Archiv


"Das ist keine gerichtliche, sondern eine moralische Frage"

Nach der Entscheidung, den Mannesmann-Prozess neu aufzurollen, hofft Professor Wolfgang Gerke, Direktor des Instituts für Banken- und Börsenwesen an der Universität Erlangen, auf die Signalwirkung. In Deutschland gebe es genug Spielräume, Verträge mit Managern so zu gestalten, dass die Höhe der Abfindung festgelegt sei, betonte Gerke. Die Frage, was ein gerechter Lohn für eine geleistete Arbeit sei, sei allerdings moralischer Art.

    Meurer: Vorstände unter Aufsichtsräte deutscher Aktiengesellschaften sind nicht Gutsherren, sondern Gutsverwalter. Das hat gestern der Vorsitzende Richter des dritten Strafssenats des Bundesgerichtshofs Klaus Tolksdorf den Angeklagten im so genannten Mannesmann-Prozess ins Stammbuch geschrieben. Was sie gemacht hätten, so Tolksdorf, sei Untreue am Vermögen der Aktionäre gewesen. Der Fall muss jetzt noch einmal aufgerollt und neu verhandelt werden beim Landgericht in Düsseldorf. Am Telefon begrüße ich nun Professor Wolfgang Gerke, er ist der Direktor des Instituts für Banken- und Börsenwesen an der Universität Erlangen. Guten Morgen, Herr Gerke!

    Gerke: Guten Morgen, Herr Meurer!

    Meurer: Wie sehr trifft denn Ihrer Meinung nach dieses Bild von den Gutsherren und Gutsverwaltern den Sachverhalt?

    Gerke: Ja, das trifft ihn schon. Es ist natürlich sehr populär ausgedrückt. Aber letzten Endes sind sie Treuhänder von Vermögen und nicht Besitzer des Vermögens. Und ein Besitzer kann mit seinem Geld leichter machen. Er kann Geschenke machen, so wie er es gestalterische gerne hätte. Ein Verwalter muss die Interessen derjenigen denen das Geld gehört im Vordergrund haben. Und das hat der Richter Tolksdorf damit ausdrücken wollen.

    Meurer: Manche verweisen ja darauf, Herr Gerke, dass die Gutsherren, die Aktionäre, ja einverstanden gewesen seien.

    Gerke: Das ist natürlich keine Möglichkeit die vorher zu befragen. Und man muss auf der anderen Seite eines ganz sicher sagen dazu, dass sich hier insbesondere Herr Ackermann ja nicht selbst bedient hat, sondern er hat Gelder, die er für angemessen gehalten hat aus seiner Position als Investmentbanker vielleicht heraus auch geprägt, die hat er verteilt. Und jetzt ist die Frage: war das ein unzulässiges Geschenk? Oder war das ein gerechtfertigter Lohn für eine hervorragende Arbeit? Und da spielen dann - obwohl der Richter sagte, dass die Dimensionen hier keine Rolle gespielt haben - spielen natürlich insbesondere in der öffentlichen Diskussion, dann die Höhen der Abfindung hier eine große Rolle.

    Meurer: Was ist denn Ihre Meinung zu dem Urteil?

    Gerke: Für mich ist in der Tat das, was die Aktionäre damals bekommen haben, ein Riesenbetrag gewesen. Und ich empfinde natürlich als Beamter solche Abfindungen auch als übertrieben hoch. Aber noch nicht unbedingt von meinem Gefühl her damit als Unrecht. Denn hier hat sich keiner direkt bereichert und den Aktionären ist es ja nun auch blendend gegangen. Mein Problem...

    Meurer: Der Mannesmann-Chef Herr Esser hat schon kräftig profitiert! Mit 30 Millionen Euro Abfindung?

