Jürgen Liminski: Die Investition in Wissen ergibt die beste Rendite. Eine alte Weisheit, sie stammt von Benjamin Franklin, einem Amerikaner, und auch das ist bezeichnend: Amerika hängt Europa bei den Patentanmeldungen immer deutlicher ab. Das wäre nicht weiter tragisch, wenn Wissen und Innovationsfähigkeit nicht der Lebensnerv Europas und insbesondere Deutschlands wären. Denn wir haben keine oder kaum Rohstoffe, und die Innovationskraft ist unser Kapital. Das brauchen wir auch, und gerade nach der Krise. Wie ist es darum bestellt, wo steht Deutschland im internationalen Vergleich? Was tun wir, was investieren wir, um hier wettbewerbsfähig zu bleiben? Zu diesen und anderen Fragen begrüße ich einen Gesprächspartner, der die Welt kennt und der sich seit ein paar Jahren besonders um die Innovationsfähigkeit Deutschlands kümmert. Es ist Klaus Kinkel, langjähriger Außenminister Deutschlands in der Regierung Kohl und jetzt Vorsitzender der Telekom-Stiftung, die sich die Stärkung der Innovationskraft auf die Pinkfahne geschrieben hat. Guten Morgen, Herr Kinkel!
Klaus Kinkel: Guten Morgen!
Liminski: Herr Kinkel, zunächst: Teilen Sie die Analyse, dass wir auf Dauer geschwächt aus der Krise herausgehen, wenn wir nicht die Innovationskraft stärken?
Kinkel: Ja, die Auffassung teile ich. Es wird schwer genug sein, aus dieser Finanz- und Wirtschaftskrise, die ja fast 1929-Ausmaße angenommen hat, schwer genug sein, da rauszukommen. Und deshalb ist besonders wichtig, dass wir uns auf Innovationen, auf Bildung, Forschung, Technologie konzentrieren. Da dürfen wir jetzt um Gottes Willen nicht nachlassen. Deshalb, wenn ich das gleich am Anfang sagen darf, halte ich es auch für verheerend, dass Herr Steinbrück glaubt, die drei Milliarden, die vorgesehen sind für Forschung, verschieben zu können auf die Zeit nach der Bundestagswahl.
Liminski: Wir kommen gleich zu den Fragen der Forschungsausgaben. Zunächst mal die Frage: Wo stehen wir denn im internationalen Vergleich? Gibt es da überhaupt zuverlässige Vergleichskriterien?
Kinkel: Ja, die gibt es. Wir geben seit vier Jahren mit dem BDI einen vom DIW erarbeiteten Innovationsindikator raus, der inzwischen hohe Aufmerksamkeit, nicht nur bei uns, sondern durchaus auch in Europa und in der Welt erreicht. Danach stehen wir von den 17 führenden Industrienationen der Welt, nehmt alles nur in allem, auf Platz 8. Und nehmen Sie beispielsweise ein besonders wichtiges Thema, wo wir besonders schwach sind, Bildung, da sind wir von Platz 13 auf Platz 15 abgerutscht.
Liminski: Ist das nicht auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die man nicht nur der Wirtschaft oder einer oder ein paar Stiftungen überlassen kann?
Kinkel: Ja selbstverständlich, das ist eine Aufgabe, die natürlich den Staat zunächst mal betrifft, der das sehen muss, der Rahmenbedingungen setzen muss. Dann ist es eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft, der Wirtschaft, aller, die daran mitwirken und beitragen können, dass wir um Gottes Willen in unserer Innovationskraft wieder stärker werden. Sonst werden wir weiter zurückfallen.
Liminski: Um zu Ihrer Eingangsbemerkung zurückzukommen in Sachen Steinbrück: Der Staat tut nicht genug, die Investitionen in Wissen, also in Bildung, sind bescheiden im Vergleich zu anderen Ländern wie Finnland, Schweiz, Dänemark, Schweden, Japan, USA sowieso. Was sollte er denn mehr tun?
Kinkel: Na ja, also wir müssen zunächst mal weit mehr in Bildung investieren, Finanzmittel. Dann müssen wir unser gesamtes Bildungssystem versuchen zu reformieren. Das geht von der frühkindlichen Bildung in den Kindergärten bis rauf zu den Universitäten, wo wir eben einfach eine Fülle von Schwachstellen haben, die angegangen werden müssen, weil Bildung nun mal – gerade in der jetzigen Zeit und gerade für ein Land wie Deutschland – das absolute Megathema sein muss, in Koppelung mit Forschung natürlich, sonst werden wir keine große Technologie- und Wirtschaftsnation bleiben.
