Archiv


"Das ist Missbrauch von Macht"

Für Christine Landfried, Politologin an der Universität Hamburg, grenzt das Vorhaben der CDU in Nordrhein-Westfalen, exklusive Gesprächstermine mit Ministerpräsident Jürgen Rüttgers zu verkaufen, an Korruption. "Eine solche Spende ist verboten", sagte Landfried.

Christine Landfried im Gespräch mit Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Und also trat CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst zurück, wegen der berüchtigten Sponsorenbriefe. In diesen Briefen hat die CDU Sponsoren, die mit Ständen für sich auf dem Landesparteitag im Mai werben wollten, sogenannte Ausstellungspakete angeboten, Partnerpaket drei etwa: 15 Quadratmeter Standfläche, Fototermin mit Ministerpräsident Rüttgers und Einzelgespräch mit ihm oder Ministern – Kosten: 20.000 Euro.

    Die Opposition schlussfolgert, Rüttgers ist käuflich. Der sagt, alles Quatsch, ich wusste von den Briefen nichts, und sein Generalsekretär wirft das Handtuch.

    Gespräch mit Landeskorrespondent

    Nun um 18 Minuten nach 8 im Deutschlandfunk am Telefon die Hamburger Politikprofessorin Christine Landfried. Guten Morgen!

    Christine Landfried: Guten Morgen, Herr Spengler.

    Spengler: Eines Ihrer Gebiete ist die Parteienfinanzierung. Was ist in Ordnung, was ist unmoralisch, was ist sogar rechtswidrig bei den Spenden und Sponsoren? Der Verfassungsrechtler von Arnim sagt, die Sponsorenbriefe der CDU hätten nicht nur ein Geschmäckle, sondern sie grenzten an Korruption. Deckt sich das ähnlich mit Ihrer Analyse?

    Landfried: Mit meiner Interpretation würde sich das decken, denn man muss zunächst mal Korruption definieren, und da gibt es eine klare Definition: Das ist Missbrauch von Macht, und zwar Missbrauch eines öffentlichen Amtes oder Mandates zu privaten Zwecken, aber auch zu parteipolitischen Zwecken durch die Verletzung von Rechtsnormen.

    Das ist eine ganz klare Definition, und wenn man die nimmt, hat Ministerpräsident Rüttgers sein Amt des Ministerpräsidenten zu parteipolitischen Zwecken, nämlich um Einnahmen in die Parteikasse zu bekommen, durch die Verletzung des Parteiengesetzes missbraucht.

    Darüber kann man streiten, ist das eine Spende, aber nach meiner Interpretation, wenn also die Miete für eine Standfläche so hoch ist, dass da nicht einfach nur die Miete der Standfläche drin ist, sondern angeboten wird ein Gespräch mit dem Ministerpräsidenten, dann ist das eine Spende, und zwar eine Spende, die nach unserem Parteiengesetz verboten ist.

    Spengler: Dann lassen Sie uns hier mal einen Punkt machen, Frau Landfried, und von vorn beginnen. Einfach nur Standplätze auf einem Parteitag zu vermieten, wie das eigentlich alle Parteien machen, das ist in Ordnung?

    Landfried: Ich würde sagen, das muss man endlich mal diskutieren, ob das in Ordnung ist. Das würde ich sehr in Frage stellen. Wieso ist das normal, dass da Standflächen sind, und wenn es Standflächen sind, dann muss das irgendwie definiert werden, was ist das eigentlich, warum sind diese Standflächen da. Also ich finde, das ist schon ein Punkt, den man aus Anlass dieses konkreten Falles jetzt mal diskutieren sollte.

    Spengler: Ich sage mal, da ich auch schon mal auf Parteitagen war, das ist eben so: eine Partei mietet eine große Halle, das kostet sündhaft viel Geld, und wenn man das ein bisschen mildern kann dadurch, dass man Unternehmen, die dort werben wollen, auch ein bisschen Geld abknüpft, ist das doch eigentlich in Ordnung - oder nicht?

    Landfried: Ja, es ist dann in Ordnung, wenn das eben bestimmte Grenzen nicht überschreitet, aber hier werden ja offenbar Mieten für Standflächen gezahlt, die weit über der normalen Miete für diese Quadratmeterzahl ist. Das ist die eine Sache, aber die andere Sache, die ganz bestimmt nicht in Ordnung ist, damit zu verbinden und das auch, sagen wir, mit einem höheren Geldbetrag zu verbinden, dass man persönliche Gespräche anbietet mit dem Ministerpräsidenten. Dieser zweite Punkt, über den ersten kann man sprechen, aber dieser zweite Punkt ist bestimmt nicht in Ordnung.