    Gerke: Ja. Er hat kräftig profitiert. Wobei man natürlich herausrechnen muss, was ihm als Abfindung sowieso zugestanden hat und was als Zubrot draufgegeben wurde. Und das waren ja auch immerhin 15 Million. Wenn man das Gehalt von Herrn Ackermann sieht, dann kassiert er 10 Millionen offensichtlich in einem Jahr. Also man muss einfach sehen, dass hier heutzutage Dimensionen erreicht wurden, wo man sich sowieso fragen muss, ist das der gerechte Lohn für die Arbeit, die der einzelne leistet. Nur das ist keine gerichtliche Frage, sondern eine moralische Frage.

    Meurer: Dann reden wir über die Moral. Wie gerechtfertigt sind diese Dimensionen?

    Gerke: Für mich ist - wenn es um die Moral geht, auch als Ökonom - viel problematischer das, was ich auch an Fehlleistungen bei einem so hohen Gehalt, beispielsweise bei Herrn Ackermann angesammelt hat. Fehlleistungen in der Kommunikation. Wenn ich auf der anderen Seite 300.000 Sparer bis Februar warten lasse, wann sie wie ihr Geld bekommen. Dann muss ich sagen kommt hier bei einem Sprecher einer so großen Bank doch auch einiges zusammen an Fehlleistungen mit diesem Urteil zusammen, das Zweifel aufkommen lässt, ob er für das Amt weiterhin geeignet ist.

    Meurer: Gibt es keinen Mechanismus der Manager sozusagen dafür betraft und finanziell ahndet, wenn sie solche Fehlleistungen begehen, wie jetzt bei diesem Immobilienfond, den Sie hier ansprechen?

    Gerke: Ja, da können sich nur dann die Kunden der Bank wehren. Die Aktionäre können sich wehren, indem sie eben hier ihr Misstrauen aussprechen. Aber viel mehr Möglichkeiten gibt es in der Tat nicht für diejenigen, die diese Zertifikate besitzen, da gibt es nur das Zähneknirschen jetzt. Und was sollen sie tun? Sie können ja nicht einmal verkaufen im Moment. Und gerade das ist das, was natürlich erbost, nicht, dass man sagen muss, auf der einen Seite wird in der Bank hervorragend Geld verdient auf der anderen Seite möchte man auch im Privatkundengeschäft noch Geld verdienen und verprellt dann diese Kunden. Und das in einem so sensiblen Bereich wie dem Sparen in Immobilien. Und da denken viele ja gleichzeitig auch an sparen in die Altervorsorge.

    Meurer: Was schlagen Sie vor, was geändert werden sollte in deutschen Aufsichtsräten und Vorständen?

    Gerke: Wir brauchen nicht das Recht zu ändern, wir müssen das Verhalten ändern. Und ich hoffe, dass das Urteil auch in dieser Richtung wirkt, man muss noch sensibler sein, wenn man mit fremden Geld umgeht. Und man muss dann sich sicherlich auch den entsprechenden juristischen Rat holen, dass man die Gesetze, die existieren, auch befolgt. Wir haben genügend Spielräume in Deutschland, um Verträge mit Vorständen so zu gestalten, dass man hinterher gar nicht verhandeln muss, sondern dass von vornherein auch feststeht zu welchen Konditionen jemand wieder abgefunden wird, wenn er denn frühzeitig geht.

    Meurer: Sie glauben dieses Urteil wird seine Wirkung haben auf Deutschlands Wirtschaftslenker?

    Gerke: Es wird seine Wirkung haben. Aber das heißt nicht, dass die Provisionen, die Abfindungen und die Gehälter, die vereinbart werden hier niedriger sein werden in Zukunft. Da gibt es einfach auch ein internationales Standing und auf diesem Weg hat sich Deutschland längst auch mit in die Spitzenposition hineinbewegt.

    Meurer: Das war Professor Wolfgang Gerke, Direktor des Instituts für Banken- und Börsenwesen an der Uni Erlangen. Herr Gerke, besten Dank und auf wieder hören!

    Gerke: Auf wieder hören, Herr Meurer!