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"Das ist sicherlich nicht leicht für den Jogi"

Nach der Weltmeisterschaft ist vor der Qualifikation zur Europameisterschaft: Am Abend startet die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gegen Schweden unter Joachim Löw in die Ära nach Jürgen Klinsmann. Erich Rutemöller, Chefausbilder des Deutschen Fußball-Bundes, glaubt, dass die Nachwirkungen der WM-Euphorie ein Ballast für den neuen Trainer sind.

Moderation: Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Heute Abend um 20.45 Uhr Anpfiff in Gelsenkirchen: Deutschland gegen Schweden, das erste Spiel nach der WM-Party und das erste Spiel nach dem Ende der Ära Klinsmann. Premiere also für Joachim Löw als Bundestrainer an der Seitenlinie. Die Erwartungen sind hoch. Nach der Euphorie um die deutsche Elf muss der Chefcoach nun durch die Mühle der EM-Qualifikation. Keine einfache Aufgabe, über die ich jetzt reden will mit dem DFB-Chefausbilder und neuen Coach der U-20-Nationalmannschaft Erich Rutemöller. Guten Morgen!

    Erich Rutemöller: Guten Morgen!

    Heinlein: Heute nur ein Freundschaftsspiel, oder steht für Jogi Löw bereits mehr auf dem Spiel?

    Rutemöller: Nein, es ist ein Freundschaftsspiel, allerdings ja auch schon wieder eine direkte Vorbereitung auf die EM-Qualifikation. Man kommt ja gar nicht zum Durchatmen. Man hat jetzt gerade die WM noch gar nicht richtig verdaut, und dann kommt schon der nächste Wettbewerb.

    Heinlein: Was ist denn heute Abend, Herr Rutemöller, der Maßstab des Erfolges? Muss das Ergebnis stimmen und auch die Art und Weise, eine Wiederholung des Achtelfinalsieges gegen Schweden?

    Rutemöller: Das kann man nicht miteinander vergleichen. Das sind wirklich ganz andere Vorzeichen. Es geht doch heute darum, dass man den einen oder anderen neuen Spieler sieht, und die neu eingeladenen Spieler und zum ersten Mal eingeladenen Spieler werden ja wohl spielen. Es ist auch so ein bisschen noch mal, ich hätte fast gesagt, ein kleines Abschied nehmen für den einen oder anderen Spieler jetzt nach der WM, denn der Herr Löw hat ja auch gesagt, dass so ein bisschen Bonus dabei war für die Spieler, die bei der WM gespielt haben.

    Heinlein: Abschied nehmen für die einen. Für Jogi Löw - Sie sagen es - ist es eine Premiere. Wie schwierig wird es denn für ihn, aus dem Schatten von Jürgen Klinsmann zu treten?

    Rutemöller: Das ist natürlich schwer zu beantworten, weil: Man hat die ganze Euphorie und die tolle Atmosphäre und Stimmung noch im Kopf und jetzt kommt im Grunde der "graue Alltag". Das ist sicherlich nicht leicht für den Jogi. Was es ihm leichter macht ist, dass er ja ständig selbst im direkten Umkreis war und eigentlich die Dinge fortsetzen kann, fortsetzen will und auch fortsetzen wird, die gewesen sind. Da hilft ihm mit Sicherheit auch dann der gute Trainerstab.

    Heinlein: Jürgen Klinsmann gilt ja als ein begnadeter Motivator. Wo sehen Sie denn die Stärken von Joachim Löw?

    Rutemöller: Joachim Löw ist ein ausgesprochen guter Taktiker. Er hat ja auch das Training auf dem Platz immer geleitet, und ich habe es am Anfang der Ära Klinsmann selbst hautnah mitverfolgen können. Er ist sehr detailliert in der Planung, in der Trainingsplanung und ist sehr gewissenhaft in der Arbeit auf dem Platz. Das wissen die Spieler zu schätzen, und das war sicherlich auch mit ein Grund des Erfolges.

    Heinlein: Sie sagen es, die EM-Qualifikation beginnt schon bald. Ist das ein Vorteil für Joachim Löw, dass er schon rasch, und die Mannschaft sich auch, in Pflichtspielen beweisen muss? Jürgen Klinsmann hatte ja viel Zeit zu testen.

    Rutemöller: Ja, aber ich halte es für gut, dass man eigentlich direkt in die Pflicht kommt, dass man weiß, worum es geht, und die Spieler auch von Anfang an gar nicht erst im Kopf haben, jetzt sind erst mal alles nur Vorbereitungsspiele, Freundschaftsspiele, sondern am 2. September geht es los mit dem Heimspiel gegen Irland, und dann zählen die Punkte. Und wir wollen doch alle teilnehmen an der EM, wir wollen alle, dass man teilnimmt an der EM in Österreich und der Schweiz.

    Heinlein: Aber es wird schwierig, die WM-Euphorie zu übertragen auf den Alltag der EM-Qualifikation. Es gibt Spiele gegen San Marino oder Zypern.

    Rutemöller: Ja, aber ich meine, das wissen die Spieler auch. Die haben ja Erfahrung. Ich nenne mal die Parallele Pokalspiele auf nationaler Ebene. Da hat man auch öfter unterklassige Gegner, oder sagen wir mal, Gegner, die nicht unbedingt die Stärke haben. Von daher erwarte ich von einem Profi, dass er auch im Spiel in San Marino mit der Ernsthaftigkeit rangeht, die er braucht auch in Topspielen. Das muss man einfach voraussetzen, auch wenn es leider bei dem einen oder anderen nicht immer der Fall ist.

    Heinlein: Offen, Herr Rutemöller, ist ja noch die Frage des Assistenztrainers. In den kommenden Wochen bis zu Beginn der EM-Qualifikation soll die Entscheidung fallen. Wer wäre denn der richtige Mann?

    Rutemöller: Das ist eine Frage, die ich auch nicht beantworten kann. Da gäbe es sicherlich viele. Es ist aber richtig: Der Jogi muss mit dem Trainerstab zusammenarbeiten, und es ist eine seiner Hauptaufgaben, auch den Trainerstab entsprechend dann zusammenzusetzen. Er hat ja gesagt, er hat vier, fünf Namen im Kopf. Er will sich jetzt nach dem Spiel entscheiden. Da bin ich völlig überfragt und weiß nicht, wie er denkt und wie er entscheidet.

    Heinlein: Sie selbst gehören ja jetzt auch zum DFB-Trainerstab. Ihre neue Berufung als U-20-Trainer war ja nicht ganz unumstritten. Es gab angeblich keine Rücksprache mit Joachim Löw und Oliver Bierhoff. Belastet dies Ihr Verhältnis zu Ihren beiden Kollegen?

    Rutemöller: Nein, belasten eigentlich nicht, weil ich habe mich nur so ein bisschen "dazwischen aufgerieben" gefühlt, weil es war ja wohl so, dass eben nicht der nötige Informationsfluss da war. Das wurde dann letztlich auch so ein bisschen mit auf meinem Rücken ausgetragen. Das hat mir sicherlich nicht gut getan, und das habe ich auch nicht gern gehabt, aber das hat mit meiner persönlichen Wertschätzung für Oliver Bierhoff oder Jogi Löw und vor allen Dingen auch für Matthias Sammer, der diese Entscheidung ja in Absprache auch mit dem Präsidenten getroffen hat, nichts zu tun und diese nicht belastet.

    Heinlein: Heute Morgen im Deutschlandfunk der DFB-Chefausbilder Erich Rutemöller. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Köln.

    Rutemöller: Danke auch. Auf Wiederhören.