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Das Nein zum deutsch-polnisch-dänischen Korps

    Meurer: Jahrzehntelang war die Bundesrepublik Deutschland der treue Vorzeigeverbündete der USA. Jetzt reiben sich manche Deutsche die Augen, denn Washingtons Liebling sind jetzt andere. Polen hat an der Seite der Koalitionstruppen im Irak gekämpft und wird dafür auch belohnt: mit einem Kommando über eine der Besatzungszonen im Irak und damit verbunden mit einer kräftigen Aufwertung des internationalen Images des Landes. Dem polnischen Vorschlag, im Irak das deutsch-polnisch-dänische trinationale Korps einzusetzen, hat Berlin, die Bundesregierung gestern nun eine Absage erteilt. Am Abend traf sich dann Bundesverteidigungsminister Peter Struck in Kopenhagen mit seinem dänischen und mit seinem polnischen Amtskollegen. Ihn begrüße ich nun am Telefon. Guten Morgen Herr Struck!

    Struck: Guten Morgen Herr Meurer.

    Meurer: Es heißt nun, Herr Struck, Sie hätten in Kopenhagen gesagt, Sie hätten doch schon seit letztem Sonntag gewusst, dass die Polen diesen Vorschlag mit dem Drei-Länder-Korps machen würden. Warum haben Sie denn dann gesagt, Sie hätten nichts gewusst?

    Struck: Der Sachverhalt ist relativ kurz und klar zu beschreiben. Am Sonntagabend, als ich mich in Washington aufhielt, bin ich vom polnischen Verteidigungsminister um ein dringendes Gespräch gebeten worden, in dem er mir seine Vorstellungen bezüglich dieses trilateralen Korps im Irak vorgestellt hat, deshalb, weil er schon am gleichen Tag ein Interview mit einer Washingtoner Zeitung gemacht hat und wohl befürchtete, dass ich erst sehr ärgerlich reagieren würde, wenn ich in der Zeitung lese, was zum Beispiel auch deutsche Soldaten vielleicht im Irak machen sollen. Mir geht es jetzt aber gar nicht um die Frage, wann jemand damit in die Öffentlichkeit gegangen ist, ohne den dänischen Kollegen oder auch den deutschen Kollegen zu informieren, sondern mir geht es nur um die inhaltliche Frage, die wir gestern Abend dann auch entschieden haben.

    Meurer: Wenn ich Sie recht verstehe, bleiben Sie im Prinzip dabei: der polnische Verteidigungsminister ist erst an die Presse gegangen und hat dann erst Sie informiert?

    Struck: Ja. Ich denke schon, dass er nicht nur mich hätte informieren müssen, bevor er mit amerikanischen Journalisten darüber redet, sondern natürlich auch den dänischen Verteidigungsminister, denn schließlich handelt es sich um ein Korps und auch um einen Korps-Stab, also einen Führungsstab, in dem polnische, dänische und deutsche Offiziere sind.

    Meurer: Nun haben Sie ja gestern Abend in Kopenhagen mit dem polnischen Verteidigungsminister Szmajdzinski und mit Ihrem dänischen Kollegen gesprochen. Was hat Ihnen denn der polnische Kollege gestern Abend gesagt?

    Struck: Er hat versucht, uns zu erklären, wie diese öffentliche Situation zu Stande gekommen ist. Das haben wir dann aber relativ schnell abgehakt und wir haben dann über die inhaltliche Frage gesprochen. Inhaltliche Fragen richten sich natürlich auch daran aus, welche Fähigkeiten hat dieses deutsch-polnisch-dänische Korps. Wir haben in der NATO-Klassifikation bestimmte Bewertungen eines solchen Korps. Dieses gibt es noch nicht so lange. Es handelt sich um ein Korps, das noch nicht über alle Fähigkeiten verfügt, die man braucht, um beispielsweise eine solche Mission im Irak durchführen zu können.

    Meurer: Zum Beispiel welche Fähigkeiten fehlen noch?