Liminski: Ein klassisches Innovationshindernis ist die Bürokratie. Da könnte man sich denken, das lässt sich doch sozusagen schnell beseitigen, dieses Hindernis. Der Bundespräsident hat dazu Stellung genommen. Europa hat jetzt sogar in der Person von Edmund Stoiber einen eigenen Beauftragten dafür. Kommt der Bürokratieabbau in Deutschland voran?
Kinkel: Eindeutig nein. Da ist irgendwo die normative Kraft des Faktischen zugange. Und ich weiß noch genau, wie ich als Staatssekretär im Bundesjustizministerium damals schon von Kohl den Auftrag hatte, mich da speziell drum zu kümmern. In Deutschland ein Gesetz oder eine Verordnung zu verhindern im Entstehen oder später abzubauen, ist wahnsinnig schwierig. Also wir sind überbürokratisiert, eins unser wesentlichen Hemmnisse.
Liminski: Welche Hindernisse haben wir denn noch, die Innovationsstau verursachen?
Kinkel: Ich sage nochmals Bildung, ganz an der Spitze. Wir geben zu wenig Mittel aus für Forschung, was wir natürlich dringend müssen als große Technologienation. Wir sind beispielsweise besonders schwach im Vergleich zu den anderen 16 führenden Industrienationen der Welt in der Frauenbeteiligung. Bei uns sitzt die Hälfte der Mannschaft sozusagen auf der Reservebank. Wir geben zu wenig aus an Mitteln, die gebraucht werden, damit die Wirtschaft anspringt, und zwar wir sind das Land, wo beispielsweise auch die steuerlichen Grundvoraussetzungen mit am schlechtesten sind. Die Unterstützung der Wirtschaft ist in den anderen gemessenen Ländern erheblich besser als bei uns. Und wir haben viel zu wenig – ich wiederhole es noch mal – Risikokapital. Und noch ein Punkt: Die mentale Verfasstheit der Deutschen in Bezug auf Innovation, auf Technik ist nicht so, wie sie sein müsste. Deshalb tun wir als Telekom-Stiftung auf dem Gebiet einiges, um zu helfen, durch Sponsern des Zukunftspreises beim Bundespräsidenten und beispielsweise durch den vorher erwähnten Innovationsindikator.
Liminski: Wir haben zu viele Bedenkenträger, wenn ich das richtig verstehe. Was tun Sie denn konkret, um diese Mentalitätsbarrieren abzubauen?
Kinkel: Na ja, da können wir als Stiftung natürlich nur begrenzt einwirken. Ich habe gerade zwei Beispiele genannt. Ein nächstes Beispiel ist, dass wir ganz massiv die Lindauer Nobelpreisträger-Konferenz unterstützen, die fast weggezogen worden wäre aus Deutschland, um eben Deutschland als attraktives Wissenschaftsland zu erhalten. Siehe letztes Jahr der Mathematik, wo wir mit Frau Schavans Ministerium und der Deutschen Mathematiker-Vereinigung Hauptmitveranstalter waren und Millionenbeträge eingebracht haben.
Liminski: Deutsche Maschinen sind aber immer noch Spitze und deutsche Tüftler auch, aber schon heute fehlen uns natürlich Ingenieure zu Zehntausenden. Wo sollen die herkommen, gehen uns die Innovationsreserven aus?
Kinkel: Ja, wir sind immer noch in einigen Gebieten besonders stark und Weltklasse im Maschinenbau, in der Elektroindustrie, in der Autoindustrie, in der Chemie. Aber man sieht natürlich jetzt auch in dieser Krise, dass es da mächtig hapert. Und man darf nicht vergessen – das sagt unser Innovationsindikator auch aus –, dass wir auf vielen Gebieten heute schon von den Errungenschaften der Vergangenheit eher leben und die modernen Technologien, nehmen Sie mal Automobilbereich, Hybrid, Batterie, dass wir da nicht genügend auf Zack sind und vielleicht zu viel versäumt haben. Und natürlich, wir haben zu wenig Ingenieure und Techniker. Und da setzen wir eben als Stiftung auch an, von der frühkindlichen Bildung bis rauf zu den Universitäten. Das Land der Dichter und Denker und das immer stark gewesene Land der Ingenieure muss das bleiben.
