Mario Dobovisek: Eine Woche ist es jetzt her, kurz vor 14 Uhr. Einem Erdbeben gleich krachte es in der Kölner Südstadt. Das historische Stadtarchiv stürzte ein und mit ihm auch zwei Wohnhäuser. Seitdem laufen die Bergungsmaßnahmen. Mehrere hundert Rettungskräfte waren und sind noch immer im Einsatz. Am Telefon begrüße ich Uwe Goertz. Er ist oder vielmehr war Bewohner des eingestürzten Hauses in der Severinstraße 230 und hat im Grunde alles verloren. Guten Tag, Herr Goertz.
Uwe Goertz: Guten Tag.
Dobovisek: Wie geht es Ihnen heute?
Goertz: Das ist eine schwierige Frage. Wenn man morgens aufwacht denkt man, das ist nach wie vor ein Albtraum, der irgendwann mal zu Ende sein muss. Aber irgendwann realisiert man, dass er nicht zu Ende ist und das Leben irgendwie weitergehen muss. Dann rafft man sich auf so wie diese Nacht, aufgewacht um halb drei, setzt sich an seinen Computer und versucht, eine Inventarliste zu machen, um irgendwie beweisen zu können, was man hatte. Irgendwie versucht man dann am Ende, einen Kompromiss zu finden, ohne dass man am Ende diese Geschichte über Jahre mitzieht, eben auch juristisch.
Dobovisek: Welcher Verlust schmerzt Sie da im Moment am meisten?
Goertz: Es sind halt die vielen emotionalen Sachen, dieses Gefühl, dass ihnen nichts Eigenes gehört. Ich glaube, dass dies sehr, sehr schwer zu vermitteln ist. Ich habe mich heute Morgen gefreut wie ein Kind: Ich hatte meine erste eigene Geldbörse. Ich habe die mir für 15 Euro gekauft und ich hatte wieder was Eigenes. Ansonsten haben mir alle Freunde Kleider gespendet, alles super, eine unglaubliche Hilfe von privater Seite, die gekommen ist. Wildfremde Menschen aus Deutschland haben uns Mails geschickt mit "haltet durch" und "wir sind bei euch" und so weiter und so weiter. Aber dass man halt nichts Eigenes mehr hat, das schmerzt sehr.
Dobovisek: Bekommen Sie psychologische Unterstützung?
Goertz: In den ersten Tagen war das nicht der Fall. Ich bin ja zum Glück, als das Unglück passierte, in Australien gewesen. Meine Nachbarn hat es da wesentlich härter erwischt. Sie sind zum Teil traumatisiert. Diese Hilfe gab es am Anfang nicht. Da funktioniert ein Krisenmanagement nicht. Aber gut, auch kein Vorwurf, das ist halt schwer, auf so einen Fall sich vorzubereiten. Jetzt gibt es diese Hilfe. Ich und meine Freundin, Ines Jakob, wir haben uns entschieden, privat eine Hilfe zu suchen, weil die Ausmaße, die auf einen zukommen, das hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich jemals so an einer Klippe stehen würde und runtergucke.
Dobovisek: Wo kommen Sie jetzt unter?
Goertz: Zurzeit sind wir bei einem Kollegen untergebracht, wenn ich das mal sagen darf, vom Deutschlandfunk, der uns völlig unbürokratisch sein Schlafzimmer geräumt hat, und jetzt hoffen wir darauf, übergangsweise vielleicht für den nächsten Monat - jemand ist ausgezogen, da steht die Wohnung noch leer -, dass wir dort einziehen können. Wir suchen! Wir suchen eine Wohnung ganz dringend, damit man halt wieder irgendwann einen Neustart beginnen kann. Aber ansonsten läuft man natürlich im Moment eher verwirrt durch die Ämter. Jede Sekunde fällt einem wieder ein, was man eigentlich noch alles verloren hat. Man existiert ja erst mal auf dem Papier gar nicht mehr, abgesehen eben von den vielen emotionalen Irrungen und Wirrungen, die da in einem Kopf vorgehen.
Dobovisek: Hat man Ihnen seitens der KVB oder der Stadt bei einer Wohnungssuche geholfen oder eine Wohnung angeboten?
