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"Das ist wirklich ein Ablenkungsmanöver"

Die Bewohner der Falklandinseln wollen britische Staatsbürger bleiben. Die argentinische Regierung will dieses Ergebnis nicht akzeptieren. Damit versuche sie, von innenpolitischen Problemen abzulenken, meint Klaus Bodemer vom GIGA-Institut für Lateinamerika-Studien in Hamburg. Denn eigentlich sei das Thema "weitgehend ausgereizt".

Klaus Bodemer im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 12.03.2013
    Tobias Armbrüster: Die Briten nennen sie die Falkland-Inseln, in Argentinien heißen sie Las Malvinas. Das kleine Archipel, 300 Kilometer vor der argentinischen Küste, ist seit fast 200 Jahren umstritten. Zwei Tage lang hatten die 1500 wahlberechtigten Bewohner der Falkland-Inseln nun Gelegenheit, in einem Referendum über ihren Status abzustimmen, und sie haben sich mit knapp 99 Prozent dafür ausgesprochen, britisch zu bleiben. Das ist keine große Überraschung, aber politisch brisant ist dieses Referendum auf jeden Fall, denn in beiden Ländern, in Großbritannien und auch in Argentinien, genügt es oft nur, das Wort Falklands oder Malvinas auszusprechen, um hitzige Debatten auszulösen.

    Mitgehört hat Professor Klaus Bodemer, er ist Politikwissenschaftler am GIGA-Institut für Lateinamerika-Studien in Hamburg. Schönen guten Tag, Herr Bodemer.

    Klaus Bodemer: Guten Tag.

    Armbrüster: Herr Bodemer, wir haben es gerade gehört: die argentinische Regierung hat schon angekündigt, dieses Referendum nicht zu akzeptieren. Können Sie uns erklären, warum die Argentinier bei diesem Thema so stur sind?

    Bodemer: Im letzten Jahr hat sich zum 30. Mal die Niederlage im Falkland-Malvinas-Krieg gejährt und das wurde zum Anlass genommen, um die Souveränitätsfrage wieder hochzuspielen. Das ist eigentlich eine Strategie, die weitgehend auch von den innenpolitischen Problemen ablenken möchte. Im Grunde kollidieren zwei Prinzipien, das Prinzip der nationalen Souveränität und das Selbstbestimmungsrecht der Völker, und hier kommt man nicht zusammen. Das Argument der Argentinier ist, es ist völkerrechtlich uninteressant, ob die Kelpers sich zu Großbritannien bekennen, weil die Territorialfrage ist unabhängig von diesem Votum, das jetzt in diesen Tagen stattfand.

    Armbrüster: Ist das denn ein Thema, mit dem man in Argentinien nur Wahlkampf machen kann, oder, wie Sie es sagen, Innenpolitik, oder interessiert sich auch der normale Bürger in Buenos Aires für die Falkland-Inseln oder Malvinas?

    Bodemer: Ich würde sagen, das Thema ist weitgehend ausgereizt in den letzten Jahren, weil die Argentinier haben zurzeit ganz andere Probleme mit einer galoppierenden Inflation, und ich glaube, das ist wirklich ein Ablenkungsmanöver. Man muss auch dazu sagen: es gibt auch Gegenstimmen, die sich artikuliert haben. So gab es vor kurzem eine Resolution von führenden Intellektuellen in Argentinien, die, sagen wir, plädieren für das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerung, der Kelpers, und das hat ja jetzt stattgefunden. Das ist möglicherweise eine Minderheit, aber ich glaube, das öffentliche Interesse ist nicht sehr stark mit diesem Problem befasst in Argentinien.

    Armbrüster: Welche Rolle spielen denn für die Argentinier die Bodenschätze, die rund um die Inseln vermutet werden?

    Bodemer: Das dürfte eigentlich der reale Hintergrund sein. Es geht weniger um diese Souveränitätsfrage, und da muss man auch sagen, die Briten sind hier etwas vorgeprescht. Es sind zwei Dinge: Einmal – das ist auch eines der Argumente -, dass die Argentinier in Lateinamerika vor allem – und da finden sie auch Unterstützung – dies immer wieder hochspielen, es geht um eine Militarisierung des Südatlantik. Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Dummerweise haben die Briten zwei Atom-U-Boote und Kreuzer in die Region geschickt. Und zum anderen vermutet man doch höchst wahrscheinlich dort große Erdöl- und Gasfelder, und einige britische Unternehmen haben bereits begonnen mit der Prospektion.

