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"Das Land muss durch ein tiefes Tal"

"Der Finanzsektor wird sich von dieser Krise nicht so schnell erholen", sagt Clemens Fuest, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Zypern müsse neue Industrien aufbauen und das sei "ein Prozess, der sehr lange dauert und sehr schwierig ist."

Clemens Fuest im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Jasper Barenberg: Am Telefon begrüße ich den Präsidenten des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung. Guten Morgen, Clemens Fuest!

    Clemens Fuest: Guten Morgen, Herr Barenberg.

    Barenberg: Was wird noch auf uns zukommen, hat da gerade jemand aus Zypern gefragt. Was kommt auf die Zyprer jetzt zu?

    Fuest: Ja schwierige Zeiten mit Sicherheit. Zypern ist ein Land, in dem neben dem Tourismus der Finanzsektor eine große Rolle spielt. Da gibt es viele Arbeitsplätze und viele dieser Arbeitsplätze werden jetzt gefährdet, sicherlich nicht nur in der Laiki-Bank, die jetzt schließen muss, sondern auch in anderen Banken, und insofern machen sich die Menschen da zurecht Sorgen.

    Barenberg: Wie schwer wird diese Rezession sein?

    Fuest: Das ist schwer absehbar. Aber sie wird wahrscheinlich sehr tief sein, denn ein Geschäftsmodell für ein ganzes Land zu ändern, ist ja sehr schwierig. Der Finanzsektor wird sich von dieser Krise nicht so schnell erholen. Die internationalen Investoren werden mit Sicherheit ihr Geld abziehen, sobald sie das können, oder das, was davon übrig ist, und damit werden viele Arbeitsplätze verloren gehen, und neue Industrien aufzubauen ist ein Prozess, der sehr lange dauert und sehr schwierig ist.

    Barenberg: Viel ist ja jetzt davon die Rede, dass Zypern auf die großen Gasvorkommen und Ölvorkommen setzen kann, die vor seiner Küste ausgemacht worden sind. Andere sagen, das wird aber noch Jahre dauern, bis die überhaupt gefördert und dann exportiert werden können. Wie schätzen Sie das ein? Kann man jetzt eine Zeit überbrücken, oder muss Zypern erst mal durch ein tiefes Tal gehen?


    Fuest: Ich fürchte, das Land muss durch ein tiefes Tal. Diese Gasvorkommen, die es da gibt, sind sicherlich eine Möglichkeit für die Zukunft, aber eine der Fragen, die sich ja stellt, ist, ob da überhaupt eine Gaspipeline gelegt werden kann. Es gibt da ja Schwierigkeiten mit der türkischen Regierung und das dauert einfach sehr lange, bis das Ganze erschlossen werden kann. Hinzu kommt ja: Man braucht ja zunächst mal Mittel, man braucht Geld, um zu investieren, und die Frage ist, welcher Investor ist jetzt bereit, in dieses Land zu gehen. Auch die Investoren werden sich zurückhalten, weil die Unsicherheit über die Lage einfach zu groß ist.

    Barenberg: EU-Kommissionschef Barroso hat gestern gesagt, wir werden den Zyprern helfen in dieser schwierigen Situation. Ist Zypern möglicherweise also bald wieder ein Fall für den Rettungsschirm ESM, wenn jetzt die Finanzgeschäfte als Pfeiler, als Eckpfeiler der Wirtschaft in Zypern wegfallen?

    Fuest: Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Hilfen für Zypern ausgeweitet werden müssen. Es ist schon sehr die Frage, ob die Staatsschulden, die übrig bleiben, nachdem diese Vereinbarung umgesetzt worden ist, ob die wirklich tragfähig sind, oder ob man nicht noch mal Schulden nachlassen muss. Ich könnte mir gut vorstellen, dass das der Fall ist und wirklich das Land noch mal Hilfen braucht.

    Barenberg: Wann, glauben Sie, sehen wir in dieser Frage klarer, ob es noch weitere Hilfen braucht?

    Fuest: Das wird dauern. Jetzt muss ja erst mal das, was beschlossen ist, umgesetzt werden, und danach, denke ich, wird es einige Zeit dauern, bis man erkennen kann, in welche Richtung die Wirtschaft geht. Ich könnte mir vorstellen, dass man vielleicht in einem halben Jahr da klarer sieht.

    Barenberg: Lassen Sie uns über das Krisenmanagement und auch über das Rettungspaket noch mal im Einzelnen reden. Wir haben darüber gesprochen: Die aufgeblähten Banken werden verkleinert werden müssen. Die Banken sollen schrumpfen, eine wird abgewickelt, eine zweite wird geschrumpft, zum Schaden von Aktionären, Gläubigern und reichen Kunden. Ist das das Beste gewesen, wie ja auch Herr Schäuble gesagt hat, was man in dieser Situation überhaupt tun konnte?