    Struck: Es geht darum, dass man, wenn man eine Truppe von, wie der polnische Kollege sich vorstellt, mehr als 1500 Soldaten in dieser zumal sehr schwierigen Situation und Region des Nord-Irak einsetzen will, sämtliche logistischen Fähigkeiten haben muss, dass man auch entsprechende Pioniereinheiten dafür zur Verfügung stellen muss, dass die Kommunikation innerhalb dieses Korps zwischen allen Offizieren, aber dann natürlich auch zwischen den amerikanischen und möglicherweise auch noch britischen Truppen in dieser Region gewährleistet wird. Da ist also noch einiges zu leisten. Wir sind dabei, dieses Korps aufzubauen. Wir sind auch dabei mitzuhelfen, dass die Offiziere, vor allen Dingen auch die polnischen Offiziere mit bestimmten NATO-Regeln vertraut gemacht werden. Da fängt es an mit der englischen Sprachausbildung und hört dann auf mit den Kommunikationsmöglichkeiten.

    Meurer: Nur selbst wenn, Herr Struck, das alles in Ordnung wäre, würden Sie doch vermutlich trotzdem nein sagen zu dem polnischen Vorschlag?

    Struck: Ja. Mir geht es vor allen Dingen um die Frage: was passiert in den nächsten Monaten im Irak. Sie kennen die Position der Bundesregierung. Wir haben erklärt, dass für uns eine Verantwortung der Vereinten Nationen für den Aufbauprozess im Irak sehr wichtig ist. Eine solche Resolution des Sicherheitsrates gibt es noch nicht. Unabhängig davon entscheidet natürlich jedes Land und damit auch die Bundesrepublik Deutschland national souverän, ob und in welcher Weise es sich am Aufbau des Irak beteiligt.

    Meurer: Das heißt, Herr Struck, wenn es ein Mandat der UNO gäbe, könnte das Drei-Länder-Korps noch mal ins Spiel kommen?

    Struck: Nein. Ich denke nicht, dass dieses Korps ins Spiel kommt, sondern da wird man über andere militärische Einheiten nachdenken, wenn überhaupt noch zusätzliches Militär gegenüber den amerikanischen oder auch britischen Truppen gebraucht wird. Wir haben gestern Abend vereinbart, dass die dänischen und auch die deutschen Soldaten für den Fall, dass Polen einige Offiziere oder auch Unteroffiziere aus dem Stab dieses Korps, das jetzt in Stettin stationiert ist, in den Irak entsenden will, um dort mit polnischen Truppen Aufgaben zu übernehmen, diese Lücke auffüllen werden. Sowohl der dänische Kollege als auch ich haben gesagt, dass wir dieses Korps dort nicht einsetzen wollen, also unsere Soldaten, die in diesem Korps-Stab sind. Der polnische Kollege Szmajdzinski wird sich jetzt überlegen, ob er aus diesem Stab in Stettin einige Soldaten in den Irak entsendet oder ob er es mit anderen Kräften macht.

    Meurer: Und haben Sie den Eindruck, dass die polnische Armee im Stande ist, die Aufgabe zu leisten, im Irak eine ganze Besatzungszone zu kontrollieren?

    Struck: Ich gehe davon aus, dass die Einschätzung, die der polnische Verteidigungsminister dazu gegeben hat, zutrifft. Ich will mich nicht über die Qualität von NATO-Staaten äußern. Der polnische Kollege hat intensiv ja auch mit dem amerikanischen Verteidigungsminister darüber gesprochen. Für uns war nur entscheidend, dass wir gestern Abend eine Klarstellung herbeigeführt haben: dieses deutsch-dänisch-polnische Korps in seiner Gesamtheit wird nicht im Irak tätig werden, sondern eventuell polnische Soldaten aus diesem Korps.

    Meurer: Halten Sie es für möglich, dass bei einem UNO-Mandat die NATO mit einer Truppe in den Irak gehen könnte und dann auch mit deutscher Beteiligung?

    Struck: Das wird alles zu prüfen sein. Ich denke, wenn die Vereinten Nationen das große und starke militärische Bündnis NATO in irgendeiner Weise um auch militärischen Schutz für Aufbauhilfe im Irak bitten, dass die NATO darüber positiv entscheiden wird. Wenn die Bitte an die NATO herangetragen wird, werden wir uns natürlich auch ebenso wie Frankreich und Spanien sowie viele andere Länder und Großbritannien an der Prüfung der Frage beteiligen, wer kann welche Fähigkeiten zur Verfügung stellen. Im Augenblick sieht es noch nicht so aus, als werde die NATO dort gebeten. Ich kann das auch nicht einschätzen, in wie vielen Wochen oder Monaten das der Fall sein könnte.

    Meurer: Das war Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk. - Herr Struck, besten Dank und auf Wiederhören!

    Link: Interview als RealAudio