    Armbrüster: Wie sieht man diesen ganzen Konflikt, diese Unstimmigkeit rund um die Falkland-Inseln? Wie sieht man die denn eigentlich im Rest Lateinamerikas? Sind da sozusagen alle Staaten auf Seiten der Argentinier?

    Bodemer: Die Mehrheit der Staaten ist sicher auf Seiten der Argentinier in der Souveränitätsfrage. Das hat auch zu einigen symbolischen Aktionen geführt. Zum Beispiel ist es den Argentiniern gelungen, die Nachbarstaaten dazu zu verpflichten, dass Schiffe von den Falkland-Malvinas-Inseln ihre Häfen nicht anlaufen dürfen. Das ist aber im Grunde eigentlich mehr symbolischer Natur, weil es gibt im Grunde nur zwei, drei Dutzend Schiffe auf den Falkland-Inseln, und man hat das von Seiten der Falkland-Inseln dadurch gelöst, dass man einfach die britische Flagge hisst, und dann ist dieses Verbot praktisch völlig wirkungslos.

    Armbrüster: Nun ist es ja immer so, dass die USA auch in Lateinamerika noch immer eine Rolle spielen oder zumindest spielen wollen und traditionell ja immer dagegen waren, dass europäische Mächte dort noch Einfluss haben. Wie sieht man dieses Referendum und diesen Streit deshalb in den USA?

    Bodemer: Ich glaube, man hält sich da relativ bedeckt. Im Grunde sagt man ja, das ist das Recht der Kelper, selbst zu bestimmen. Im konkreten Fall spielt aber noch mit, dass sich die argentinische Regierung ziemlich international isoliert hat, und auch in ihrem Verhältnis zu den USA gibt es seit Jahren eigentlich Scharmützel. Das hängt auch damit zusammen, dass ein Teil der Schulden nicht bezahlt worden ist. Also da spielen andere Dinge noch mit eine Rolle. Aber im Grunde teilt die USA auch die These, dass man das durch Dialog lösen müsste, und hält sich aber sonst relativ bedeckt.

    Armbrüster: Herr Professor Bodemer, man liest ab und zu immer mal wieder, wenn es den Falkland-Krieg vor 30 Jahren nicht gegeben hätte, dann hätten sich beide Staaten aller Wahrscheinlichkeit nach längst auf eine Übergabe an Argentinien geeinigt. Ist da was dran, dass dieser Krieg vor 30 Jahren dieses Thema eigentlich unlösbar gemacht hat?

    Bodemer: Da ist sicher was dran. Ich meine, das hat sozusagen alle Möglichkeiten einer friedlichen Regelung zunichte gemacht. Es gibt jetzt auch schon vorsichtige Stimmen, auch von britischer Seite, dass man sich durchaus vorstellen könnte – und das hat man vor allem gesagt mit Blick und an die Adresse der Kelpers -, dass die Insel unabhängig werden könnte, sowohl von England wie auch von Argentinien, aber das in einer Perspektive in 20, 30 Jahren, ohne dass das nun irgendeine verbindliche Zusage ist. Aber es gibt durchaus diese Stimmen.

    Armbrüster: Wie ist denn eigentlich der Kontakt zwischen den Falklands oder Malvinas und dem argentinischen Festland? Gibt es da einen regen Austausch, oder schotten sich diese Inseln quasi ab und sagen, unser Kontakt ist der mit London, was 300 Kilometer auf dem argentinischen Festland passiert, das interessiert uns nicht?

    Bodemer: Ein Hauptteil der Kommunikation wie auch immer, zu Wasser, in der Luft und auch überhaupt, der Tourismus, ist sicher mit England. Die Insel hängt, wenn man so will, am Tropf von England. Es gibt keine Flugverbindung. Es gibt eine chilenische. Die chilenische Linie LAN fliegt einmal wöchentlich die Insel an. Sonst ist es aber die Verbindung mit Großbritannien. Und auch auf der Insel selbst: Alles ist eigentlich, vom Pub angefangen bis zu den Tageszeitungen, eindeutig britisch, sodass man sagen kann, hier ist die Verbindung zum Festland doch weitgehend gekappt, und daran, muss man auch sagen, ist die argentinische Regierung nicht ganz unschuldig.

    Armbrüster: Sagt Professor Klaus Bodemer, Politikwissenschaftler am GIGA-Institut für Lateinamerika-Studien in Hamburg. Wir haben mit ihm gesprochen über das Referendum auf den Falkland-Inseln. Besten Dank, Herr Bodemer, für das Gespräch.

    Bodemer: Ich danke auch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.