Goertz: Ja. Heute gab es die ersten Anrufe, wo man halt Sachen anbietet. Da sind denen ja auch wahrscheinlich die Hände gebunden. Ich hatte gedacht, die Stadt hätte vielleicht irgendwelche Wohnungen; das ist natürlich nicht der Fall. Es ist halt so, dass Privatleute sich an die Stadt wenden und sagen, ich habe jetzt eine Wohnung zu vermieten, und die rufen wiederum dann einen an und sagen, ja, da gibt es eine Wohnung. Aber klar: Dass da jetzt sofort der Glückstreffer dabei ist, das ist halt nicht der Fall.
Dobovisek: Die Kölner Verkehrsbetriebe haben auch finanzielle Soforthilfen angekündigt. Ist davon schon etwas bei Ihnen und Ihrer Partnerin angekommen?
Goertz: Ja. Der erste Tag begann damit, dass es halt 250 Euro Übergangsgeld gab, Soforthilfe. Nach den vielen Berichten in den Medien wurde das dann nach drei Tagen ja erhöht. Wir haben 10.000 Euro überwiesen bekommen. Es wird suggeriert, dass - wie soll ich das jetzt sagen? -, damit man halt eine gütliche Einigung findet, die unbürokratische Hilfe, die versprochen wird. Wir werden das versuchen. Wir werden jetzt Tag und Nacht versuchen, diese Inventarliste zu schreiben. Aber man trifft dort natürlich auf eine Versicherung auf der anderen Seite, die halt das Ding jetzt erst mal sehr rational abarbeitet. Das heißt, die wollen Belege sehen und die Belege sind nicht da, die sind unten im Loch. Das heißt, ich werde jetzt Zeugen benennen müssen, dass ich tatsächlich dieses Telefon, was ich jetzt in der Hand habe, auch wirklich besessen habe und wo es herkommt. Wir werden das Gespräch jetzt mit dem Versicherer suchen und versuchen, wirklich möglichst schnell eine Einigung zu finden, weil es muss aus unseren Köpfen raus. So kann man nicht mehr weiterleben. Sollte es gar nicht gehen, werden wir uns halt an Anwälte wenden müssen. Das ist zurzeit noch nicht der Fall. Die können nur beratend tätig sein, weil wenn wir denen ein Mandat geben, musste ich mir auf dem Bürgerbüro sagen lassen, dann geht das in einen juristischen Streit und da ist, glaube ich, es nichts Neues: Das kann Jahre dauern.
Dobovisek: Uwe Goertz. Vor einer Woche hat er beim Hauseinsturz in der Kölner Südstadt sein Obdach verloren. Vielen Dank für das Gespräch und Ihnen alles Gute.
Uwe Goertz: Guten Tag.
Dobovisek: Wie geht es Ihnen heute?
Goertz: Das ist eine schwierige Frage. Wenn man morgens aufwacht denkt man, das ist nach wie vor ein Albtraum, der irgendwann mal zu Ende sein muss. Aber irgendwann realisiert man, dass er nicht zu Ende ist und das Leben irgendwie weitergehen muss. Dann rafft man sich auf so wie diese Nacht, aufgewacht um halb drei, setzt sich an seinen Computer und versucht, eine Inventarliste zu machen, um irgendwie beweisen zu können, was man hatte. Irgendwie versucht man dann am Ende, einen Kompromiss zu finden, ohne dass man am Ende diese Geschichte über Jahre mitzieht, eben auch juristisch.
Dobovisek: Welcher Verlust schmerzt Sie da im Moment am meisten?
Goertz: Es sind halt die vielen emotionalen Sachen, dieses Gefühl, dass ihnen nichts Eigenes gehört. Ich glaube, dass dies sehr, sehr schwer zu vermitteln ist. Ich habe mich heute Morgen gefreut wie ein Kind: Ich hatte meine erste eigene Geldbörse. Ich habe die mir für 15 Euro gekauft und ich hatte wieder was Eigenes. Ansonsten haben mir alle Freunde Kleider gespendet, alles super, eine unglaubliche Hilfe von privater Seite, die gekommen ist. Wildfremde Menschen aus Deutschland haben uns Mails geschickt mit "haltet durch" und "wir sind bei euch" und so weiter und so weiter. Aber dass man halt nichts Eigenes mehr hat, das schmerzt sehr.
Dobovisek: Bekommen Sie psychologische Unterstützung?