Liminski: Mal ganz konkret die Frage: Werden wir, also wird Deutschland im internationalen Vergleich in puncto Innovation abgehängt?
Kinkel: Wir sind mindestens auf einem abschüssigen Weg. Es hat die verschiedenen Gründe, die ich vorher angesprochen habe, da gibt es noch viel mehr, die können jetzt in der Kürze der Zeit nicht alle angesprochen werden. Ja, wir sind auf einem abschüssigen Weg, und wir müssen natürlich vor allem auch sehen, dass wir vorm asiatischen Zeitalter stehen, dass Länder wie China und Indien mächtig aufholen und Europa sowieso insgesamt seine Probleme haben wird auf diesem Gebiet. Und deshalb sind die Anstrengungen besonders notwendig.
Liminski: Forschen wir zu viel im Ausland, also ich meine jetzt die Privatunternehmen, weil uns die geeigneten Forscher hierzulande fehlen?
Kinkel: Nein, das hat die letzte Untersuchung ergeben. Es war für mich eigentlich erstaunlich, will ich deutlich sagen. Ich habe gedacht, nachdem wir sehr stark ins Ausland gehen wegen der hohen Lohnnebenkosten und so weiter, in vielen Bereichen, dass auch draußen jetzt mehr geforscht wird. Nein, die Forschung ist doch noch sehr, sehr stark, Gott sei Dank, auch bei den großen, forschungsstarken Unternehmen in Deutschland geblieben.
Liminski: Ich darf Ihnen mal ein Zitat von Professor Sinn, ifo-Institut, vorlesen, es lautet: "Die Alterung der deutschen Gesellschaft wird die Innovationskraft des Landes, von der seine internationale Wettbewerbsfähigkeit maßgeblich abhängt, weiter verringern. Deutschland hat im internationalen Vergleich immer noch eine sehr gute Position bei den Patentanmeldungen, doch ist das Wachstum der Zahl der Patentanmeldungen schon seit den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts weit hinter den USA zurückgeblieben." Zitat Ende. Sinn setzt hier die demografische Entwicklung in Funktion zur Innovation. Wird das in der deutschen Diskussion ausgeblendet?
Kinkel: Ich würde nicht sagen, dass es ausgeblendet wird, aber es wird zu schwach berücksichtigt. Übrigens, was Patentanmeldungen anbelangt, ich war ja früher als Justizminister dafür zuständig: Deutschland ist ein besonders patentaffines Land, Gott sei Dank, und wenn man die Weltpatentanmeldungen vergleicht, muss man ein bisschen an diese Affinitäten denken. Ein Land wie China hat eine schwächere Patentaffinität als wir. Und Herr Sinn liegt, glaube ich, nicht ganz richtig – Deutschland liegt, was Patentanmeldungen anbelangt, mit der Schweiz immer noch an der Weltspitze, also wir können uns da sehen lassen. Aber das ist nur ein Merkmal. Die demografische Entwicklung spielt ganz zweifellos eine Rolle, umso stärker müssen wir natürlich heute schon, ich sage nochmals, vom Kindergarten an aufbauen und eben die Kinder viel früher als bisher, schon ab dem dritten Lebensjahr, über Zahlen, Daten, Fakten unter anderem an Naturwissenschaften, Mathematik und eben frühe Bildung ranführen. Und wir müssen unser gesamtes Schulsystem verbessern, insbesondere auch unsere Lehrerausbildung. Das ist eine der zentralsten schwachen Stellschrauben in Deutschland.
Liminski: Die wenigeren Kinder müssen besser, sprich innovativer werden, würde ich das mal so übersetzen, um den Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit zu halten. Aber überfordern wir die Kinder nicht ein wenig, wenn wir sie im Kindergarten schon Chinesisch, Japanisch oder Arabisch lernen lassen?
