Stefan Heinlein: Angela Merkel wandelt heute auf den Spuren von Konrad Adenauer. Als zweite deutsche Regierungschefin wird sie heute Nachmittag vor beiden Häusern des US-Kongresses eine Ansprache halten. Ein Zeichen sicherlich der besonderen Wertschätzung, die bisher nur wenigen ausländischen Staatsgästen zuteil wurde. Vor ihrer Rede das Treffen mit Obama im Weißen Haus, kein reiner Höflichkeitsbesuch. Klimaschutz, Afghanistan und die Finanzkrise, der Abstimmungsbedarf zwischen den transatlantischen Partnern ist hoch.
Über diesen Merkel-Besuch möchte ich jetzt reden mit dem Kieler Politikwissenschaftler Joachim Krause. Guten Tag, Herr Krause.
Joachim Krause: Guten Tag!
Heinlein: Die Kanzlerrede heute vor beiden Häusern des Kongresses. Warum diese besondere Ehre für Angela Merkel?
Krause: Ja, das ist schon eine ganz besondere Ehre, weil bisher kein Bundeskanzler dieses Forum bekam. Wir wissen nur, dass einige Bundespräsidenten dieses Forum, Repräsentantenhaus und Senat, bekamen, und das ist schon eine besondere herausragende Rolle, die man hier der Bundeskanzlerin zumisst. Das letzte Mal wurde das, glaube ich, dem britischen Premierminister zugestanden. Es zeigt ganz deutlich, welch hohe Bedeutung die Beziehungen zu Deutschland in Washington haben, nicht nur in der Regierung, sondern auch im Kongress.
Heinlein: Geht es, Herr Krause, nur um eine Geste, oder soll damit auch eine politische Botschaft transportiert werden?
Krause: Da ist die politische Botschaft hinter, dass man Deutschland für viele Jahrzehnte immer als einen ganz verlässlichen Partner gesehen hat, vor allen Dingen einen Partner, der in Europa so ein bisschen zwischen Großbritannien und Frankreich balancieren kann, der immer so die Mitte darstellt. Das lief ja alles sehr gut bis in die Amtszeit von Gerhard Schröder und ich glaube, da möchte man wieder anknüpfen, dass man nicht nur mit Großbritannien und nicht nur mit Frankreich wichtige Beziehungen hat, sondern Deutschland als einen ganz wichtigen Anker sieht, auch und gerade mit Bezug auf die Beziehungen zu Osteuropa und zu Russland.
Heinlein: Hat das vielleicht auch eine persönliche Note, Herr Krause, denn in der Vergangenheit hieß es ja immer wieder, das persönliche Verhältnis zwischen Merkel und Obama sei nicht so eng und freundschaftlich? Soll diesen Gerüchten nun mit dieser Geste Einhalt geboten werden?
Krause: Das kann ich jetzt nicht überschauen, ob diesen Gerüchten Einhalt geboten werden soll. Das glaube ich nicht, weil es ist eben eine sehr hohe politische Symbolik, eine sehr trächtige, schwere Symbolik, die hier gemacht wird. Ich glaube nicht, dass nur Gerüchte der Anlass sein können, um das zu machen, sondern es soll zum Ausdruck gebracht werden, die deutsch-amerikanischen Beziehungen sind nach der Krise von 2002/2003 wieder im Lot und man anerkennt in Washington, dass die Bundesrepublik Deutschland eine ganz wichtige, ganz zentrale Rolle spielen wird bei der Ordnung von Europa.
Heinlein: Es ist zwar ein Antrittsbesuch von Angela Merkel nach der Wahl heute in Washington. Dennoch: Sie ist ja keine Unbekannte in den USA. Macht es denn für die US-Regierung nun einen Unterschied, dass sie nun als Chefin einer liberal-konservativen Regierung nach Washington kommt?
Krause: Ich denke mal, es ist bestimmt etwas einfacher als eine Große Koalitionsregierung. Das ist richtig. Aber ich denke, der Unterschied ist wirklich nur gradueller Natur und im Wesentlichen freut man sich, glaube ich, dass man mit einer Kanzlerin zu tun hat, mit der man vernünftig über Probleme sprechen kann, die problemorientiert ist, die keine populistische Politik macht. Ich denke mal, das wird so in Washington gesehen. Zumindest sagen mir das meine Quellen in Washington. Ich denke, dass das ein Ausdruck dieser guten Erfahrungen mit der Bundeskanzlerin ist.
Heinlein: Zu den Problemen gehört ja ohne Zweifel das Thema Afghanistan. Ein Hauptwunsch, ein Hauptanliegen von Obama ist die Ausweitung des deutschen Afghanistan-Einsatzes. Wird Barack Obama in dieser Frage seinen Druck heute noch einmal erhöhen?