    Fuest: Ich fürchte, das ist das Beste gewesen. Es ist jedenfalls deutlich besser als der Plan, den man zuerst hatte. Der bestand ja darin, relativ willkürlich alle Bankkunden durch eine Steuer zu belasten und auch die Bankkunden mit Guthaben unter 100.000 Euro, also wenn man so will die Kleinsparer. Dieser Plan jetzt ist schmerzhaft, aber er ist unvermeidlich und respektiert immerhin die üblichen Regeln. Das ist eben so bei einer Insolvenz, dass erst die Eigentümer haften, dann die anderen Gläubiger, und dass die Kleinsparer geschützt sind durch das Einlagensicherungssystem, und an diese Reihenfolge muss man sich halten.

    Barenberg: Warum war das ein solcher Fehler, psychologisch zumindest, diese Signal, dass möglicherweise auch die ganz normalen Sparer zur Kasse gebeten werden können?

    Fuest: Ja das war ein schwerer Fehler, weil in der Finanzbranche Vertrauen besonders wichtig ist, und wenn die Menschen glauben, dass ihre Ersparnisse gefährdet sind, dann laufen sie eben alle zur Bank und wollen ihre Ersparnisse abziehen, und das ist einfach sehr gefährlich. Das Einlagensicherungssystem ist von fundamentaler Bedeutung für ein Finanzsystem und das muss auf jeden Fall erhalten bleiben.

    Barenberg: Bleibt aber jetzt nicht auf jeden Fall das Signal, dass die Finanzminister im Zweifel doch an die Gelder der Sparer rangehen, und sei es nur an die von Investoren, die ihr Geld in Banken investieren in ganz Europa und jetzt Sorgen haben müssen, sich Sorgen machen müssen, dass sie demnächst auch geschröpft werden?

    Fuest: Das Vertrauen ist bestimmt erschüttert, und zwar auch das Vertrauen der Kleinsparer. Wir sehen ja, dass man sich in Zypern nicht traut, die Banken zu öffnen, und das liegt eben daran, dass man zunächst mal versucht hat, an dieses Geld heranzukommen, den Einlagensicherungsfonds zu umgehen. Dieser Vertrauensschaden ist nicht so leicht gut zu machen. Dass die Großinvestoren sich Sorgen machen und jetzt ebenfalls damit rechnen, dass ihr Geld vielleicht verloren geht, wenn die Bank, in der sie angelegt haben, Schwierigkeiten hat, das ist unvermeidlich und es ist im Prinzip ja auch richtig, dass man sich genau überlegt, wo soll man sein Geld anlegen. Klar ist aber auch, dass das natürlich für die südeuropäischen Banken, also etwa Banken in Portugal oder Griechenland, durchaus zum Problem werden kann, wenn das Risikobewusstsein der Anleger jetzt noch mal steigt. Aber das ist eine unvermeidliche Sache, es kann nicht sein, dass diese Risiken immer auf den Steuerzahler abgewälzt werden.

    Barenberg: Darüber wurde ja vorher auch viel geredet. Jetzt hat der Chef der Euro-Gruppe, Dijsselbloem, sich ja in die Nesseln gesetzt mit der Ankündigung, das könnte ein Modell auch für andere Banken anderswo in der Euro-Zone sein, und ist jetzt wieder zurückgerudert. Wie lesen Sie diesen Rückzieher des Euro-Gruppenchefs?

    Fuest: Ja dieser Rückzieher zeigt einfach das Dilemma der Euro-Gruppe. Auf der einen Seite ist klar, dass die Steuerzahler in Europa nicht für alle faulen Kredite geradestehen können, für alle Probleme, die wir haben im Bankensystem. Insofern ist es richtig und unvermeidlich zu sagen, die großen Anleger zumindest werden auch woanders dort haften müssen, wo Banken zusammenbrechen. Aber auf der anderen Seite möchte man natürlich nicht das Vertrauen erschüttern. Man möchte nicht, dass die Investoren sich noch mehr zurückziehen aus Südeuropa. Ich fürchte, da gibt es keinen einfachen Weg zwischen diesen beiden Problemen. Letztlich ist es unvermeidlich zuzugeben, dass Bankguthaben eben auch woanders gefährdet sind, aber eben nur die Bankguthaben oberhalb der Einlagensicherungsfondsgrenze von 100.000 Euro.

    Barenberg: Sind Sie dem Finanzminister, sind Sie Wolfgang Schäuble umso dankbarer, dass er im Namen der Bundesregierung eine sehr harte Linie vertreten hat in dieser ganzen Aktion?

    Fuest: Ich denke, das ist eine wichtige Leistung der Bundesregierung, dass sie darauf bestanden hat, dass der private Sektor, dass die privaten Investoren zahlen und nicht schon wieder die Steuerzahler. Das war nicht einfach durchzusetzen und das ist in der Tat ein ganz wichtiger Schritt.

    Barenberg: Kein Hegemonialstreben?

    Fuest: Nein, das hat damit nichts zu tun. Das ist einfach der Schutz ja nicht nur der deutschen Steuerzahler, sondern aller Steuerzahler in Europa.

    Barenberg: Clemens Fuest, der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim, heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Herr Fuest, vielen Dank für das Gespräch.

    Fuest: Ich danke Ihnen!


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