Anlass, dann befürchten wir, dass im Grunde die Sicherheitsarchitektur Deutschlands verändert werden soll.
Heckmann: In welcher Weise?
Wiefelspütz: Dass im Grunde die Bundeswehr viel, viel stärker einbezogen werden soll in den Bereich der inneren Sicherheit. Das wollen wir nicht. Wir wollen, dass innere Sicherheit und äußere Sicherheit weiterhin getrennt bleiben. Wir wollen, dass die innere Sicherheit eine Sache ist, die von unserer bewährten, sehr guten Polizei bearbeitet wird und garantiert wird, und für die äußere Sicherheit ist die Bundeswehr zuständig. Es gibt in einem ganz schmalen Segment bei terroristischen Überfällen Überschneidungen von innerer und äußerer Sicherheit, und dafür ist dann der Artikel 35 die richtige Norm. Die kann man sehr schmal, sehr eng verändern, aber nicht die Vorschriften über Verteidigung Deutschlands.
Heckmann: Wenn ich Sie richtig verstehe, Herr Wiefelspütz, dann argwöhnen Sie, dass Bundesinnenminister Schäuble versucht, über eine Änderung des Grundgesetzartikels 87a den Einsatz der Bundeswehr im Innern doch noch durch die Hintertür durchzubringen?
Wiefelspütz: Ja, dahinter steckt eine ganz bestimmte Überzeugung von Herrn Schäuble. Die habe ich zu respektieren, aber das ist nicht die Auffassung der SPD. Dahinter steckt die Auffassung, dass offenbar die Bundeswehr gleichsam die Sicherheitsreserve auch im Inneren unseres Landes sein soll. Das ist nicht unsere Auffassung. Wir wollen keine Militarisierung der inneren Sicherheit. Wir wollen, dass innere Sicherheit die Hauptaufgabe der Polizei ist und bleibt. Das hat sich gut bewährt in Deutschland, daran wollen wir nichts verändern.
Heckmann: Es gibt Kritiker, die sagen, es wäre sinnvoller, sich von diesem ganzen Projekt zu verabschieden, diesen Fall, diesen Grenzfall überhaupt gar nicht gesetzlich zu regeln und sich stattdessen auf einen übergesetzlichen Notstand zu berufen.
Wiefelspütz: Ich kenne diese Auffassung, die wird auch im Parlament von Teilen der Opposition vertreten. Das war nie meine Auffassung, weil wir schon Rechtssicherheit brauchen. Übergesetzlicher Notstand heißt, die Dinge werden nicht geregelt, und ein Pilot oder ein Verteidigungsminister, der sich dann entscheidet, Waffengewalt gegen eine entführte Maschine einzusetzen, dem wird dann hinterher gesagt: Du handelst rechtswidrig, du musst dich vor Gericht verantworten, und wenn du Glück hast, wirst du freigesprochen und kommst ohne Strafe davon. Das ist unwürdig, das ist unzumutbar, deswegen habe ich diesen Vorschlag immer abgelehnt. Also der Gesetzgeber muss schon Klarheit und Rechtssicherheit für alle Beteiligten auf diesem Sektor schaffen. Das tut man durch eine Gesetzgebung, die transparent ist, die Rechtssicherheit schafft, die aber im vollen Einklang mit der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes stehen muss, und die bedeutet eben halt, Abschluss eines Flugzeuges, in dem unschuldige Menschen sind, darf nicht sein, ist verboten, verstößt gegen das Grundgesetz, und dabei bleibt es.