Gerd Breker: Auch bei dem Erdbeben im Osten Anatoliens steigt die Zahl der Opfer weiter. Am frühen Morgen waren bei Erdstößen in der Stärke sechs Häuser in mehreren Dörfern zum Einsturz gebracht worden. Die Rettungsmannschaften suchen weiter nach Opfern unter den Trümmern des Bebens. Am Telefon bin ich nun verbunden mit Jochen Zschau vom Deutschen Geoforschungszentrum Potsdam. Er ist dort Leiter der Sektion Erdbebenrisiko und Frühwarnung. Guten Tag, Herr Zschau!
Jochen Zschau: Guten Tag!
Breker: Herr Zschau, Haiti, Chile, nun die Türkei, sind das alles Dinge, Erdbeben, die nicht miteinander zusammenhängen, oder ist das nur reiner Zufall?
Zschau: Wir haben von der Wissenschaft her keine Anhaltspunkte, dass über so große Entfernungen Erdbeben zusammenhängen. Insofern ist das reiner Zufall. Aber es ist auch einfach so, ein solches Beben der Magnitude 6 haben sie praktisch jede Woche irgendwo auf der Welt. Glücklicherweise erzeugt dieses Beben nicht immer Katastrophen, deshalb hört man nichts davon, aber Beben dieser Stärke passieren jede Woche.
Breker: Aber wir hatten das Beben in Chile, was ja nun mit 8,8 erheblich war.
Zschau: Das ist natürlich eine Ausnahme. Das Beben der Magnitude 8,8 gehört ja zu den zehn stärksten Beben, die wir je gemessen haben, und die sind natürlich ausgesprochen selten.
Breker: Herr Zschau, nun weiß man ja als Laie, dass Erdplatten sich gegeneinanderschieben und dass es auf diese Art und Weise zu den Erdbeben kommt, und man könnte ja nun denken, wenn die eine Erdplatte angeschoben wird, dass sie irgendwo anders gegen stößt und sozusagen eine Kette von Erdbeben entsteht. Das ist aber Unsinn?
Zschau: Ja, das ist nicht so. Wir haben zwar im kleinen Rahmen Effekte, dass ein Erdbeben auch Spannungen umlagert, nicht nur abbaut, sondern Spannungen umlagert und dann im unmittelbaren Nachbarbereich ein anderes Beben auslösen kann. Da haben wir sehr viele Beispiele für. Aber es ist nicht so, dass ein Erdbeben so eine Kettenreaktion auslösen kann, die dann in kürzester Frist über Tausende von Kilometern Erdbeben auslöst. Da brauchen wir keine Bedenken zu haben.
Breker: Also die drei genannten Erdbeben Haiti, Chile und nun Ost-Anatolien haben nichts miteinander zu tun?
Zschau: Die haben nichts miteinander zu tun. Die haben jeweils an einer anderen Plattengrenze stattgefunden. Das heutige Beben in der Türkei hat an einer Plattengrenze zwischen der anatolischen Platte und der eurasischen oder asiatischen Platte stattgefunden. Anatolien wird dadurch, dass Arabien gegen Asien sich bewegt, wie so ein Pfropfen nach Westen rausgequetscht, und dabei entstehen solche Beben.
Breker: Es war ja auch nicht das erste Beben. Es ist dieser sogenannte anatolische Graben, wie auch der Andreasgraben in Kalifornien, durchaus bekannt als solches. Immer wieder gibt es dort Erdbeben. Bleibt die Frage: Wann wird man denn so weit sein, dass man sagen kann, nun beginnt eine gefährliche, erdbeben-gefährliche Zeit?
Zschau: Die Erdbebengefährdung, die kann man schon abschätzen. Man kann leider nur nicht den Zeitpunkt eines Erdbebens genau vorhersagen. Wir können Angaben machen über die Wahrscheinlichkeit, dass im Laufe von ein, zwei, drei Jahrzehnten ein großes Ereignis in einer Region zu erwarten ist, und können die Erdbebengefährdung in den verschiedensten Regionen vergleichen und gefährdete Regionen von weniger gefährdeten Regionen unterscheiden. Das ist machbar. Nur den genauen Zeitpunkt festzulegen, das ist leider immer noch nicht machbar.
Breker: Woran liegt das? Man forscht doch schon seit Jahren daran, an einer bestimmten Erdbebenvorhersage. Was ist das große Problem dabei?
