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"Das ist Unsinn"

Der Finanzwissenschaftler Rainer Kambeck hat das Ausstiegsjahr 2018 für den deutschen Steinkohlebergbau als wirtschaftspolitischen Unsinn bezeichnet. Mit einer früheren Zechenstilllegung könnten hohe Subventionen eingespart werden, sagte der Wissenschaftler vom Institut für Wirtschaftsforschung RWI in Essen. Dieses Geld wiederum könnte man zur Qualifizierung von Bergleuten für andere Arbeitsplätze verwenden.

Modereation: Dirk Müller |
    Dirk Müller: Am Telefon ist jetzt Rainer Kambeck vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung RWI in Essen. Guten Tag!

    Rainer Kambeck: Schönen guten Tag!

    Müller: Herr Kambeck, die Verhandlungspartner jedenfalls sind alle zufrieden. Wo ist der Pferdefuß?

    Kambeck Der Pferdefuß liegt darin, dass doch eine gehörige Intransparenz besteht. Das klang ja auch vorhin schon an in den Beiträgen, die Sie gesendet haben. Man weiß letztlich nicht genau, wie ist die Gegenrechnung gerade auch für Nordrhein-Westfalen, was wird an Strukturhilfe wegfallen ab 2015 und vor allem, das ist auch schon angesprochen worden, wie hoch werden die Ewigkeitskosten sein, also die Kosten, die vor allem über das Jahr 2018 hinaus noch im Ruhrgebiet und damit in Nordrhein-Westfalen anfallen werden, um die entstandenen Bergschäden zu beseitigen und zum Beispiel das Wasser abzupumpen? Da werden enorme Kosten dann noch entstehen, und da ist letztlich noch nicht ganz klar, wer diese Kosten trägt.

    Müller: Fehlende Transparenz, weil man das nicht sagen will, oder weil man das jetzt einfach nicht sagen kann?

    Kambeck: Das ist sicherlich eine Mischung von beidem. Es steht ja auch in dieser Vereinbarung, die gestern Abend getroffen wurde in der so genannten Kohlerunde, da werden die Kosten, die dann entstehen, auch nicht genau beziffert. Da ist es immer so, dass zum Teil die Beträge und Berechnungen von der RAG selbst dann vorgelegt wurden beziehungsweise auch eben nicht vorgelegt wurden, dass man da im Grunde genommen eine große Unklarheit hat, wie hoch diese Kosten sein werden.

    Müller: Wenn Sie jetzt Berater gewesen wären dieses Gremiums, hätten Sie denn konkretere Zahlen vorlegen können?

    Kambeck: Wir hätten vor allem versucht zu erreichen, dass man den Steinkohlebergbau früher beendet, gerade auch im Sinne der Bergleute. Das wird nach unserer Einschätzung völlig unterschätzt, dass man im Grunde mit einem früheren Ende enorme Subventionsbeträge, die man weiter in die Förderung gibt, hätte einsparen können. Damit hätte man auch die Bergleute zum Beispiel qualifizieren können und insgesamt damit auch schon früher Mittel frei gehabt, um den Strukturwandel insbesondere auch im Ruhrgebiet voranzubringen.

    Müller: Demnach ist 2018 wirtschaftspolitisch Unsinn?

    Kambeck: Das ist Unsinn. Das ist ein politischer Kompromiss. Ich glaube da gibt es auch kaum einen Streit darüber, dass die Wirtschaftlichkeit, die Situation sich kaum verbessern wird. Diese Überprüfung, die in 2012 angestrebt wird, ist ja auch alleine politisch zu sehen. Bis 2012 wird sich nichts an den wirtschaftlichen Nachteilen der Steinkohleförderung in Deutschland ändern. Die ist ja bedingt dadurch, dass die Steinkohle bei uns so tief in der Erde liegt. Es ist ja nicht so, dass die Bergleute oder die Technik dort schlechter sei. Ganz im Gegenteil: Die Bergleute sind gut ausgebildet. Die Technik ist gut. Aber man hat diesen geologischen Nachteil und der wird sich auch bis 2012 nicht verändern.

    Müller: Ist das für Sie ganz klar: Das Ende der Subventionen ist das Ende des Bergbaus?

    Kambeck: Das ist ganz klar so, weil die Subventionen in enormer Höhe anfallen. Die deutschen Produktionskosten liegen deutlich über den Weltmarktpreisen. Die Weltmarktpreise liegen ungefähr bei einem Drittel der Förderkosten in Deutschland. Da sind die Abstände so hoch, dass man ganz klar sagen muss, die Subventionen wegfallen, die derzeit noch die Differenz zwischen Weltmarktpreis und den deutschen Förderkosten ausgleichen, wenn diese Subventionen wegfallen, wird das gleichbedeutend sein mit dem Ende der deutschen Förderung.

