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"Das ist schon ein bisschen überraschend"

Den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften bekommen in diesem Jahr die Wissenschaftler Peter Diamond, Dale Mortensen und Christopher Pissarides. Olaf Storbeck vom Handelsblatt erklärt, was die Forscher genau untersucht haben.

Olaf Storbeck im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 11.10.2010
    Tobias Armbrüster: Seit wenigen Minuten ist bekannt: die drei Wissenschaftler Peter Diamond, Dale Mortensen und Christopher Pissarides erhalten in diesem Jahr den Wirtschaftsnobelpreis. Ausgezeichnet werden sie für ihre Methoden der Marktanalyse, und am Telefon kann ich darüber jetzt mit Olaf Storbeck sprechen. Er ist in London Wirtschaftskorrespondent des Handelsblatts. Schönen guten Tag, Herr Storbeck.

    Olaf Storbeck: Guten Tag!

    Armbrüster: Herr Storbeck, hatten Sie diese drei Wissenschaftler auf dem Schirm?

    Storbeck: Ehrlich gesagt nicht. Das ist schon ein bisschen überraschend. Das ist eine wichtige Theorie und wichtige Arbeit, die die gemacht haben, aber ich hätte in diesem Jahr nicht damit gerechnet.

    Armbrüster: Was genau haben die drei herausgefunden?

    Storbeck: Sie haben im Grunde das zentrale Modell der Ökonomie, das Verständnis darüber, wie Märkte funktionieren, realitätsnäher gestaltet. Früher ist man in Modellen davon ausgegangen, dass im Grunde alle Güter gleich sind, alle Käufer und alle Nachfrager ähnliche Interessen und Präferenzen haben und dann der Markt relativ gut funktioniert. Die drei Nobelpreisträger haben Märkte untersucht, in denen es Friktionen gibt, die halt nicht so perfekt funktionieren, wie das traditionell unterstellt wird, und haben auch festgestellt, dass dann die Ergebnisse oft ganz anders sind als in diesen perfekten Märkten.

    Armbrüster: Für wen sind diese Forschungsergebnisse denn interessant?

    Storbeck: Die Hauptanwendung ist im Bereich des Arbeitsmarktes, also der Frage, wenn ich sozusagen Suchkosten habe, wenn sich verschiedene Stellenbeschreibungen unterscheiden, wenn sich die Qualifikationen von verschiedenen Arbeitnehmern unterscheiden, welche Politikempfehlung gebe ich dann, um die Ergebnisse besser zu machen, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Die klassische Empfehlung wäre gewesen, dann müssen die Löhne runter. Die Arbeiten der Nobelpreisträger deuten eher in die Richtung, wir müssen die Suche, die Transparenz auf den Märkten erhöhen, wir müssen die Suchkosten mindern und die Märkte sozusagen dadurch optimieren.

    Armbrüster: Können wir da möglicherweise so etwas erkennen wie eine Trendwende bei der Nobelpreisvergabe, dass zunehmend Wissenschaftler geehrt werden, die sozusagen Dinge herausfinden, die uns aktuell beschäftigen?

    Storbeck: Das würde ich ehrlich gesagt nicht sagen. Ich sehe den Preis durchaus in der Tradition mit dem an Stiglitz, Akerlof und Spence vor einigen Jahren, die im Grunde ganz ähnliche Fragen untersucht haben, eine andere Form von Friktion, nämlich asymmetrische Informationen, dass nicht jeder oft im Markt nicht alles weiß und das dazu führen kann, dass Märkte nicht so gut funktionieren. Diese drei jetzt haben eher das Augenmerk auf Suchkosten und andere Friktionen gelegt, aber da ist im Grunde in der alten Tradition dort das Nobelpreiskomitee unterwegs.

    Armbrüster: Ist dieses Thema eines, das wichtiger wird in der internationalen Volkswirtschaftslehre?

    Storbeck: Ja. Es ist schon seit einigen Jahren wichtig und es wird immer höhere Relevanz kriegen, wenn man halt sieht, dass man sich wirklich die Märkte stärker im Detail angucken muss und nicht einfach nur mit abstrakten Theorien die Posse zu nehmen, na ja, es funktioniert alles schon ganz reibungslos und perfekt. Das reicht nicht mehr, so zu agieren und so zu forschen.

    Armbrüster: Die drei Wirtschaftswissenschaftler Peter Diamond, Dale Mortensen und Christopher Pissarides, ein Forscherteam, werden in diesem Jahr mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet. Wir haben darüber mit Olaf Storbeck gesprochen, Wirtschaftskorrespondent des Handelsblatts in London. Vielen Dank, Herr Storbeck, für diese Einschätzungen.

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