Sonntag, 01. Oktober 2023

Archiv


"Das ist unvorstellbar, was da gelaufen ist"

Die Hypo Group Alpe Adria in Kärnten wird wegen eines Milliardenlochs verstaatlicht. Pikant: Die selbst angeschlagene Bayerische Landesbank ist Eignerin. Ein Versagen der Politik und ein Versagen des Verwaltungsratsvorsitzenden, bilanziert Wolfgang Gerke, Präsident des Bayerischen Finanzzentrums.

14.12.2009

    Dirk Müller: 1,5 Milliarden Euro müssen her, und zwar sofort. Sonst kann die Bank dichtmachen. Von der Bank namens HGAA ist die Rede, die Hypo Group Alpe Adria mit Sitz in Kärnten. Eine Finanzspritze ist also dringend erforderlich und dies tangiert auch die deutsche Politik, vor allem die bayerische Politik wieder einmal, denn die Alpe Adria ist eine Tochter der ebenfalls angeschlagenen Bayern-LB und alles, was die bayerische Landesbank angeht, geht auch die CSU an. Horst Seehofer befürchtet schon Schlimmes.

    O-Ton Horst Seehofer: Dieser Fall ist ein echtes Ärgernis. Wir haben als amtierende bayerische Staatsregierung hier gravierende politische Fehler aus der Vergangenheit aufzuarbeiten, und ich werde mir auch am Wochenende Gedanken machen, welche Konsequenzen hier für die Verantwortlichen der Vergangenheit im Raum stehen, und dabei wird keine Option ausgeschlossen.

    Müller: Noch kennen wir die Konsequenzen nicht, die Horst Seehofer treffen will. Vor zweieinhalb Jahren waren die Bayern bei den Kärntnern eingestiegen, ein Engagement, das bislang sechs Milliarden Euro gekostet hat. Jetzt steht das Bankhaus eben vor dem Kollaps. Bis vor wenigen Stunden Verhandlungen dazu in Wien.
    Die CSU wollte sich nicht heute Morgen dazu äußern. Wir haben es vergeblich versucht. – Was ist da schief gelaufen? Darüber sprechen wollen wir nun mit Professor Wolfgang Gerke, Präsident des Bayerischen Finanzzentrums. Guten Morgen nach München.

    Wolfgang Gerke: Guten Morgen, Herr Müller!

    Müller: Herr Gerke, ist das alles auch bayerischer Größenwahn?

    Gerke: Das ist Größenwahn. Ob das nun erst mal bayerischer ist? Natürlich ist die Bayerische Landesbank hier dem Größenwahn unterlegen. Es ist Missmanagement, Missmanagement, was angesprochen wurde, bei der Hypo Group Alpe Adria, aber insbesondere natürlich auch bei der Bayerischen Landesbank, und man muss sich fragen, warum wurde das gemacht. War das nur Größenwahn? Steckt da noch mehr dahinter? Steckt da ein Netzwerk dahinter von Personen, die Geschäfte gemacht haben, die man nicht machen durfte? Da ist noch sehr, sehr viel aufzuklären. Das, was im Moment läuft, ist ja reines Stundenkrisenmanagement, um in letzter Sekunde zu verhindern, dass hier die Bank völlig umfällt und andere mitreißt. Die Interessen Bayerns hier waren insbesondere darauf aus, jetzt nicht noch plötzlich einen Riesen Abschreibungsbedarf bei der Bayerischen Landesbank zu produzieren. Auf der anderen Seite muss man aber sagen, das was man hätte abschreiben müssen, ist vielleicht langfristig doch auch verloren.

    Müller: Sie haben ja viele Fragezeichen jetzt selbst auch gesetzt, Herr Gerke. Dennoch noch einmal die Frage: Als die Bayerische Landesbank 2007 eingestiegen ist bei der Alpe Adria, da war sie auch schon angeschlagen. Wie können Politiker diese Entscheidung rechtfertigen?

    Gerke: Das ist gar nicht zu rechtfertigen, denn das ist nicht die Finanzkrise, die hier über die Bank hinweggefegt ist, sondern es ist das Missmanagement, was die Bank in den Strudel gerissen hat, und das sind Fehler, die gemacht wurden vor dem Jahr 2007, also bevor man die Bank gekauft hat. Nun kann man vielleicht höchstens sagen, dass auch der Verwaltungsrat getäuscht wurde, in dem die Politiker saßen. Der Verwaltungsrat hat eindeutig versagt. Die Frage ist natürlich, ist er auch betrogen worden. Das wird sein Versagen natürlich nicht wegwischen, aber wird erklärbar machen, weshalb der Verwaltungsrat hier nicht die Notbremse gezogen hat. Insbesondere ist aber zu hinterfragen, was hat die Manager bewogen, bei der Bayerischen Landesbank, hier sich dieses furchtbare Engagement hereinzuholen? Kärntens Landeshauptmann Haider hat damals gesagt, das ist das beste Geschäft, was Kärnten je gemacht hat, und das kann man weiß Gott sagen, und dazu hat man einen Dummen gebraucht.

    Müller: Und damit hat die Kontrolle der führenden CSU-Politiker, die ja zum Teil im Verwaltungsrat sitzen, für diese Kontrolle mit verantwortlich sind, wieder einmal völlig versagt?

