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"Das Leben besteht nicht nur aus Politik"

Lediglich zwei Mal eine Woche Sommerurlaub gönnt sich der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach: damit der Berg auf dem Schreibtisch nach der Rückkehr nicht zu groß geworden ist. Um von der Arbeit nicht verschlungen zu werden, hat Bosbach ein einfaches Rezept.

Wolfgang Bosbach im Gespräch mit Dirk Müller |
    Dirk Müller: Auch Politiker brauchen mal Pause. Am vergangenen Freitag sind die Plenarsäle geschlossen worden, im Bundestag wie auch im Bundesrat. Die Abgeordneten gehen in die Sommerferien. Die Medien hingegen sind auch schon gleich mächtig nervös. Sie fürchten das berühmte Sommerloch. Über was sollen die Korrespondenten in der Hauptstadt denn jetzt berichten? Auch wir im Deutschlandfunk haben immer ein bisschen Gamaschen vor dieser Zeit. Doch was machen die Parlamentarier im Sommerloch? – Darüber wollen wir nun mit dem CDU-Politiker Wolfgang Bosbach sprechen. Er sitzt seit 1994 im Bundestag, sein Wahlkreis ist Bergisch Gladbach, ganz in der Nähe von Köln, ist im Nebenberuf Rechtsanwalt, hat im kommenden Jahr einen runden Geburtstag und zählt trotz seiner jungen Ausstrahlung zu den alten Hasen in der Bundespolitik. Wir erreichen ihn nun in einem Landhotel im nordrhein-westfälischen Langenfeld. Guten Morgen, Herr Bosbach.

    Wolfgang Bosbach: Guten Morgen, Herr Müller!

    Müller: Machen Sie schon Urlaub?

    Bosbach: Nein, noch nicht. Die Woche ist noch vollgepackt mit Terminen. Aber man sollte auch gar nicht den Eindruck erwecken, dass man jetzt selbst in der parlamentarischen Sommerpause 24 Stunden am Tag im Einsatz ist. Nächste Woche geht es in den Süden.

    Müller: Sie sagen ja, alle Fragen sind erlaubt. Sind Sie ein Junkie?

    Bosbach: Jein. Ich arbeite sehr, sehr gerne. Die Arbeit ist für mich mehr Vergnügen als Last. Das gilt jetzt nicht für jeden Tag, aber ich kenne keinen Tag, wo ich nicht gerne ins Büro gehe: entweder ins Parlamentsbüro, oder in das Wahlkreisbüro. Aber ich halte mich auch nicht für unersetzlich. Das heißt, die eine oder andere Pause muss schon sein.

    Müller: Sie haben ja immer viel gearbeitet. Das bestätigt jeder, der Sie aus Berlin und auch aus Bergisch Gladbach kennt. Auch auf Kosten der Gesundheit?

    Bosbach: Das weiß ich nicht. Mir geht es gesundheitlich nicht besonders gut, das ist kein Betriebsgeheimnis. Aber ich habe keine Beschwerden. Das heißt, wenn man mich fragt, wie geht's dir, dann sage ich, subjektiv gut, objektiv nicht ganz so gut, und solange ich das nicht merke, was ich als Krankheit diagnostiziert bekomme, arbeite ich auch im alten Rhythmus weiter. Ich glaube nicht, dass es mir besser gehen würde, wenn ich jetzt die Arbeit niederlegen würde.

    Müller: War Horst Seehofer da ein warnendes Beispiel?

    Bosbach: Ja. Ich glaube, er hat ja auch die notwendigen Konsequenzen gezogen. Wir haben ja beide die gleiche Grunderkrankung und bei ihm waren die Auswirkungen noch dramatischer als bei mir. Jedenfalls stelle ich bei ihm und bei mir Folgendes fest: Man nimmt nicht alles mehr so dramatisch, was man früher total ernst und wichtig genommen hat. Wenn man einmal eine solche Erkrankung hat, dann relativiert sich vieles.

    Müller: Aber die Opposition nehmen Sie noch ernst?

    Bosbach: Ja natürlich muss man die Opposition ernst nehmen. Sie ist Teil einer lebendigen Demokratie und deswegen freue ich mich auch auf die politische Auseinandersetzung in den nächsten Monaten.

    Müller: Aber Sie nehmen nicht mehr alles ernst, was die Regierung macht?

    Bosbach: Doch, das tue ich schon. Wir sind in einer Zeit – Sie haben es ja in der Moderation erwähnt -, 17 Jahre Deutscher Bundestag. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir mal Monate hatten, in denen in so kurzer Zeit so ungeheuer schwierige, aber auch wichtige Fragen zu entscheiden waren.

