Elke Durak: In Erfurt findet an diesem Wochenende die Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen statt. Zwei wichtige Ziele: Die beiden Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2009 sind zu wählen und die inhaltliche Vorbereitung auf den Bundestagswahlkampf zu treffen. Was die Energiepolitik betrifft, werden Kontroversen erwartet. Man darf auch nicht vergessen: Beim Hessen-Debakel der SPD haben auch die Grünen Blessuren davongetragen, denn immerhin wollten sie sich auch von den Linken tolerieren lassen, und in Hamburg haben sie sich trotz Kraftwerk Moorburg an der Macht gehalten. Welchen politischen Weg wollen die Grünen gehen? – Ich spreche jetzt darüber mit Ralf Fücks, dem Vorsitzenden der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung. Guten Tag, Herr Fücks.
Ralf Fücks: Guten Tag, Frau Durak.
Durak: Befassen wir uns zunächst mit dem Personal. Es soll einen Teil einer neuen Führung geben. Ein Bundesvorsitzender soll gewählt werden, obwohl ihm sein Landesverband kein Bundestagsmandat sichern wollte. Weshalb ist Cem Özdemir geeignet?
Fücks: Er verkörpert eine neue Generation von jüngeren Grünen-Politikern, die nicht mehr aus dem alten Lagerdenken kommen, sondern die sehr stark sach- und zielorientiert sind, und er hat eine hoch interessante politische Biographie. Als Sohn von Einwanderern, als schwäbisch-deutscher Türke ist er natürlich für uns auch ein Symbol für diese neue Republik, die eben auch Migranten als Staatsbürger ernst nimmt und ihnen politische Karrieren ermöglicht. Er ist ein sehr, sehr kommunikativer Mensch, jemand, der zusammenführen kann, der nicht polarisiert und nicht ideologisch ist, sondern Grundsätze mit Pragmatismus verbindet. Insofern, glaube ich, wird er ein sehr guter Vorsitzender werden.
Durak: Aber sein Landesverband traut ihm nicht zu, im Bundestag die Interessen der Grünen dort zu vertreten, und die Grünen nehmen ihn jetzt als Vorsitzenden. So ganz verstehe ich es trotzdem nicht.
Fücks: Das ist eine sehr böse, böse, böse Interpretation dieser Listenaufstellung in Baden-Württemberg. Das war kein Urteil über die politischen Qualitäten von Cem Özdemir, sondern da spielte die alte Diskussion der Trennung von Amt und Mandat eine Rolle. Weshalb muss ein Bundesvorsitzender auch ein Bundestagsmandat haben, für das dann einer der erfolgreichen und verdienten Abgeordneten ins zweite oder dritte Glied zurücktreten müsste? Also das war keine Frage, ob man Cem Özdemir für geeignet hält, die Partei zu führen.
Durak: Schauen wir auf die Energiepolitik. Die Castor-Proteste haben ja auch an richtig gute alte grüne Zeiten erinnert, werden Sie vielleicht sagen oder sagen, dass sei wieder mal eine böse Interpretation. Wird das aber wieder die Zukunft der Grünen, mit aller Macht gegen Atomkraft?
Fücks: Wenn die Atomlobby und die CDU den Atomkonsens aufkündigen, dann suchen die Grünen natürlich wieder den Schulterschluss mit den außerparlamentarischen Bewegungen. Das ist doch völlig legitim, dass wir in der Opposition nicht nur im Parlament agieren, sondern dass wir die Erfolge aus der rot-grünen Regierungszeit, zu denen die Energiewende und der Atomausstieg gehören, dann auch außerparlamentarisch verteidigen. Das hat nichts zu tun mit einer Rückkehr zur Fundamentalopposition, sondern das ist die Aufgabe einer Opposition.
Durak: Die Grünen müssen sich auf lange Oppositionszeiten einrichten, Herr Fücks, oder Koalitionen riskieren – wahlweise mit FDP und CDU. Sind die Grünen dafür schon bereit?
