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"Das ist schon ein kleines Abenteuer"

Heute beginnt in Berlin das "Young Euro Classic", ein Sommerfestival internationaler Jugendorchester. Die Festivalleiterin Gabriele Minz sieht dieses Jahr eine besondere Chance darin, Musiker aus allen sieben Ländern Ex-Jugoslawiens in einem Orchester zu vereinen.

Gabriele Minz im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Was haben Renate Künast, Ulrich Matthes, die Axel-Springer-Stiftung, Frank-Walter Steinmeier, die Wirth-Gruppe, Richard David Precht, die KFW-Bankengruppe, Ulrich Deppendorf und Deutschlandradio Kultur gemeinsam? Die genannten Damen, Herren und Institutionen unterstützen Young Euro Classic, dieses Sommerfestival internationaler Jugendorchester beginnt heute in Berlin. Bis zum 22. August stehen 22 Veranstaltungen auf dem Programm, über das man sich unter www.young-euro-classic.de einen Überblick verschaffen kann. Drei Regionen stehen im Mittelpunkt: Südosteuropa, der Südkaukasus und der Ostseeraum. Wir sind jetzt verbunden mit der Festivalleiterin Dr. Gabriele Minz. Guten Morgen!

    Gabriele Minz: Guten Morgen!

    Heinemann: Frau Minz, erstmals dabei: das Südosteuropa-Orchester. Dort spielen junge Menschen aus Ex-Jugoslawien zusammen mit deutschen Musikerinnen und Musikern, auf politischer Ebene ist die Zusammenarbeit der ehemaligen Völker Jugoslawiens zum Teil immer noch sehr schwierig. Geht das Musizieren spannungsfrei vonstatten?

    Minz: Es ist in jedem Fall schon ein Abenteuer, Musiker aus allen sieben Ländern Ex-Jugoslawiens zusammenzubekommen. Das ist schon ein kleines Abenteuer. Allerdings genießen alle Beteiligten auch in gewisser Weise dieses Abenteuer, weil es für sie eine enorme Chance ist, erst einmal zusammen zu arbeiten, zusammenzukommen, und dann dazu noch mit einem so hervorragenden Dirigenten wie Heinrich Schiff, den berühmten Cellisten, zu arbeiten. Wir haben am Freitagabend die Arbeitsphase mit den Musikern aus Ex-Jugoslawien und deutschen Musikern begonnen. Es soll entstehen aus dieser Zusammenarbeit ein 49-köpfiges Orchester, das sich vor allen Dingen im Programm Beethoven widmet, also ein Komponist, der den Gedanken der Freiheit in vielerlei Weise in seinem Oeuvre verarbeitet hat. Und die Musiker müssen sich sehr anstrengen und das tun sie auch, und darüber vergisst man dann auch leicht, über politische oder sonstige Spannungen zu reden. Nach unserer Erfahrung im Oktober wird die Zusammenarbeit funktionieren, und wir hören von den Proben Intensives, aber glaube ich auch viel Entwicklung. Wir sind gespannt!

    Heinemann: Das heißt, wer musiziert, verschwendet seine Zeit nicht mit nationalistischen Gedanken?

    Minz: Es ist schlechterdings nicht möglich. Herr Schiff ist ein strenger, sehr guter Pädagoge, er geht liebevoll mit den Musikern um, aber er ist sehr, sehr streng, die müssen sich anstrengen, Höchstleistungen vollbringen, wie der neue Generaldirigent der Komischen Oper, Herr Lange, gesagt hat: Sie müssen dann auf der Bühne wirklich mehr als 100 Prozent, mehr, eigentlich fast 150 Prozent, geben. Und so arbeiten sie auch. Also das sind acht intensive Tage, damit heute Abend ein besonderes, gutes Ergebnis auf die Bühne kommt.

    Heinemann: Wie haben Sie diese 49 jungen Leute ausgesucht?

    Minz: Unser künstlerischer Leiter, Dr. Dieter Rexroth, ist im letzten Jahr zusammen mit unseren Mitarbeitern in der Region gewesen, er hat mit Professoren gesprochen, mit Konservatorien, mit Musikinstituten in all diesen Ländern, und hat erläutert, welche Musiker wir brauchen für dieses Projekt. Und die besten Musiker wurden in den Konservatorien ausgesucht und so hat diese Zusammenarbeit begonnen, und nach dem ersten Anlauf im Oktober letzten Jahres, wo wir ein 17-köpfiges Ensemble zusammengestellt hatten, ist jetzt daraus das 49-köpfige Orchester geworden.

    Heinemann: Gilt diese Konzentration auf die Musik auch für die Ensembles aus dem Südkaukasus? Ist ja politisch auch keine spannungsfreie Region.

    Minz: Das ist wirklich keine spannungsfreie Region, aber wir fanden es überaus interessant, die Vielfarbigkeit der Musik, die diese Orchester aus ihrem Heimatland mitbringen, diese konzentriert darzustellen. Wir haben da nicht die Form wählen können, dass Musiker aus Georgien, Armenien und Aserbaidschan zusammen in einem Orchester spielen, aber sie spielen hintereinander an drei verschiedenen Abenden und bringen da Musik aus ihrer Heimat mit.