Kinkel: Ich weiß, dass das natürlich eine nicht ganz einfache Frage ist. Chinesisch und Arabisch sollten wir sie vielleicht nicht lernen lassen, aber wenn man selber erlebt im Kindergarten – und das habe ich nun vielfach in den letzten fünf Jahren erlebt, ich wusste das vorher ja gar nicht, obwohl ich auch inzwischen fünf Enkel habe, die ich im Kindergarten miterlebt habe –, wenn man die Kinder im Kindergarten erlebt und sieht, wie sie über Experimentierkisten beispielsweise an Naturwissenschaften rangeführt werden können, wie sie ungeheuer lernbegierig sind, das ist etwas, wo wir als Stiftung sehr stark ansetzen. Nein, ich glaube nicht, dass wir sie da überfordern. Natürlich muss man aufpassen, dass man nicht zu viel verlangt und dass die ganzen Sozialkomponenten und alles andere, was notwendig ist, nicht zurückbleibt.
Klaus Kinkel: Guten Morgen!
Liminski: Herr Kinkel, zunächst: Teilen Sie die Analyse, dass wir auf Dauer geschwächt aus der Krise herausgehen, wenn wir nicht die Innovationskraft stärken?
Kinkel: Ja, die Auffassung teile ich. Es wird schwer genug sein, aus dieser Finanz- und Wirtschaftskrise, die ja fast 1929-Ausmaße angenommen hat, schwer genug sein, da rauszukommen. Und deshalb ist besonders wichtig, dass wir uns auf Innovationen, auf Bildung, Forschung, Technologie konzentrieren. Da dürfen wir jetzt um Gottes Willen nicht nachlassen. Deshalb, wenn ich das gleich am Anfang sagen darf, halte ich es auch für verheerend, dass Herr Steinbrück glaubt, die drei Milliarden, die vorgesehen sind für Forschung, verschieben zu können auf die Zeit nach der Bundestagswahl.
Liminski: Wir kommen gleich zu den Fragen der Forschungsausgaben. Zunächst mal die Frage: Wo stehen wir denn im internationalen Vergleich? Gibt es da überhaupt zuverlässige Vergleichskriterien?
Kinkel: Ja, die gibt es. Wir geben seit vier Jahren mit dem BDI einen vom DIW erarbeiteten Innovationsindikator raus, der inzwischen hohe Aufmerksamkeit, nicht nur bei uns, sondern durchaus auch in Europa und in der Welt erreicht. Danach stehen wir von den 17 führenden Industrienationen der Welt, nehmt alles nur in allem, auf Platz 8. Und nehmen Sie beispielsweise ein besonders wichtiges Thema, wo wir besonders schwach sind, Bildung, da sind wir von Platz 13 auf Platz 15 abgerutscht.
Liminski: Ist das nicht auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die man nicht nur der Wirtschaft oder einer oder ein paar Stiftungen überlassen kann?
Kinkel: Ja selbstverständlich, das ist eine Aufgabe, die natürlich den Staat zunächst mal betrifft, der das sehen muss, der Rahmenbedingungen setzen muss. Dann ist es eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft, der Wirtschaft, aller, die daran mitwirken und beitragen können, dass wir um Gottes Willen in unserer Innovationskraft wieder stärker werden. Sonst werden wir weiter zurückfallen.
Liminski: Um zu Ihrer Eingangsbemerkung zurückzukommen in Sachen Steinbrück: Der Staat tut nicht genug, die Investitionen in Wissen, also in Bildung, sind bescheiden im Vergleich zu anderen Ländern wie Finnland, Schweiz, Dänemark, Schweden, Japan, USA sowieso. Was sollte er denn mehr tun?
Kinkel: Na ja, also wir müssen zunächst mal weit mehr in Bildung investieren, Finanzmittel. Dann müssen wir unser gesamtes Bildungssystem versuchen zu reformieren. Das geht von der frühkindlichen Bildung in den Kindergärten bis rauf zu den Universitäten, wo wir eben einfach eine Fülle von Schwachstellen haben, die angegangen werden müssen, weil Bildung nun mal – gerade in der jetzigen Zeit und gerade für ein Land wie Deutschland – das absolute Megathema sein muss, in Koppelung mit Forschung natürlich, sonst werden wir keine große Technologie- und Wirtschaftsnation bleiben.
Liminski: Ein klassisches Innovationshindernis ist die Bürokratie. Da könnte man sich denken, das lässt sich doch sozusagen schnell beseitigen, dieses Hindernis. Der Bundespräsident hat dazu Stellung genommen. Europa hat jetzt sogar in der Person von Edmund Stoiber einen eigenen Beauftragten dafür. Kommt der Bürokratieabbau in Deutschland voran?