    Müller: Wie viele schlaflose Nächte waren dabei?

    Bosbach: Schlaflose Nächte Gott sei Dank keine, aber ich nehme schon das eine oder andere politische Problem mit ins Bett, was man nie tun sollte. Das heißt, vor dem Einschlafen immer noch mal ein bisschen was lesen, oder durchs Fernsehen zappen, da fallen einem automatisch schon die Augen zu.

    Müller: Das heißt, das ist Ihr Rezept, um abschalten zu können?

    Bosbach: Ja. Man sollte nicht sofort vom Schreibtisch aus aufstehen und dann nach Hause fahren und sich ins Bett legen. Sich zwischendurch noch was ablenken tut gut. Das Leben besteht nicht nur aus Politik.

    Müller: Jetzt haben Sie gesagt, diese Woche müssen Sie noch arbeiten, dann geht es in den Urlaub, dann geht es in den Süden. Wohin geht es denn?

    Bosbach: Dann geht es eine Woche nach Mallorca.

    Müller: Sie gönnen sich eine Woche?

    Bosbach: Genauer gesagt zwei Mal eine Woche. Ich fahre dann im August noch mal, und das reicht auch völlig. Zwei Wochen am Stück ist überhaupt nicht möglich, denn wenn man dann wiederkommt, ist der Berg auf dem Schreibtisch so groß, dass man ihn in kurzer Zeit überhaupt nicht mehr abarbeiten kann.

    Müller: Jetzt haben wir Sie, daran kann ich mich persönlich noch erinnern, vor einigen Jahren auch auf Mallorca erwischt, telefonisch natürlich, und wir haben gesagt, wir brauchen Sie morgen Früh, Wolfgang Bosbach, fürs Telefon-Interview. Da haben Sie gesagt, kein Problem. Das heißt, es gibt keine Pause?

    Bosbach: Ach ja, da darf man nicht übertreiben. Also natürlich bleibt das Handy an. Aber ich gehöre nicht zu denen, die auch noch Laptop mit in Urlaub nehmen und dann am Liegestuhl liegen, halb abgedunkelt, und dann von morgens bis abends auf dem Laptop herumhacken, oder auf dem iPad. Ich habe es vorhin schon mal gesagt: Johannes XXIII. hat gesagt, Giovanni, nimm dich nicht so wichtig, und das sollten sich manche Politiker auch sagen. Wir müssen nicht rund um die Uhr erreichbar sein und immer nur an Arbeit denken. Ich glaube auch, dass die Arbeit nicht besser wird, wenn man sich selber permanent unter Druck setzt. Man darf auch im Urlaub ruhig mal länger schlafen und die Füße hoch legen und am Strand spazieren gehen.

    Müller: Dann schlafen Sie länger auf Mallorca. Aber die FAZ ist dennoch auf dem Tisch?

    Bosbach: Ja klar! Morgens wird erst mal Zeitung gelesen. Man muss ja wissen, was es Neues gibt.

    Müller: Aber Sie haben das gesagt: Kein Laptop?

    Bosbach: Nein, nein! Das Handy reicht vollkommen und ansonsten sind die Büros ja auch besetzt. Wenn Not am Mann ist, dann kann man auch die notwendigen Entscheidungen treffen.

    Müller: Telefonieren Sie jeden Tag mit Ihren Mitarbeitern dann?

    Bosbach: Ja, doch. Das muss sein, denn die Parlamentsarbeit ruht. Also insofern eine gute Nachricht für die Hörerinnen und Hörer: Die Bevölkerung kann jetzt erst mal acht Wochen entspannen, der Deutsche Bundestag arbeitet nicht. Aber das gilt ja für die Parlamentsarbeit. Die Wahlkreisarbeit, die läuft ja ununterbrochen weiter und auch im Berliner Büro gehen ja jeden Tag Anfragen, Anregungen aus der Mitte der Bürgerschaft ein, und die kann man ja nicht liegen lassen, bis die acht Wochen Parlamentsferien vorbei sind.

    Müller: Wie groß ist denn generell, Herr Bosbach, der Anteil zwischen Wahlkreisarbeit und Parlamentsarbeit?