Fücks: Sie haben ja in der Anmoderation schon das Spektrum genannt, in dem die Grünen gegenwärtig Koalitionsmöglichkeiten ausloten, von schwarz-grün in Hamburg bis zu einer Tolerierung durch die Linkspartei in Hessen. Und interessanterweise finden sich ja in beiden Koalitionsvereinbarungen, die in Hamburg beschlossen wurde und die in Hessen entworfen wurde, sehr viele Gemeinsamkeiten: eine Stärkung von regenerativen Energien und mehr Energieeffizienz, eine offensive Klimapolitik, mehr ökologische Innovation in der Wirtschaft, eine Bildungspolitik, die auf Chancengerechtigkeit setzt statt auf frühe Selektion. Entscheidend sind doch unsere politischen Inhalte und Ziele und nicht die Frage, mit wem wir koalieren. Das ist nur eine Frage, mit wem können wir grüne Politik jeweils durchsetzen und da hoffe ich, dass die Grünen sich ihre Beweglichkeit erhalten.
Durak: Ich habe eben das Wort "Koalitionsverhandlungen" bei Ihnen als "Kollisionsverhandlungen" verstanden und dachte erst, ich habe mich verhört. Dann habe ich gedacht – und das stimmt eigentlich auch -, in Hamburg haben sie das Kraftwerk geschluckt und sind dafür an der Macht geblieben, sie, die Grünen, jetzt nicht Sie persönlich, und in Hessen sind sie mit der SPD an die Wand geschrammt worden von den Linken, haben da auch so eine Art politische Unschuld verloren. Ist das der Weg der Grünen für die Zukunft?
Fücks: Moment, Moment! Jetzt schön alles auseinandersortieren. In Hamburg haben wir eine schon weit gehende Entscheidung für diesen Kraftwerksneubau vorgefunden. Da wurden bereits rechtlich verbindliche Fakten geschaffen, die die Grünen nicht mehr aus der Welt schaffen konnten. Und dann war für uns nur die Frage, ob wir die Koalition deshalb verlassen, bevor sie begonnen hat, und damit auch auf alle anderen politischen Gestaltungsmöglichkeiten verzichten, oder ob wir das zähneknirschend hinnehmen müssen und dann versuchen, noch das beste aus dieser Lage zu machen. Und in Hessen waren die Grünen ja – das ist ja sehr deutlich gewesen - im Vorfeld immer sehr reserviert, sowohl was die Fähigkeit der SPD angeht, tatsächlich diesen Koalitionswechsel zu vollziehen, aber auch was die Zuverlässigkeit der Linkspartei angeht. Und wir haben versucht, dort möglichst große Sicherungen einzuziehen, und ich glaube nicht, dass uns die hessischen Wähler für das Scheitern dieses Experiments verantwortlich machen. Dafür gibt es ganz andere Adressen.
Durak: Ralf Fücks, Vorsitzender der Heinrich-Böll-Stiftung. Danke für das Gespräch.
Fücks: Bitte sehr.
Ralf Fücks: Guten Tag, Frau Durak.
Durak: Befassen wir uns zunächst mit dem Personal. Es soll einen Teil einer neuen Führung geben. Ein Bundesvorsitzender soll gewählt werden, obwohl ihm sein Landesverband kein Bundestagsmandat sichern wollte. Weshalb ist Cem Özdemir geeignet?
Fücks: Er verkörpert eine neue Generation von jüngeren Grünen-Politikern, die nicht mehr aus dem alten Lagerdenken kommen, sondern die sehr stark sach- und zielorientiert sind, und er hat eine hoch interessante politische Biographie. Als Sohn von Einwanderern, als schwäbisch-deutscher Türke ist er natürlich für uns auch ein Symbol für diese neue Republik, die eben auch Migranten als Staatsbürger ernst nimmt und ihnen politische Karrieren ermöglicht. Er ist ein sehr, sehr kommunikativer Mensch, jemand, der zusammenführen kann, der nicht polarisiert und nicht ideologisch ist, sondern Grundsätze mit Pragmatismus verbindet. Insofern, glaube ich, wird er ein sehr guter Vorsitzender werden.
Durak: Aber sein Landesverband traut ihm nicht zu, im Bundestag die Interessen der Grünen dort zu vertreten, und die Grünen nehmen ihn jetzt als Vorsitzenden. So ganz verstehe ich es trotzdem nicht.
Fücks: Das ist eine sehr böse, böse, böse Interpretation dieser Listenaufstellung in Baden-Württemberg. Das war kein Urteil über die politischen Qualitäten von Cem Özdemir, sondern da spielte die alte Diskussion der Trennung von Amt und Mandat eine Rolle. Weshalb muss ein Bundesvorsitzender auch ein Bundestagsmandat haben, für das dann einer der erfolgreichen und verdienten Abgeordneten ins zweite oder dritte Glied zurücktreten müsste? Also das war keine Frage, ob man Cem Özdemir für geeignet hält, die Partei zu führen.