    Müller: Ihnen folgend, Herr Kambeck, bedeutet das ja, noch elf Jahre ist jeder Euro zu viel investiert. Alles Geldverschwendung auf Kosten des Steuerzahlers?

    Kambeck: Jedenfalls findet da viel Geldverschwendung statt. Das war immer unser Argument. Es wurde ja immer ganz gerne als Argument genutzt, das ganze sozialverträglich zu gestalten. Da würden wir ein ganz großes Fragezeichen setzen. Ist es in der Tat sozialverträglich, dass man noch bis 2018 fordert und damit die Subventionen auch in die Förderung steckt? Da ist es aus unserer Sicht übrigens gar nicht so entscheidend, ob jetzt die Kosten dafür von NRW oder vom Bund getragen werden. Wir verstehen Herrn Rüttgers ganz gut, dass er das jetzt als Erfolg verbucht. Das ist zum Teil auch richtig, weil er natürlich an seinen Haushalt denkt. Wir denken aber vor allem an die Bürger in Nordrhein-Westfalen und die müssen natürlich auch Steuern zahlen, die Einnahmen für den Bund bedeuten. Also wenn der Bund jetzt Kosten übernimmt, vor allem auch Kosten über 2018 hinaus, das wurde ja gestern auch vereinbart, dann sind damit natürlich alle Steuerzahler und natürlich auch die in Nordrhein-Westfalen beteiligt.

    Müller: Sind aber Arbeitslose besser für den Steuerzahler als subventionierte Arbeitsplätze?

    Kambeck: Aus unserer These wäre ja auch noch Zeit gewesen, eben gar keine hohe Arbeitslosigkeit im Bergbau bei einem früheren Auslaufen der Förderung zu haben. Da hätte es verschiedene Modelle gegeben, dass man mit Qualifizierungsmaßnahmen da auch hätte sehr viel bewegen können. Insbesondere hätten wir auch die RAG selbst da in der Verantwortung gesehen, denn das sind ja die Unternehmen, die jetzt im weißen Bereich sind, in der Chemie, in der Stromerzeugung. Da sind natürlich auch in der Zukunft Arbeitsplätze zu erwarten, und da hätte man Teile natürlich übernehmen können und damit auch die Verantwortung der RAG dort stärken können.

    Müller: Also die RAG hat sich dieser Verantwortung nicht gestellt?

    Kambeck: Das kann man erst mal so sagen, dass die RAG mit ihrer Strategie jetzt erst mal darauf abgestellt hat, dass die RAG mit dem so genannten weißen Bereich, also Stromerzeugung, Chemie und mit weitaus geringerem Teil die Immobilien, hier als Mischkonzern dann an die Börse gehen kann und den schwarzen Bereich, also den Bereich der Steinkohle, jetzt in diese Stiftung erst mal übergeben wird und dann die Stiftung dafür verantwortlich sein wird, den Auslauf des Bergbaus zu organisieren, wobei die Erlöse aus dem Börsengang ja erst mal diese Sache finanzieren sollen. Die sollen die Verfügungsmasse dann herstellen. Insofern wird da zum Teil auch Verantwortung übernommen, aber die hätte aus unserer Sicht sehr viel größer sein können, insbesondere was die Beschäftigung betrifft, weil das immer betont wurde und wir wie gesagt da hinter der Sozialverträglichkeit noch ein großes Fragezeichen sehen.

    Müller: Nun könnte man umgekehrt ja argumentieren beziehungsweise Sie dann auch fragen, der einzige der wirklich Verantwortung übernommen hat ist Jürgen Rüttgers, weil er vier Jahre früher mit den Subventionen aufhört?

    Kambeck: Ja. Jürgen Rüttgers hat aus unserer Sicht da richtig gehandelt. Ob das insgesamt jetzt eine gute Lösung für Nordrhein-Westfalen sein wird, das muss man sicherlich auch noch mal abwarten. Es gilt ja erst noch mal zu entscheiden, wie wird überhaupt der Börsengang gestaltet werden? Das wurde ja gestern Abend nicht definitiv vereinbart. Da steht ja noch ein Gutachten aus, das das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Auftrag gegeben hat. Da ist jetzt noch die Frage, kann NRW auch darauf Einfluss nehmen, dass insgesamt aus diesem Börsenerlös der größtmögliche Betrag erzielt wird, damit eben die Stiftung möglichst gut ausgestattet ist mit finanziellen Mitteln, um die Lasten, die in Zukunft anfallen, bis 2018 und insbesondere die schon von mir angesprochenen Lasten, die über 2018 hinaus noch anfallen, finanzieren zu können und die Mittel zur Verfügung zu haben?

    Müller: Der Finanzwissenschaftler Rainer Kambeck war das vom RWI in Essen. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Kambeck: Gerne.