Kinkel: Eindeutig nein. Da ist irgendwo die normative Kraft des Faktischen zugange. Und ich weiß noch genau, wie ich als Staatssekretär im Bundesjustizministerium damals schon von Kohl den Auftrag hatte, mich da speziell drum zu kümmern. In Deutschland ein Gesetz oder eine Verordnung zu verhindern im Entstehen oder später abzubauen, ist wahnsinnig schwierig. Also wir sind überbürokratisiert, eins unser wesentlichen Hemmnisse.
Liminski: Welche Hindernisse haben wir denn noch, die Innovationsstau verursachen?
Kinkel: Ich sage nochmals Bildung, ganz an der Spitze. Wir geben zu wenig Mittel aus für Forschung, was wir natürlich dringend müssen als große Technologienation. Wir sind beispielsweise besonders schwach im Vergleich zu den anderen 16 führenden Industrienationen der Welt in der Frauenbeteiligung. Bei uns sitzt die Hälfte der Mannschaft sozusagen auf der Reservebank. Wir geben zu wenig aus an Mitteln, die gebraucht werden, damit die Wirtschaft anspringt, und zwar wir sind das Land, wo beispielsweise auch die steuerlichen Grundvoraussetzungen mit am schlechtesten sind. Die Unterstützung der Wirtschaft ist in den anderen gemessenen Ländern erheblich besser als bei uns. Und wir haben viel zu wenig – ich wiederhole es noch mal – Risikokapital. Und noch ein Punkt: Die mentale Verfasstheit der Deutschen in Bezug auf Innovation, auf Technik ist nicht so, wie sie sein müsste. Deshalb tun wir als Telekom-Stiftung auf dem Gebiet einiges, um zu helfen, durch Sponsern des Zukunftspreises beim Bundespräsidenten und beispielsweise durch den vorher erwähnten Innovationsindikator.
Liminski: Wir haben zu viele Bedenkenträger, wenn ich das richtig verstehe. Was tun Sie denn konkret, um diese Mentalitätsbarrieren abzubauen?
Kinkel: Na ja, da können wir als Stiftung natürlich nur begrenzt einwirken. Ich habe gerade zwei Beispiele genannt. Ein nächstes Beispiel ist, dass wir ganz massiv die Lindauer Nobelpreisträger-Konferenz unterstützen, die fast weggezogen worden wäre aus Deutschland, um eben Deutschland als attraktives Wissenschaftsland zu erhalten. Siehe letztes Jahr der Mathematik, wo wir mit Frau Schavans Ministerium und der Deutschen Mathematiker-Vereinigung Hauptmitveranstalter waren und Millionenbeträge eingebracht haben.
Liminski: Deutsche Maschinen sind aber immer noch Spitze und deutsche Tüftler auch, aber schon heute fehlen uns natürlich Ingenieure zu Zehntausenden. Wo sollen die herkommen, gehen uns die Innovationsreserven aus?
Kinkel: Ja, wir sind immer noch in einigen Gebieten besonders stark und Weltklasse im Maschinenbau, in der Elektroindustrie, in der Autoindustrie, in der Chemie. Aber man sieht natürlich jetzt auch in dieser Krise, dass es da mächtig hapert. Und man darf nicht vergessen – das sagt unser Innovationsindikator auch aus –, dass wir auf vielen Gebieten heute schon von den Errungenschaften der Vergangenheit eher leben und die modernen Technologien, nehmen Sie mal Automobilbereich, Hybrid, Batterie, dass wir da nicht genügend auf Zack sind und vielleicht zu viel versäumt haben. Und natürlich, wir haben zu wenig Ingenieure und Techniker. Und da setzen wir eben als Stiftung auch an, von der frühkindlichen Bildung bis rauf zu den Universitäten. Das Land der Dichter und Denker und das immer stark gewesene Land der Ingenieure muss das bleiben.
Liminski: Mal ganz konkret die Frage: Werden wir, also wird Deutschland im internationalen Vergleich in puncto Innovation abgehängt?