Goertz: In den ersten Tagen war das nicht der Fall. Ich bin ja zum Glück, als das Unglück passierte, in Australien gewesen. Meine Nachbarn hat es da wesentlich härter erwischt. Sie sind zum Teil traumatisiert. Diese Hilfe gab es am Anfang nicht. Da funktioniert ein Krisenmanagement nicht. Aber gut, auch kein Vorwurf, das ist halt schwer, auf so einen Fall sich vorzubereiten. Jetzt gibt es diese Hilfe. Ich und meine Freundin, Ines Jakob, wir haben uns entschieden, privat eine Hilfe zu suchen, weil die Ausmaße, die auf einen zukommen, das hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich jemals so an einer Klippe stehen würde und runtergucke.
Dobovisek: Wo kommen Sie jetzt unter?
Goertz: Zurzeit sind wir bei einem Kollegen untergebracht, wenn ich das mal sagen darf, vom Deutschlandfunk, der uns völlig unbürokratisch sein Schlafzimmer geräumt hat, und jetzt hoffen wir darauf, übergangsweise vielleicht für den nächsten Monat - jemand ist ausgezogen, da steht die Wohnung noch leer -, dass wir dort einziehen können. Wir suchen! Wir suchen eine Wohnung ganz dringend, damit man halt wieder irgendwann einen Neustart beginnen kann. Aber ansonsten läuft man natürlich im Moment eher verwirrt durch die Ämter. Jede Sekunde fällt einem wieder ein, was man eigentlich noch alles verloren hat. Man existiert ja erst mal auf dem Papier gar nicht mehr, abgesehen eben von den vielen emotionalen Irrungen und Wirrungen, die da in einem Kopf vorgehen.
Dobovisek: Hat man Ihnen seitens der KVB oder der Stadt bei einer Wohnungssuche geholfen oder eine Wohnung angeboten?
Goertz: Ja. Heute gab es die ersten Anrufe, wo man halt Sachen anbietet. Da sind denen ja auch wahrscheinlich die Hände gebunden. Ich hatte gedacht, die Stadt hätte vielleicht irgendwelche Wohnungen; das ist natürlich nicht der Fall. Es ist halt so, dass Privatleute sich an die Stadt wenden und sagen, ich habe jetzt eine Wohnung zu vermieten, und die rufen wiederum dann einen an und sagen, ja, da gibt es eine Wohnung. Aber klar: Dass da jetzt sofort der Glückstreffer dabei ist, das ist halt nicht der Fall.
Dobovisek: Die Kölner Verkehrsbetriebe haben auch finanzielle Soforthilfen angekündigt. Ist davon schon etwas bei Ihnen und Ihrer Partnerin angekommen?
Goertz: Ja. Der erste Tag begann damit, dass es halt 250 Euro Übergangsgeld gab, Soforthilfe. Nach den vielen Berichten in den Medien wurde das dann nach drei Tagen ja erhöht. Wir haben 10.000 Euro überwiesen bekommen. Es wird suggeriert, dass - wie soll ich das jetzt sagen? -, damit man halt eine gütliche Einigung findet, die unbürokratische Hilfe, die versprochen wird. Wir werden das versuchen. Wir werden jetzt Tag und Nacht versuchen, diese Inventarliste zu schreiben. Aber man trifft dort natürlich auf eine Versicherung auf der anderen Seite, die halt das Ding jetzt erst mal sehr rational abarbeitet. Das heißt, die wollen Belege sehen und die Belege sind nicht da, die sind unten im Loch. Das heißt, ich werde jetzt Zeugen benennen müssen, dass ich tatsächlich dieses Telefon, was ich jetzt in der Hand habe, auch wirklich besessen habe und wo es herkommt. Wir werden das Gespräch jetzt mit dem Versicherer suchen und versuchen, wirklich möglichst schnell eine Einigung zu finden, weil es muss aus unseren Köpfen raus. So kann man nicht mehr weiterleben. Sollte es gar nicht gehen, werden wir uns halt an Anwälte wenden müssen. Das ist zurzeit noch nicht der Fall. Die können nur beratend tätig sein, weil wenn wir denen ein Mandat geben, musste ich mir auf dem Bürgerbüro sagen lassen, dann geht das in einen juristischen Streit und da ist, glaube ich, es nichts Neues: Das kann Jahre dauern.
Dobovisek: Uwe Goertz. Vor einer Woche hat er beim Hauseinsturz in der Kölner Südstadt sein Obdach verloren. Vielen Dank für das Gespräch und Ihnen alles Gute.