Zschau: Wenn wir das genau wüssten, könnten wir vielleicht das Problem lösen. Offensichtlich ist es so, dass die Erdkruste eben sehr hochgradig chaotisch reagiert. Das heißt, sehr kleine Einwirkungen können große Auswirkungen hervorrufen. In der Wissenschaft sprechen wir von nicht linearem Verhalten, dass wenn man die Kräfte verdoppelt eben die Auswirkungen sich nicht verdoppeln, sondern verzehnfachen können. Solche Systeme sind eben ganz, ganz schwer vorhersagbar. Die Wissenschaft ist dabei herauszufinden, wie hochgradig chaotisch die Erdkruste eigentlich in den verschiedensten Regionen wirklich reagiert.
Breker: Herr Zschau, Sie haben eben gesagt, das Erdbeben, was wir heute Früh in Anatolien erlebt haben, das ein Beben der Stärke 6 war, das sei ein völlig alltäglicher Vorgang. Dennoch gibt es unterschiedliche Schäden. In Anatolien waren es wohl große Schäden. Anderswo, in Kalifornien, würde ein solches Beben weniger große Schäden ausüben beziehungsweise hinterlassen. Liegt das nur an der Bauweise der Gebäude in diesen Regionen, oder muss man da nicht hingehen und sagen, in so gefährdeten Regionen muss anders gebaut werden?
Zschau: Es liegt natürlich ganz klar an der Bauweise, und man sieht es ja nicht nur im Vergleich Kalifornien-Türkei, sondern auch im Vergleich zum Beispiel der beiden großen Beben, die wir jetzt gerade hatten, Haiti und Chile. In Haiti das Beben war mehrere hundert Mal schwächer von der Energie her als das Beben in Chile, und dennoch sind dort 200.000 Menschen umgekommen, was deutlich zeigt, dass es nicht nur die Stärke eines Bebens ist, was jetzt den Schaden bestimmt, sondern ganz entscheidend, wie sich die Bevölkerung, die Leute darauf vorbereitet haben, wie die Bauweise ist und wie die Bau-Codes auch durchgesetzt werden. Man hat ja vielfach wie auch in der Türkei sehr gute Baunormen, nur es geht auch darum, dass diese Baunormen eingehalten werden und dass das auch kontrolliert wird, und das ist in vielen Ländern leider immer noch ein Problem.
Breker: Im Deutschlandfunk war das Jochen Zschau vom Geoforschungszentrum Potsdam. Er ist dort zuständig für Erdbebenrisiko. Herr Zschau, danke für dieses Gespräch.
Zschau: Nichts zu danken!
Jochen Zschau: Guten Tag!
Breker: Herr Zschau, Haiti, Chile, nun die Türkei, sind das alles Dinge, Erdbeben, die nicht miteinander zusammenhängen, oder ist das nur reiner Zufall?
Zschau: Wir haben von der Wissenschaft her keine Anhaltspunkte, dass über so große Entfernungen Erdbeben zusammenhängen. Insofern ist das reiner Zufall. Aber es ist auch einfach so, ein solches Beben der Magnitude 6 haben sie praktisch jede Woche irgendwo auf der Welt. Glücklicherweise erzeugt dieses Beben nicht immer Katastrophen, deshalb hört man nichts davon, aber Beben dieser Stärke passieren jede Woche.
Breker: Aber wir hatten das Beben in Chile, was ja nun mit 8,8 erheblich war.
Zschau: Das ist natürlich eine Ausnahme. Das Beben der Magnitude 8,8 gehört ja zu den zehn stärksten Beben, die wir je gemessen haben, und die sind natürlich ausgesprochen selten.
Breker: Herr Zschau, nun weiß man ja als Laie, dass Erdplatten sich gegeneinanderschieben und dass es auf diese Art und Weise zu den Erdbeben kommt, und man könnte ja nun denken, wenn die eine Erdplatte angeschoben wird, dass sie irgendwo anders gegen stößt und sozusagen eine Kette von Erdbeben entsteht. Das ist aber Unsinn?
Zschau: Ja, das ist nicht so. Wir haben zwar im kleinen Rahmen Effekte, dass ein Erdbeben auch Spannungen umlagert, nicht nur abbaut, sondern Spannungen umlagert und dann im unmittelbaren Nachbarbereich ein anderes Beben auslösen kann. Da haben wir sehr viele Beispiele für. Aber es ist nicht so, dass ein Erdbeben so eine Kettenreaktion auslösen kann, die dann in kürzester Frist über Tausende von Kilometern Erdbeben auslöst. Da brauchen wir keine Bedenken zu haben.