    Bosbach: In den etwa 20, 22 Sitzungswochen des Deutschen Bundestages hat natürlich die Arbeit in Berlin absoluten Vorrang. Für die übrigen Wochen gilt – das sage ich sicherlich für alle anderen Wahlkreisabgeordneten auch -, da hat der Wahlkreis Priorität, eben auch in den nächsten Wochen. Da heißt es eben, Kirmes statt Kanzlerin, oder Schützenfest statt Sachverständigenanhörungen. Vor mir ist kein Schützenfest hier im Bergischen Land sicher. Und wenn man fünfmal den Wahlkreis direkt gewonnen hat, dann hat man ja auch den Ehrgeiz, es das sechste Mal auch zu tun.

    Müller: Ist für Sie klar, Sie treten noch mal an?

    Bosbach: Wenn nichts Unvorhergesehenes dazwischen kommt, wenn der liebe Gott, die Familie und die CDU das so möchte, dann werde ich gerne noch mal kandidieren.

    Müller: Sie haben gesagt, die letzten Monate waren geprägt von großen richtungsweisenden politischen Entscheidungen. Waren das die anstrengendsten Monate von Ihnen in Berlin?

    Bosbach: Ja, denn die Entscheidungen, die wir dort zu treffen haben – nehmen Sie mal beispielhaft nur das Thema Energiewende, oder die Wende von der Wende und das Thema Rettungspakete für Griechenland -, das sind ja nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes historische Entscheidungen, weil sie von überragender Bedeutung für die Zukunft des Landes sind, sondern da geht es ja auch jeweils um milliardenschwere Entscheidungen, bei der Energie um Investitionsentscheidungen, die getroffen werden müssen, und solche Entscheidungen sind ausgesprochen schwierig, hoch umstritten in der Bevölkerung, das merkt man auch bei den Reaktionen aus dem Publikum, und diese Entscheidungen müssen sehr, sehr gründlich bedacht sein.

    Müller: Wann kommen Sie da in der Regel in Ihre Wohnung in Berlin zurück?

    Bosbach: Also ich habe mir einen eisernen Grundsatz gestellt: Niemals nach Mitternacht ins Bett gehen, wenn es sich nicht absolut vermeiden lässt. Das heißt, zehn, halb elf ist Schluss und dann wird noch eine Stunde Sport gemacht, gelesen oder Fernsehen geguckt und dann mache ich das Licht aus.

    Müller: Sport gemacht ist ein gutes Stichwort. Haben Sie auch Sport geguckt, Frauen-WM?

    Bosbach: Ich muss gestehen, dass ich in kompletter Länge nur das Spiel Deutschland gegen Frankreich gesehen habe, und gestern Abend hatte ich noch die Gelegenheit, das Elfmeterschießen zu sehen, Brasilien-USA.

    Müller: Japan haben Sie nicht gesehen, das 0:1?

    Bosbach: Nein, da war Kölner Lichter. Wir waren auf dem Schiff MS Rheinenergie und haben dann gemeinsam mit fast einer Million Menschen uns vom Schiff aus die Kölner Lichter angesehen.

    Müller: Waren Sie dann am Sonntag, als Sie es erfahren haben, ein bisschen enttäuscht, dass es nicht geklappt hat mit den deutschen Frauen?

    Bosbach: Ja, schon ein bisschen sehr enttäuscht. Sie haben ja zu Beginn darauf hingewiesen: Ich komme aus Bergisch Gladbach. Wenn ich mal so viel Werbung machen darf für meinen Verein: Die SSG 09 war ja mit der Damenabteilung neunmal deutscher Meister, dreimal Pokalsieger. Die beiden ersten Weltpokale hat die Vereinsmannschaft errungen im Trikot der deutschen Nationalmannschaft. Also zu meiner Sozialisation gehörte auch der Frauen-Fußball, weil ich auch damals im Präsidium des Vereins war. Ich habe also die Anfänge noch sehr gut miterlebt und deswegen fiebert man natürlich mit der Nationalmannschaft mit. Und jetzt sind wahrscheinlich viele schlaue Kommentatoren unterwegs, die uns genau erklären werden, woran es gelegen hat, zu lange Vorbereitung, zu großer Druck, der Ball war zu rund, der Rasen war zu grün. Jetzt wird man immer Erklärungen fürs Ausscheiden finden. Aber das tournier ist nicht zu Ende! Wir müssen jetzt gute Gastgeber sein, bis der Schiedsrichter das Endspiel abgepfiffen hat.

    Müller: So sieht das Sommerloch von Wolfgang Bosbach aus, CDU-Bundestagsabgeordneter. Vielen Dank für das Gespräch.

    Bosbach: Ich danke Ihnen, Herr Müller.

    Müller: Auf Wiederhören.

    Die Äußerungen unserer Gesprächspartner geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.