    Spengler: Der erste Punkt wäre eine verkappte Spende Ihrer Ansicht nach, also jedenfalls dann, wenn die Mieten so exorbitant hoch sind?

    Landfried: Ja!

    Spengler: Und die müssten eigentlich offen ausgewiesen sein, solche Spenden?

    Landfried: Die müssten offen ausgewiesen sein. Wir wissen nur nicht, wie viel das hier drüber liegt. Im Gespräch waren, dass für das Gespräch mit Ministerpräsident Rüttgers 6000 Euro im Gespräch waren.

    6000 Euro muss man noch nicht mit Namen und mit Spender im Rechenschaftsbericht definieren, sondern erst ab 10.000 Euro müssen bei uns Spenden öffentlich deklariert werden mit dem Namen des Spenders, Adresse und so weiter. Das kommt darauf an, wie hoch eben dieser Betrag ist, aber ab 10.000 Euro müsste das veröffentlicht sein, und sobald das darüber liegt, ist natürlich auch die Transparenz verletzt.

    Spengler: Die Gesprächszeiten sind das eigentliche Problem. Das ist dann eine sogenannte Einfluss-Spende, weil als Gegenleistung für eine Geldzahlung der Zugang zur Regierung versprochen wird. Habe ich das richtig verstanden?

    Landfried: Ganz klar ist das so! Also nach unserem Parteiengesetz sind Spenden an Parteien nicht erlaubt, wenn sie gegeben werden erkennbar als Gegenleistung eines politischen Vorteils, oder eines wirtschaftlichen Vorteils. Und hier ist ja ganz klar erwartet als Gegenleistung das Gespräch mit einem Amtsträger.

    Das ist ein politischer Vorteil. Das kann vielleicht mal auch ein wirtschaftlicher Vorteil sein, aber ganz klar: die normale Bürgerin, der normale Bürger kann nicht einfach mit Ministerpräsident Rüttgers sprechen, also ist das ein Vorteil, der mit Geld erreicht wird. Eine solche Spende ist verboten.

    Spengler: Wenn Herr Rüttgers jetzt kein Ministerpräsident wäre, sondern nur Parteivorsitzender, wäre dann alles in Ordnung?

    Landfried: Dann wäre es auch nicht in Ordnung, aber es wäre nicht so gravierend. Hier ist noch das Amt im Spiel, aber auch als Parteivorsitzender ist eine solche Spende nach unserem Parteiengesetz verboten.

    Auch das wäre nicht in Ordnung, aber es ist natürlich noch mehr, wenn man sogar ein Amt, das Amt des Ministerpräsidenten, hier missbraucht. Wenn er sagt, er hat das nicht gewusst, das muss man ihm abnehmen, aber dann hat er natürlich keinen Überblick über das, was in seinem Wahlkampf hier läuft.

    Spengler: Frau Professor Landfried, welche Konsequenzen kann man daraus ziehen, dass man zum Beispiel Spenden nicht erst ab 10.000 Euro anmelden sollte, sondern schon viel früher?

    Landfried: Zum Beispiel könnte man das daraus ziehen, dass man die Transparenz erhöht. Sie hatten ja in der Sendung das Beispiel der USA. Da wird sehr viel früher es notwendig, solche Spenden öffentlich zu deklarieren. Daran kann man denken, ob man es einfach halbiert, ob man sagt, statt 10.000 Euro muss schon ab 5000 Euro - das wäre sinnvoll – eine solche Spende publiziert werden.

    Spengler: Und eine Höchstgrenze von Spenden für Unternehmen und Banken, wie sie auch immer ins Gespräch gebracht wird, wäre diese hilfreich?

    Landfried: Das wäre ganz bestimmt hilfreich, denn die Korruption ist natürlich da am naheliegendsten, wenn es um hohe Spenden geht, und hohe Spenden, das zeigt die Erfahrung, ein Blick in die Rechenschaftsberichte, werden von Banken, von Unternehmen gegeben. Da haben wir ja auch gerade einen Fall gehabt. Ich denke, solche Spenden könnte man überlegen, sogar ganz zu verbieten, Unternehmensspenden, und sagen, Unternehmen haben ja auch keine Stimme im Wahlkampf.

    Es geht ja um die Beeinflussung, um die politische Teilnahme. Warum sollen überhaupt Unternehmen spenden können? Und grundsätzlich sollte man für Spenden eine Höchstgrenze haben. Man sollte das jetzt noch mal grundsätzlich diskutieren aus Anlass dieses Falles jetzt in Nordrhein-Westfalen.

    Spengler: ... , appelliert Christine Landfried, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Hamburg. Dankeschön, Frau Landfried, für das Gespräch.

    Landfried: Auf Wiederhören, Herr Spengler.