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Das Königreich der Kuba
Was Genetik über afrikanische Geschichte lehrt

In unserem Erbgut verbirgt sich auch unsere Geschichte. Das hat eine Studie der Genetikerin Lucy van Dorp vom University College London gezeigt. Ihre DNA-Analyse des Königreich der Kuba ergänzt das bislang nur mündlich überlieferte Wissen über einen innovativen vorkolonialen Staat in Afrika.

Von Ada von der Decken | 11.02.2019
    Eine Gen-Doppelhelix
    Das Erbgut als historisches Dokument (imago / Ikon Images)
    "Königreich der Kuba" - davon hat kaum jemand schon einmal gehört. Es ist im frühen 17. Jahrhundert entstanden, auf dem heutigen Gebiet der Demokratischen Republik Kongo. Auch der Genetikerin Lucy van Dorp vom University College London war dieser Teil afrikanischer Geschichte zunächst unbekannt. Dann befasste sie sich in einem Forschungsprojekt unter Mitwirkung von Ökonomen und Ethnologen mit dem Volk der Kuba - und seiner außergewöhnlich fortgeschrittenen Kultur und Geschichte.
    "Die Person, die das Kuba-Königreich gründete, war ein Mann namens Shyaam. Er wurde der erste Kuba-König. Er zog etwa 1625 in die betreffende Region in Zentralafrika. Den mündlichen Überlieferungen zufolge war er eine sehr schillernde Führungsfigur. Shyaam brachte neue Technologien und neue Materialien ins Kuba-Gebiet."
    Viele Merkmale moderner Staaten
    In der Region gab es bis dahin oberhalb des Dorfältesten keine gesellschaftliche Ordnung. Im Kuba-Königreich aber entstand ein Verbund verschiedener Volksgruppen mit einem fortschrittlichen politischen System, das bereits mit dem Römischen Reich unter Augustus oder dem antiken Ägypten verglichen wurde.
    Als die Belgier im späten 19. Jahrhundert im Zuge der Kolonialisierung Afrikas den Kuba begegneten, waren sie sich angesichts des Fortschritts und der Kunstfertigkeit sicher: Dieses Volk musste bereits im Kontakt mit westlicher Zivilisation gestanden haben. Doch weit gefehlt: Das Königreich der Kuba hatte sich völlig unabhängig entwickelt.
    "Das Kuba-Königreich hat viele Merkmale, die wir mit modernen Staaten verbinden. Völlig unabhängig entstand ein eigenes Rechtssystem, es gab Gerichtsprozesse, eine universales Besteuerung, die Versorgung mit öffentlichen Gütern. Und, besonders interessant: Es hatte eine Hauptstadt."
    Erbgut zeigt: Kuba vielfältig durchmischt
    Jede Generation hat die Kuba-typischen Handwerkstechniken und Traditionen an die nächste weitergegeben. Auch das Wissen um die Geschichte des Königsreichs ist über die Jahrhunderte von Generation zu Generation weiter erzählt worden. Doch die Feldzüge der Kolonialmächte und Kriege haben ihre Spuren hinterlassen: Das Kuba-Königreich existiert zwar noch, ist allerdings stark geschrumpft.
    Mit Erbgut-Analysen hat das Team um die Genetikerin Lucy van Dorp nun Belege für das erbracht, was über die Kuba bislang nur mündlich überliefert worden war: Die Forscher nahmen von knapp 700 Personen Speichelproben. Darunter hundert Menschen, die zum Volk der Kuba zählen, die anderen gehören ethnischen Gruppen aus der angrenzenden Region an.

    Die DNA-Analyse der Kuba zeige, dass ihre Vorfahren genetisch viel vielfältiger und durchmischter waren als jene der benachbarten Volksgruppen, sagt Lucy van Dorp. Zum einen seien bereits bei der Gründung Menschen unterschiedlicher Abstammung zusammengekommen und hätten sich in den darauffolgenden zehn Generationen weiter vermischt. Außerdem gebe es Muster in der DNA der Kuba, die deutliche Migrationsbewegungen zeigten.

    "Das Königreich der Kuba war ein Schmelztiegel für Gruppen verschiedener Abstammung – das zeigt die DNA. Diese Menschen mit unterschiedlichen Ideen und Werten zu einem Volk zu vereinen, das hat scheinbar sehr gut geklappt. Der Staat hat Migration, Zuzug und soziale Mobilität offenbar gefördert. Und das mündete in einem sehr innovativen und für seine Zeit sehr beeindruckenden Königreich."
    Portraitbild der Genetikerin Lucy van Dorp in privater Kleidung
    Die Genetikerin Lucy van Dorp erforscht das ERbgut eines vorkolonialen afrikanischen Staates (Deutschlandradio / Ada von der Decken)
    Genetiker lesen Verhaltensmuster der Ahnen ab
    Die Befunde der Genetiker decken sich mit Sagen und Mythen, die im Volk der Kuba bis heute mündlich tradiert werden. Den Überlieferungen zufolge hatte sich beispielsweise ein benachbartes Volk - die Lele - stets vom Kuba-Königreich ferngehalten. Die Lele lebten isoliert, es herrschte Polygamie. So wurde es berichtet. Diese Kultur zeigt sich heute im Erbgut: Es gibt keine genetische Vermischung zwischen dem Lele- und dem Kuba-Volk. Dass nur wenige Männer die Lele-Nachkömmlinge zeugten, lässt sich ebenfalls anhand der Gene nachvollziehen.
    Am Erbgut heute lebender Menschen können Genetiker also die sozialen und kulturellen Verhaltensmuster von deren Vorfahren ablesen. Die Forschung zum Kuba-Königreich zeigt, dass viele Kapitel der Menschheitsgeschichte mit Hilfe von Genetikern noch einmal neu geschrieben werden könnten.