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Geschlossene Gesellschaft

Auch der Kampf gegen Spam scheint manchmal eine Sache Don Quijotes zu sein. Selbst mächtige Konzerne wie AOL oder Microsoft bekommen das Problem nicht wirklich in den Griff. Die wollen nun eine Absenderkennung einführen, ohne die der EMail-Verkehr in Zukunft schwer fallen soll. Doch fraglich ist, ob solche strukturellen Änderungen in einem offenen System wie dem Internet überhaupt funktionieren. Ein Luxemburgisches Unternehmen geht einen anderen Weg: Konsequente Kommunikationskontrolle ist der Kern von Spam-Kiss.

Von Thomas Kamp | 14.08.2004
    Das kleine Unternehmen Alwitra in Trier baut Flachdächer für die Welt. Für die Autostadt in Wolfsburg ebenso wie für die Nationalgalerie in Berlin oder ein Flughafen-Terminal in Singapur. E-Mails spielen für das Unternehmen in der Kommunikation mit Vertragspartnern, Auftraggebern oder Marketing-Agenturen eine wichtige Rolle. Und wie jede andere Firma auch hatte der Dächerproduzent in den letzten Monaten zunehmend unter der Flut von Spam-Mails zu leiden, den nutzlosen, ungewollten Nachrichten von unbekannten Absendern. Doch mit Anti-Spam-Programmen machte die Geschäftsleitung schlechte Erfahrungen. Entweder gelangten trotz Filter noch immer zu viele Spams in die elektronischen Posteingangsfächer des Unternehmens, oder aber wichtige Post wurde als Spam klassifiziert und verschwand. Und das nach Regeln, auf die man keinen Einfluss hatte.

    Durch Zufall stieß der Leiter der EDV-Abteilung auf Spamkiss, ein Anti-Spam-Programm einer Luxemburger IT-Beratung. Spamkiss sollte alles anders machen. Und aus purer Verzweiflung über die Spamflut probierte man Spamkiss aus. Dietmar Bleck, Marketing-Leiter bei Alwitra, gehört zu den Teilnehmern der ersten Stunde. Und er ist überrascht, zu was Spamkiss bei ihm und seinen Kollegen geführt hat.

    Man drückt öfters die Aktualisieren-Taste und denkt, dass kann doch nicht alles sein, dass Du jetzt irgendwie nur zwanzig E-Mails hast, es ist einfach ´ne riesen Erleichterung.

    Zwanzig Mails, mit ernstem Inhalt, statt sonst üblicherweise zweihundert unerwünschte elektronische Postwurfsendungen – das hat bei Dieter Bleck zu einer bedeutenden Entlastung und Ruhe in der Abteilung geführt. Zumal er sich nun sicher ist, dass auch alle wichtigen E-Mails sein Postfach sicher erreichen. Denn Spamkiss arbeitet nach einem völlig anderen Prinzip als andere Anti-Spam-Programme. Wie, das erläutert Helmut Haag von der Luxemburger IT-Beratung All About It.

    Die herkömmlichen Verfahren der Spamfilter arbeiten eben inhaltsbasierend und Spamkiss schaut nach, ob der Mailabsender auf der Kisslist eingetragen ist, eine Positivliste.

    Die beispielsweise aus den Adresslisten des Spamkiss-Anwenders automatisch erstellt werden kann. Nur, wer auf diesen Listen steht, wie etwa Kunden, Agenturen oder Zulieferer, deren Mails werden durch die Schutzmauer von Spamkiss geleitet. Für Firmenfremde bleibt somit der elektronische Postzugang verschlossen – der "Zutritt verboten”.

    Mögliche Neukunden können dennoch mit der Firma per Mail Kontakt aufnehmen. Allerdings müssen sie eine kleine Hürde überwinden. Wer unaufgefordert eine Mail schickt, erhält von Spamkiss eine automatische Antwort. Die da lautet: Man müsse sich ein so genanntes Token besorgen, via www.mytoken.com. Und dieses Kennwort einmalig in die Empfängeradresse vor dem Klammeraffen einfügen. Doch was ist das, ein Token? Helmut Haag:

    Ein Token ist ein Element, was in den Namensteil der E-Mail hineinkommt, eine Art Passwort oder Passphrase – und ich mach mal ein Beispiel: Donald.Dummy@
    Organisationsname.com, jetzt hätte der Donald Dummy noch ein Token "Buick” als Automarke definiert, dann würde dann die Adresse wie folgt aufgebaut sein – Donald.Dummybuick@organisationsname.com. Mit einer solchen gültigen Form würde das dann ermöglichen, dass die Adresse durchgeleitet wird.


    Wenn beispielsweise Dietmar Bleck mit demjenigen dennoch keine Mails austauschen möchte, kann er die unerwünschte Mailadresse per Knopfdruck auf eine Art "Schwarze Liste” setzen und damit sperren.

    Die Geschäftspartner des Trierer Flachdachunternehmens haben die Einführung von Spamkiss oft gar nicht mitbekommen. Und Dietmar Bleck ist sogar davon überzeugt, dass Spamkiss das Zeug dazu hat, das Verhalten im Umgang mit E-Mails nachhaltig zu verändern.

    Dass man nicht mehr alles annimmt und sich alles auf den Rechner schicken lässt, inklusive Viren und den ganzen Dreck, sondern dass man di e Leute definiert, mit denen man zusammenarbeitet, wie das ja auch im normalen Geschäftsablauf eigentlich normal ist. Wenn da jetzt jemand neues dazukommt, dann reißt man nicht erst alle Türen auf und sagt "Hurra”, sondern man guckt sich den an, und dann entscheidet man sich halt, ist das ein Geschäftspartner für uns oder nicht. Und das, was halt im normalen Geschäftsverlauf normal ist, das wird durch Spamkiss ins Internet, in den E-Mail-Verkehr übertragen.

    Für viele Unternehmen mit genau definierten E-Mail-Adressen dürfte Spamkiss dank seines ungewöhnlichen Konzepts geeignet sein, die Spamflut zu stoppen. Vertriebsabteilungen oder Bestellannahmen großer Versandhäuser sind jedoch darauf angewiesen, ihre elektronischen Tore weit geöffnet zu lassen. Das Einholen eines Tokens dürfte für so manchen ihrer Kunden eine zu große Hürde darstellen.