Breker: Also die drei genannten Erdbeben Haiti, Chile und nun Ost-Anatolien haben nichts miteinander zu tun?
Zschau: Die haben nichts miteinander zu tun. Die haben jeweils an einer anderen Plattengrenze stattgefunden. Das heutige Beben in der Türkei hat an einer Plattengrenze zwischen der anatolischen Platte und der eurasischen oder asiatischen Platte stattgefunden. Anatolien wird dadurch, dass Arabien gegen Asien sich bewegt, wie so ein Pfropfen nach Westen rausgequetscht, und dabei entstehen solche Beben.
Breker: Es war ja auch nicht das erste Beben. Es ist dieser sogenannte anatolische Graben, wie auch der Andreasgraben in Kalifornien, durchaus bekannt als solches. Immer wieder gibt es dort Erdbeben. Bleibt die Frage: Wann wird man denn so weit sein, dass man sagen kann, nun beginnt eine gefährliche, erdbeben-gefährliche Zeit?
Zschau: Die Erdbebengefährdung, die kann man schon abschätzen. Man kann leider nur nicht den Zeitpunkt eines Erdbebens genau vorhersagen. Wir können Angaben machen über die Wahrscheinlichkeit, dass im Laufe von ein, zwei, drei Jahrzehnten ein großes Ereignis in einer Region zu erwarten ist, und können die Erdbebengefährdung in den verschiedensten Regionen vergleichen und gefährdete Regionen von weniger gefährdeten Regionen unterscheiden. Das ist machbar. Nur den genauen Zeitpunkt festzulegen, das ist leider immer noch nicht machbar.
Breker: Woran liegt das? Man forscht doch schon seit Jahren daran, an einer bestimmten Erdbebenvorhersage. Was ist das große Problem dabei?
Zschau: Wenn wir das genau wüssten, könnten wir vielleicht das Problem lösen. Offensichtlich ist es so, dass die Erdkruste eben sehr hochgradig chaotisch reagiert. Das heißt, sehr kleine Einwirkungen können große Auswirkungen hervorrufen. In der Wissenschaft sprechen wir von nicht linearem Verhalten, dass wenn man die Kräfte verdoppelt eben die Auswirkungen sich nicht verdoppeln, sondern verzehnfachen können. Solche Systeme sind eben ganz, ganz schwer vorhersagbar. Die Wissenschaft ist dabei herauszufinden, wie hochgradig chaotisch die Erdkruste eigentlich in den verschiedensten Regionen wirklich reagiert.
Breker: Herr Zschau, Sie haben eben gesagt, das Erdbeben, was wir heute Früh in Anatolien erlebt haben, das ein Beben der Stärke 6 war, das sei ein völlig alltäglicher Vorgang. Dennoch gibt es unterschiedliche Schäden. In Anatolien waren es wohl große Schäden. Anderswo, in Kalifornien, würde ein solches Beben weniger große Schäden ausüben beziehungsweise hinterlassen. Liegt das nur an der Bauweise der Gebäude in diesen Regionen, oder muss man da nicht hingehen und sagen, in so gefährdeten Regionen muss anders gebaut werden?
Zschau: Es liegt natürlich ganz klar an der Bauweise, und man sieht es ja nicht nur im Vergleich Kalifornien-Türkei, sondern auch im Vergleich zum Beispiel der beiden großen Beben, die wir jetzt gerade hatten, Haiti und Chile. In Haiti das Beben war mehrere hundert Mal schwächer von der Energie her als das Beben in Chile, und dennoch sind dort 200.000 Menschen umgekommen, was deutlich zeigt, dass es nicht nur die Stärke eines Bebens ist, was jetzt den Schaden bestimmt, sondern ganz entscheidend, wie sich die Bevölkerung, die Leute darauf vorbereitet haben, wie die Bauweise ist und wie die Bau-Codes auch durchgesetzt werden. Man hat ja vielfach wie auch in der Türkei sehr gute Baunormen, nur es geht auch darum, dass diese Baunormen eingehalten werden und dass das auch kontrolliert wird, und das ist in vielen Ländern leider immer noch ein Problem.
Breker: Im Deutschlandfunk war das Jochen Zschau vom Geoforschungszentrum Potsdam. Er ist dort zuständig für Erdbebenrisiko. Herr Zschau, danke für dieses Gespräch.
Zschau: Nichts zu danken!