    Gerke: Es hat die Kontrolle der Politiker versagt, aber es hat insbesondere auch die Kontrolle des Verwaltungsratsvorsitzenden, des Präsidenten des Bayerischen Sparkassenverbandes versagt. Er ist ja derjenige, der doch noch am nächsten dran gewesen ist am Vorstand, am Sprecher insbesondere auch der Bayerischen Landesbank. Wichtig ist in meinen Augen, dass man zu allererst mal aufarbeitet, was ist in dem Management selber passiert, und dann natürlich gleichzeitig mit, was musste ein Mitglied im Verwaltungsrat sehen können, was konnte er aufgrund von Betrug beispielsweise nicht sehen. Hier muss man auch achtgeben, dass man einzelne Mitglieder des Verwaltungsrates nicht vorverurteilt und erst einmal auch aufarbeitet, was ist dort falsch gelaufen in der Geschäftsführung.

    Müller: Es werden, Herr Gerke, ja auch gerade vonseiten der CSU jetzt CSU-Politiker genannt, die offenbar Mitverantwortung tragen sollen, wie auch immer sie informiert waren oder nicht. Erwin Huber wird dort genannt und auch der CSU-Fraktionsvorsitzende Georg Schmidt. Ist für sie die politische Karriere beendet?

    Gerke: Das ist eine Frage, die ich ungern beantworte. Mir geht es hier weniger um die Personen im Moment, als um die Aufklärung in der Sache, und dann kann man erst die Konsequenzen für die Personen ziehen. Aber so, wie im Moment die Diskussion läuft, ist eindeutig, dass die meisten diese Politiker schon längst innerlich haben fallen gelassen. Da ist dann auch die Politik manchmal auch der Parteifreunde gnadenlos. Man möchte da nicht mit hineingezogen werden. So läuft Politik, aber manche werden im Nachhinein sagen, dass ich da im Verwaltungsrat gesessen habe, das hat nicht nur meine Karriere kaputtgemacht, sondern das habe ich in dieser Art und Weise auch nicht verdient.

    Müller: Gehen wir mal auf das Thema Missmanagement ein. Da geht es um Geschäfte mit Südosteuropa, das wird von verschiedenen Seiten bestätigt. Bestechung und Korruption. Wie ist das möglich in einem Land wie Österreich mit bayerischer Kontrolle?

    Gerke: Das ist unvorstellbar, was da gelaufen ist. So was darf natürlich nicht zugelassen werden. Offensichtlich hat es Korruption gegeben. Offensichtlich sind auch hier mit der Bank politische Geschäfte gemacht worden. Man hat in Objekte hineininvestiert, in die kein Banker investieren würde, weil sie unrentabel sind, weil sie aber politischen Glamour verbreiten. Das ist die Gefahr – das muss man auch für Deutschland sagen – bei Banken, in denen der Staat mitmischt. Es ist kein Wunder, dass bei uns bei vielen Landesbanken – und da ist auch die Bayerische Landesbank an erster Stelle mit zu nennen – die Renditerisikoüberlegungen oftmals hinten angestanden sind und politische Überlegungen vorne standen.

    Müller: Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, Herr Gerke? Dort, wo die Politik mitmischt, ist die Gefahr besonders groß?

    Gerke: Da haben Sie mich ganz richtig verstanden und deshalb bedauere ich auch so, dass die Landesbanken – das ist nun ein anderes Thema, aber ein ganz wichtiges Thema, ein Thema, was noch wichtiger ist als dieser Einzelvorfall – bei uns immer noch kein tragfähiges Geschäftsmodell gefunden haben, dass die einzelnen Länder bei uns immer noch eine Partikularpolitik betreiben. Letzten Endes ist der Steuerzahler in den einzelnen Ländern der Leidtragende, und wenn man sich anschaut, dass in Bayern ein Schattenhaushalt von zehn Milliarden gefahren wird bei einem Gesamthaushalt von 40 Milliarden, nur für eine einzelne Bank, dann sieht man, dass es so nicht weitergehen darf.

    Müller: Jetzt sind Sie ja fast täglich mit diesen Dingen, auch mit Misswirtschaft, mit Missmanagement im Bankensektor konfrontiert. Haben Sie selbst noch Ihr Geld auf Banken?

    Gerke: Ja, natürlich. Das ist auch ganz wichtig gewesen, dass in der vorigen Legislaturperiode die Regierung den Sparern gesagt hat, ihr könnt euer Geld bei deutschen Banken, die deutschen Einlagensicherungssystemen angeschlossen sind, weiter belassen, im Zweifelsfall haftet der Staat. Aber man darf hier nicht sagen, dass der Staat hier der bessere Banker ist, weil er die letzte Haftung übernimmt, denn der Staat, der hier die Haftung übernimmt, das sind wir Steuerzahler und deshalb können wir da nicht tatenlos zuschauen, sondern müssen von der Politik jetzt schnellere Konsequenzen einfordern. Ich finde das ein Bild des Jammers, dass wir mit so vielen Milliarden Banken stützen, die immer noch nicht in der Lage sind, selber erfolgreich zu arbeiten.

    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Professor Wolfgang Gerke, Präsident des Bayerischen Finanzzentrums in München. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Gerke: Auf Wiederhören, Herr Müller.