Durak: Schauen wir auf die Energiepolitik. Die Castor-Proteste haben ja auch an richtig gute alte grüne Zeiten erinnert, werden Sie vielleicht sagen oder sagen, dass sei wieder mal eine böse Interpretation. Wird das aber wieder die Zukunft der Grünen, mit aller Macht gegen Atomkraft?
Fücks: Wenn die Atomlobby und die CDU den Atomkonsens aufkündigen, dann suchen die Grünen natürlich wieder den Schulterschluss mit den außerparlamentarischen Bewegungen. Das ist doch völlig legitim, dass wir in der Opposition nicht nur im Parlament agieren, sondern dass wir die Erfolge aus der rot-grünen Regierungszeit, zu denen die Energiewende und der Atomausstieg gehören, dann auch außerparlamentarisch verteidigen. Das hat nichts zu tun mit einer Rückkehr zur Fundamentalopposition, sondern das ist die Aufgabe einer Opposition.
Durak: Die Grünen müssen sich auf lange Oppositionszeiten einrichten, Herr Fücks, oder Koalitionen riskieren – wahlweise mit FDP und CDU. Sind die Grünen dafür schon bereit?
Fücks: Sie haben ja in der Anmoderation schon das Spektrum genannt, in dem die Grünen gegenwärtig Koalitionsmöglichkeiten ausloten, von schwarz-grün in Hamburg bis zu einer Tolerierung durch die Linkspartei in Hessen. Und interessanterweise finden sich ja in beiden Koalitionsvereinbarungen, die in Hamburg beschlossen wurde und die in Hessen entworfen wurde, sehr viele Gemeinsamkeiten: eine Stärkung von regenerativen Energien und mehr Energieeffizienz, eine offensive Klimapolitik, mehr ökologische Innovation in der Wirtschaft, eine Bildungspolitik, die auf Chancengerechtigkeit setzt statt auf frühe Selektion. Entscheidend sind doch unsere politischen Inhalte und Ziele und nicht die Frage, mit wem wir koalieren. Das ist nur eine Frage, mit wem können wir grüne Politik jeweils durchsetzen und da hoffe ich, dass die Grünen sich ihre Beweglichkeit erhalten.
Durak: Ich habe eben das Wort "Koalitionsverhandlungen" bei Ihnen als "Kollisionsverhandlungen" verstanden und dachte erst, ich habe mich verhört. Dann habe ich gedacht – und das stimmt eigentlich auch -, in Hamburg haben sie das Kraftwerk geschluckt und sind dafür an der Macht geblieben, sie, die Grünen, jetzt nicht Sie persönlich, und in Hessen sind sie mit der SPD an die Wand geschrammt worden von den Linken, haben da auch so eine Art politische Unschuld verloren. Ist das der Weg der Grünen für die Zukunft?
Fücks: Moment, Moment! Jetzt schön alles auseinandersortieren. In Hamburg haben wir eine schon weit gehende Entscheidung für diesen Kraftwerksneubau vorgefunden. Da wurden bereits rechtlich verbindliche Fakten geschaffen, die die Grünen nicht mehr aus der Welt schaffen konnten. Und dann war für uns nur die Frage, ob wir die Koalition deshalb verlassen, bevor sie begonnen hat, und damit auch auf alle anderen politischen Gestaltungsmöglichkeiten verzichten, oder ob wir das zähneknirschend hinnehmen müssen und dann versuchen, noch das beste aus dieser Lage zu machen. Und in Hessen waren die Grünen ja – das ist ja sehr deutlich gewesen - im Vorfeld immer sehr reserviert, sowohl was die Fähigkeit der SPD angeht, tatsächlich diesen Koalitionswechsel zu vollziehen, aber auch was die Zuverlässigkeit der Linkspartei angeht. Und wir haben versucht, dort möglichst große Sicherungen einzuziehen, und ich glaube nicht, dass uns die hessischen Wähler für das Scheitern dieses Experiments verantwortlich machen. Dafür gibt es ganz andere Adressen.
Durak: Ralf Fücks, Vorsitzender der Heinrich-Böll-Stiftung. Danke für das Gespräch.
Fücks: Bitte sehr.