    Heinemann: Eines steht fest: Wenn sie eines Tages ein georgisch-aprasisch-südossetisches Jugendorchester auf die Bühne bringen, dann bekommen Sie sicherlich den Friedensnobelpreis. Wie wählen Sie überhaupt die Orchester aus, die Sie einladen?

    Minz: Also es gibt zwei Wege, zum einen hat ja Young Euro Classic in seinem zehnjährigen Bestehen – wir finden jetzt zum elften Mal statt – einen international sehr hohen Bekanntheitsgrad sich erworben. Die Jugendorchester bewerben sich bei uns. Wir haben über unseren künstlerischen Leiter Dieter Rexroth ein enormes Netzwerk, wo wir dann auch prüfen können, ob die Qualität, so wie versprochen ist, wirklich eingelöst werden kann. Wir machen uns zweitens konzeptionell Gedanken: Was wollen wir in dem jeweils laufenden Jahr dem Publikum präsentieren? In diesem Jahr haben wir uns ja auf drei regionale Schwerpunkte eingestellt, viele Begegnungsprojekte, ein Filmkonzert erstmalig bei Young Euro Classic – Grundlage dafür ist der Film "Nathan der Weise", der in einem Moskauer Archiv gefunden worden ist, in den 20er-Jahren entstanden, und der vertont worden ist mit einer Sinfonie von dem deutsch-libanesischen Komponisten Abu Rabi Khalil.

    Heinemann: "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk, ein Interview mit Gabriele Minz, der Leiterin des Young Euro Classic Festivals, das heute in Berlin beginnt. Wie wird das Festival finanziert?

    Minz: Das Festival finanziert sich aus öffentlichen Mitteln – der Hauptstadtkulturfonds gibt 100.000 Euro – und aus Ticketeinnahmen und vor allen Dingen aus sehr, sehr vielen Spenden und Sponsorengeldern.

    Heinemann: Rechnen Sie damit, dass das kulturelle Leben in Deutschland mehr und mehr privat finanziert werden wird?

    Minz: Ja, das ist keine einfache Frage. Wir haben ja in Deutschland eine ... im internationalen Vergleich noch eine sehr besondere Situation: Es wird staatlicherseits sehr viel Geld ausgegeben für die Kultur, es wird auch vonseiten ... von gut ausgestatteten Stiftungen sehr viel Geld ausgegeben für Kultur. Aber auch private Mäzene oder Sponsoren engagieren sich. Ich glaube, da hat sich eine ganz gute Praxis entwickelt, ich kann in der Kultur eigentlich nicht erkennen, dass da ein Kniefall vor den Sponsoren passiert. Wenn die Kultur, die Kunst, die Musik in unserem Falle im absoluten Mittelpunkt steht und die Gelder diesem Ziel dienen, dann habe ich gar keine Sorge, dass man da das rechte Maß findet.

    Heinemann: Welches sind denn Schwächen eines auf privaten Sponsoren beruhenden Kulturbetriebes?

    Minz: Na ja, es ist sicherlich eindeutig hervorzuheben, dass eine Planungssicherheit, wenn die Verträge mit privaten Sponsoren nicht längerfristig angelegt sind, dass eine Sicherheit für die Planung nicht gegeben ist. Mit dieser Unsicherheit leben wir durchaus seit dem ersten Jahr, aber ...

    Heinemann: Das heißt, die Gefahr einer Kultur nach Konjunkturlage?

    Minz: Ja, die Gefahr einer Kultur nach Konjunkturlage, aber wir sind glücklicherweise sehr gut aus dieser ganzen Situation herausgekommen. Wir haben uns also nicht nur auf Sponsoren verlassen, sondern unser großartiges Publikum, was sich im Laufe der letzten zehn Jahre entwickelt hat, mit einbezogen. Ein stattlicher Betrag wird durch viele kleine Spenden zusammengetragen, also das Publikum, die breite Masse, wenn Sie so wollen, engagiert sich ganz außerordentlich für das Weiterbestehen von Young Euro Classic.

    Heinemann: Frau Minz, Young Euro Classic steht zum elften Mal auf der Bühne, das haben Sie eben gesagt. Der Teufel steckt gern im Detail: Welche waren für Sie die größten Schwierigkeiten bei der Organisation?

    Minz: Da kann man sicher sagen, dass das Projekt Südosteuropa mit einigen Abenteuern in der Vorbereitung verbunden war, aber dank der unglaublich kooperativen Unterstützung vom Auswärtigen Amt und den verschiedenen Botschaften haben wir diese Schwierigkeiten meistern können. Das Festival zeichnet sich überhaupt dadurch aus, dass, wenn Schwierigkeiten auftreten, immer jemand da ist, der hilft, und ich glaube, das macht auch die besondere Qualität aus.

    Heinemann: Gabriele Minz, die Leiterin des Young Euro Classic Festivals. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!