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"Das kann kein Zufall sein"

Im März wurde die südkoreanische Fregatte Cheonan durch nordkoreanische Torpedos versenkt. Nun sind auf der Insel Yeonpyeong mehrere Geschosse aus Nordkorea eingeschlagen. Walter Klitz von der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul hofft, dass die südkoreanische Regierung Ruhe bewahrt.

Walter Klitz im Gespräch mit Friedbert Meurer | 23.11.2010
    Friedbert Meurer: Vor gut einer Stunde kamen die ersten Meldungen aus Südkorea von der Nachrichtenagentur Reuters. Mehrere Artilleriegeschosse sollen, aus Nordkorea kommend, auf der südkoreanischen Halbinsel eingeschlagen sein. Häuser sollen zerstört worden sein und es gibt danach auch Verletzte. In Seoul, der Hauptstadt Südkoreas, begrüße ich Walter Klitz. Er ist der Leiter dort des Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung. Guten Morgen, Herr Klitz beziehungsweise guten Tag nach Seoul.

    Walter Klitz: Guten Tag, Herr Meurer.

    Meurer: Was wissen Sie über die Ereignisse, von denen wir seit wenigen Augenblicken Kenntnis nehmen?

    Klitz: Zunächst einmal, dass es einen Zwischenfall gegeben hat im chinesischen Meer, im Westmeer, dass es wohl Artilleriegeschosse waren, die eingeschlagen sind auf der Insel Yeonpyeong, und dass es Verletzte gegeben hat und dass das Feuer erwidert worden ist.

    Meurer: Für wie gravierend, Herr Klitz, halten Sie diesen Vorfall?

    Klitz: Der Vorfall ist ja kein losgelöster Vorfall. Wir hatten im März die Geschichte mit der Cheonan, mit der südkoreanischen Fregatte, die durch Torpedoeinwirkung untergegangen ist und 76 Soldaten, Marinesoldaten dabei zu Tode gekommen sind. An der Grenzlinie, an der Seegrenze, die nicht offiziell zwischen Norden und Süden vereinbart ist, hat es immer mal im Laufe der Zeit, vor allen Dingen seit 1969, Zwischenfälle gegeben: 1999, 2002 mit sechs toten Soldaten, 2009 im November mit angeblich verletzten nordkoreanischen Soldaten.

    Meurer: Liegt diese Insel, die getroffen wurde, nahe der Grenze zwischen Nordkorea und Südkorea?

    Klitz: Das ist eine gute Frage, weil die Nordkoreaner wie gesagt haben diese entmilitarisierte Zone im Meer nicht anerkannt und nehmen für sich in Anspruch, dass der Grenzverlauf weiter südlich ist. Nach nordkoreanischem Verständnis liegt die Insel auf nordkoreanischem Territorium und nach südkoreanischem Verständnis liegt sie auf südkoreanischem Territorium.

    Meurer: Wer hat die Kontrolle über die Insel?

    Klitz: Die Insel ist bewohnt mit etwa 1.300 Leuten und die Kontrolle hat Südkorea.

    Meurer: Dann kann man wohl vermuten, Herr Klitz, dass es alles andere als ein Zufall ist, dass genau diese Insel jetzt getroffen wurde und als militärisches Ziel ausgewählt wurde?

    Klitz: Das kann kein Zufall sein. Dafür war das Feuer auch zu heftig. Nach dem, was ich gehört habe, sollen über 200 Schüsse abgegeben worden sein.

    Meurer: Diese Sache mit dem südkoreanischen Kriegsschiff, die Sie erwähnten, ein halbes Jahr ungefähr her, 38 südkoreanische Seeleute tot, weiß man sicher, was da passiert war damals?

    Klitz: Es hat ja eine internationale Kommission gegeben und diese internationale Kommission ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es in der Tat versenkt worden ist von einem nordkoreanischen Torpedo. Es wird bestritten von nordkoreanischer Seite, es gibt auch offiziellen Schriftwechsel mit den Vereinten Nationen, aber die Argumente, die von nordkoreanischer Seite vorgebracht werden, sind juristisch nicht stichhaltig. Es sind politische Argumente, die immer wieder vorgebracht werden.

    Meurer: Was kann die südkoreanische Regierung tun?

    Klitz: Zunächst mal Ruhe bewahren. Das ist das Wichtigste. Und ich habe auch nicht den Eindruck, dass jetzt überreagiert wird von südkoreanischer Seite. Aber es hat eine deutliche Warnung gegeben Lee Myung-Bak, dem südkoreanischen Präsidenten, wie die Fregatte versenkt worden ist, im März, dass man weitere Provokationen nicht hinnehmen wird, denn wir leben ja hier im Zustand noch des Waffenstillstands. Es gibt ja keinen Friedensvertrag zwischen Nordkorea und Südkorea.

    Meurer: Walter Klitz, der Leiter des Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul, der Hauptstadt Südkoreas, zu den jüngsten Vorfällen von heute Morgen. Herr Klitz, schönen Dank nach Seoul und auf Wiederhören.

    Klitz: Gern geschehen! Danke Ihnen!