Krause: Ich denke mal, dass er heute eher zurückhaltend sein wird, weil die Obama-Administration ist sich selber im Augenblick ja gar nicht klar, wo sie hin will: will sie eine massive Truppenerhöhung machen, oder will sie es bei dem jetzigen Kontingent belassen? Je nachdem, wie sie sich entscheiden wird, wird sie unterschiedliche Forderungen an die Bundesregierung stellen und deswegen vermute ich mal, dass heute noch gar nicht so viel kommen wird, außer sehr allgemeinen Ermahnungen, die Deutschen sollten sich doch auch in den anderen Teilen Afghanistans stärker engagieren. Viel wird da meines Erachtens noch nicht kommen, sondern die eigentlichen Probleme werden dann kommen, wenn die Obama-Administration sich darüber klar ist, wo sie eigentlich mit ihrer Strategie hin will.
Heinlein: Deutschland umgekehrt wünscht sich ja eine neue, eine führende Rolle der USA beim Klimaschutz. Kann Angela Merkel hier heute bereits möglicherweise auf Erfolge hoffen?
Krause: Das befürchte ich auch noch nicht, dass da große Erfolge kommen, denn es hat noch nicht der "Policy review" in den USA zur Klimapolitik stattgefunden - aus sehr verständlichen Gründen. Das ist ja vorhin in dem Beitrag schon angeklungen. Es gibt eine Menge an Widerstand im Kongress. Aber selbst das ist nur Teil des Problems, denn die Obama-Administration muss ja die Klimapolitik im Lande völlig neu aufziehen und das kann man nicht von heute auf morgen machen. Da muss man eine Vielzahl von Problemen aufgreifen, versuchen Problemlösungen zu finden. Und einfach nur so auf das Schiff Kyoto-Protokoll raufzuspringen, das werden die USA nicht machen, sondern sie werden von den Bedingungen, unter denen die USA stehen, erst mal versuchen, ihre Beiträge zur Klimapolitik neu zu definieren und das kann zum Teil ganz andere Dimensionen annehmen, zum Beispiel dass sie ihr Elektrizitätsnetzwerk überhaupt erst mal verbessern müssen, damit sie Möglichkeiten haben, auch unabhängige Stromquellen mit einzubeziehen, und all solche Sachen. Das sind Dinge. Man kann nicht einfach sagen, die USA müssen jetzt auf das Kyoto-Protokoll springen und dann ist alles gut, sondern das ist sehr viel schwieriger und wird sehr viel langfristigere Investitionen und Festlegungen voraussetzen, als man jetzt schon absehen kann.
Heinlein: Der Antrittsbesuch von Angela Merkel heute in Washington. Dazu heute Mittag hier im Deutschlandfunk der Kieler Politikwissenschaftler Joachim Krause. Ich danke, Herr Krause, für das Gespräch und auf Wiederhören.
Krause: Nichts zu danken. Auf Wiederhören
Über diesen Merkel-Besuch möchte ich jetzt reden mit dem Kieler Politikwissenschaftler Joachim Krause. Guten Tag, Herr Krause.
Joachim Krause: Guten Tag!
Heinlein: Die Kanzlerrede heute vor beiden Häusern des Kongresses. Warum diese besondere Ehre für Angela Merkel?
Krause: Ja, das ist schon eine ganz besondere Ehre, weil bisher kein Bundeskanzler dieses Forum bekam. Wir wissen nur, dass einige Bundespräsidenten dieses Forum, Repräsentantenhaus und Senat, bekamen, und das ist schon eine besondere herausragende Rolle, die man hier der Bundeskanzlerin zumisst. Das letzte Mal wurde das, glaube ich, dem britischen Premierminister zugestanden. Es zeigt ganz deutlich, welch hohe Bedeutung die Beziehungen zu Deutschland in Washington haben, nicht nur in der Regierung, sondern auch im Kongress.
Heinlein: Geht es, Herr Krause, nur um eine Geste, oder soll damit auch eine politische Botschaft transportiert werden?
Krause: Da ist die politische Botschaft hinter, dass man Deutschland für viele Jahrzehnte immer als einen ganz verlässlichen Partner gesehen hat, vor allen Dingen einen Partner, der in Europa so ein bisschen zwischen Großbritannien und Frankreich balancieren kann, der immer so die Mitte darstellt. Das lief ja alles sehr gut bis in die Amtszeit von Gerhard Schröder und ich glaube, da möchte man wieder anknüpfen, dass man nicht nur mit Großbritannien und nicht nur mit Frankreich wichtige Beziehungen hat, sondern Deutschland als einen ganz wichtigen Anker sieht, auch und gerade mit Bezug auf die Beziehungen zu Osteuropa und zu Russland.
Heinlein: Hat das vielleicht auch eine persönliche Note, Herr Krause, denn in der Vergangenheit hieß es ja immer wieder, das persönliche Verhältnis zwischen Merkel und Obama sei nicht so eng und freundschaftlich? Soll diesen Gerüchten nun mit dieser Geste Einhalt geboten werden?