Kinkel: Wir sind mindestens auf einem abschüssigen Weg. Es hat die verschiedenen Gründe, die ich vorher angesprochen habe, da gibt es noch viel mehr, die können jetzt in der Kürze der Zeit nicht alle angesprochen werden. Ja, wir sind auf einem abschüssigen Weg, und wir müssen natürlich vor allem auch sehen, dass wir vorm asiatischen Zeitalter stehen, dass Länder wie China und Indien mächtig aufholen und Europa sowieso insgesamt seine Probleme haben wird auf diesem Gebiet. Und deshalb sind die Anstrengungen besonders notwendig.
Liminski: Forschen wir zu viel im Ausland, also ich meine jetzt die Privatunternehmen, weil uns die geeigneten Forscher hierzulande fehlen?
Kinkel: Nein, das hat die letzte Untersuchung ergeben. Es war für mich eigentlich erstaunlich, will ich deutlich sagen. Ich habe gedacht, nachdem wir sehr stark ins Ausland gehen wegen der hohen Lohnnebenkosten und so weiter, in vielen Bereichen, dass auch draußen jetzt mehr geforscht wird. Nein, die Forschung ist doch noch sehr, sehr stark, Gott sei Dank, auch bei den großen, forschungsstarken Unternehmen in Deutschland geblieben.
Liminski: Ich darf Ihnen mal ein Zitat von Professor Sinn, ifo-Institut, vorlesen, es lautet: "Die Alterung der deutschen Gesellschaft wird die Innovationskraft des Landes, von der seine internationale Wettbewerbsfähigkeit maßgeblich abhängt, weiter verringern. Deutschland hat im internationalen Vergleich immer noch eine sehr gute Position bei den Patentanmeldungen, doch ist das Wachstum der Zahl der Patentanmeldungen schon seit den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts weit hinter den USA zurückgeblieben." Zitat Ende. Sinn setzt hier die demografische Entwicklung in Funktion zur Innovation. Wird das in der deutschen Diskussion ausgeblendet?
Kinkel: Ich würde nicht sagen, dass es ausgeblendet wird, aber es wird zu schwach berücksichtigt. Übrigens, was Patentanmeldungen anbelangt, ich war ja früher als Justizminister dafür zuständig: Deutschland ist ein besonders patentaffines Land, Gott sei Dank, und wenn man die Weltpatentanmeldungen vergleicht, muss man ein bisschen an diese Affinitäten denken. Ein Land wie China hat eine schwächere Patentaffinität als wir. Und Herr Sinn liegt, glaube ich, nicht ganz richtig – Deutschland liegt, was Patentanmeldungen anbelangt, mit der Schweiz immer noch an der Weltspitze, also wir können uns da sehen lassen. Aber das ist nur ein Merkmal. Die demografische Entwicklung spielt ganz zweifellos eine Rolle, umso stärker müssen wir natürlich heute schon, ich sage nochmals, vom Kindergarten an aufbauen und eben die Kinder viel früher als bisher, schon ab dem dritten Lebensjahr, über Zahlen, Daten, Fakten unter anderem an Naturwissenschaften, Mathematik und eben frühe Bildung ranführen. Und wir müssen unser gesamtes Schulsystem verbessern, insbesondere auch unsere Lehrerausbildung. Das ist eine der zentralsten schwachen Stellschrauben in Deutschland.
Liminski: Die wenigeren Kinder müssen besser, sprich innovativer werden, würde ich das mal so übersetzen, um den Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit zu halten. Aber überfordern wir die Kinder nicht ein wenig, wenn wir sie im Kindergarten schon Chinesisch, Japanisch oder Arabisch lernen lassen?
Kinkel: Ich weiß, dass das natürlich eine nicht ganz einfache Frage ist. Chinesisch und Arabisch sollten wir sie vielleicht nicht lernen lassen, aber wenn man selber erlebt im Kindergarten – und das habe ich nun vielfach in den letzten fünf Jahren erlebt, ich wusste das vorher ja gar nicht, obwohl ich auch inzwischen fünf Enkel habe, die ich im Kindergarten miterlebt habe –, wenn man die Kinder im Kindergarten erlebt und sieht, wie sie über Experimentierkisten beispielsweise an Naturwissenschaften rangeführt werden können, wie sie ungeheuer lernbegierig sind, das ist etwas, wo wir als Stiftung sehr stark ansetzen. Nein, ich glaube nicht, dass wir sie da überfordern. Natürlich muss man aufpassen, dass man nicht zu viel verlangt und dass die ganzen Sozialkomponenten und alles andere, was notwendig ist, nicht zurückbleibt.