Krause: Das kann ich jetzt nicht überschauen, ob diesen Gerüchten Einhalt geboten werden soll. Das glaube ich nicht, weil es ist eben eine sehr hohe politische Symbolik, eine sehr trächtige, schwere Symbolik, die hier gemacht wird. Ich glaube nicht, dass nur Gerüchte der Anlass sein können, um das zu machen, sondern es soll zum Ausdruck gebracht werden, die deutsch-amerikanischen Beziehungen sind nach der Krise von 2002/2003 wieder im Lot und man anerkennt in Washington, dass die Bundesrepublik Deutschland eine ganz wichtige, ganz zentrale Rolle spielen wird bei der Ordnung von Europa.
Heinlein: Es ist zwar ein Antrittsbesuch von Angela Merkel nach der Wahl heute in Washington. Dennoch: Sie ist ja keine Unbekannte in den USA. Macht es denn für die US-Regierung nun einen Unterschied, dass sie nun als Chefin einer liberal-konservativen Regierung nach Washington kommt?
Krause: Ich denke mal, es ist bestimmt etwas einfacher als eine Große Koalitionsregierung. Das ist richtig. Aber ich denke, der Unterschied ist wirklich nur gradueller Natur und im Wesentlichen freut man sich, glaube ich, dass man mit einer Kanzlerin zu tun hat, mit der man vernünftig über Probleme sprechen kann, die problemorientiert ist, die keine populistische Politik macht. Ich denke mal, das wird so in Washington gesehen. Zumindest sagen mir das meine Quellen in Washington. Ich denke, dass das ein Ausdruck dieser guten Erfahrungen mit der Bundeskanzlerin ist.
Heinlein: Zu den Problemen gehört ja ohne Zweifel das Thema Afghanistan. Ein Hauptwunsch, ein Hauptanliegen von Obama ist die Ausweitung des deutschen Afghanistan-Einsatzes. Wird Barack Obama in dieser Frage seinen Druck heute noch einmal erhöhen?
Krause: Ich denke mal, dass er heute eher zurückhaltend sein wird, weil die Obama-Administration ist sich selber im Augenblick ja gar nicht klar, wo sie hin will: will sie eine massive Truppenerhöhung machen, oder will sie es bei dem jetzigen Kontingent belassen? Je nachdem, wie sie sich entscheiden wird, wird sie unterschiedliche Forderungen an die Bundesregierung stellen und deswegen vermute ich mal, dass heute noch gar nicht so viel kommen wird, außer sehr allgemeinen Ermahnungen, die Deutschen sollten sich doch auch in den anderen Teilen Afghanistans stärker engagieren. Viel wird da meines Erachtens noch nicht kommen, sondern die eigentlichen Probleme werden dann kommen, wenn die Obama-Administration sich darüber klar ist, wo sie eigentlich mit ihrer Strategie hin will.
Heinlein: Deutschland umgekehrt wünscht sich ja eine neue, eine führende Rolle der USA beim Klimaschutz. Kann Angela Merkel hier heute bereits möglicherweise auf Erfolge hoffen?
Krause: Das befürchte ich auch noch nicht, dass da große Erfolge kommen, denn es hat noch nicht der "Policy review" in den USA zur Klimapolitik stattgefunden - aus sehr verständlichen Gründen. Das ist ja vorhin in dem Beitrag schon angeklungen. Es gibt eine Menge an Widerstand im Kongress. Aber selbst das ist nur Teil des Problems, denn die Obama-Administration muss ja die Klimapolitik im Lande völlig neu aufziehen und das kann man nicht von heute auf morgen machen. Da muss man eine Vielzahl von Problemen aufgreifen, versuchen Problemlösungen zu finden. Und einfach nur so auf das Schiff Kyoto-Protokoll raufzuspringen, das werden die USA nicht machen, sondern sie werden von den Bedingungen, unter denen die USA stehen, erst mal versuchen, ihre Beiträge zur Klimapolitik neu zu definieren und das kann zum Teil ganz andere Dimensionen annehmen, zum Beispiel dass sie ihr Elektrizitätsnetzwerk überhaupt erst mal verbessern müssen, damit sie Möglichkeiten haben, auch unabhängige Stromquellen mit einzubeziehen, und all solche Sachen. Das sind Dinge. Man kann nicht einfach sagen, die USA müssen jetzt auf das Kyoto-Protokoll springen und dann ist alles gut, sondern das ist sehr viel schwieriger und wird sehr viel langfristigere Investitionen und Festlegungen voraussetzen, als man jetzt schon absehen kann.
Heinlein: Der Antrittsbesuch von Angela Merkel heute in Washington. Dazu heute Mittag hier im Deutschlandfunk der Kieler Politikwissenschaftler Joachim Krause. Ich danke, Herr Krause, für das Gespräch und auf Wiederhören.
Krause: Nichts zu danken. Auf Wiederhören