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"Das Papier ist gut"

Der FDP-Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff stellt sich hinter die Überlegungen Wolfgang Gerhardts zur Außendarstellung der Partei. "Das Papier ist in Ordnung. Das Papier ist gut. Ich sehe darin keinen Angriff auf irgendjemanden", sagte Graf Lambsdorff.

Moderation: Bettina Klein | 04.01.2008
    Bettina Klein: Erfahrungsgemäß hat, wer es in Iowa schafft, gute Karten, am Ende tatsächlich in dem Kampf ums Weiße Haus im Herbst zu ziehen. Doch wie ist das in diesem Jahr, in dem alles so offen ist wie nie zuvor in den vergangenen Jahrzehnten? Ein Blick auf die Stimmung in Amerika, das ist ein Thema im Gespräch mit dem Ehrenvorsitzenden der FDP, Otto Graf Lambsdorff. Ich grüße Sie, Herr Lambsdorff! Guten Morgen!

    Otto Graf Lambsdorff: Guten Morgen, Frau Klein!

    Klein: Sie gelten als amerikaerfahren, als einer der Transatlantiker in der Politik, von denen es vielleicht nicht mehr so viele gibt. Was sagen Sie zu dieser ersten Entscheidung heute Nacht in Iowa?

    Lambsdorff: Ich bin beeindruckt von dem Ergebnis, das Barack Obama in Iowa erzielt hat. Ich hatte zwar im Stillen damit gerechnet, dass er besser sein könnte bei dieser Vorwahl als Hillary Clinton. Aber dass es so deutlich werden wird, das war mir nicht klar. Auf der republikanischen Seite bin ich nicht überrascht, dass das Durcheinander und die Unklarheit sich fortsetzt. Erste Kandidaten scheiden aus, Joe Biden zum Beispiel. Aber es bleiben zu viele Namen, und New Hampshire wird vielleicht eine weitere Vorentscheidung bringen. Ob John McCain weitermachen kann und wirklich erfolgreich, aussichtsreich ins Rennen gehen kann, wird sich in New Hampshire klarer zeigen als in Iowa.

    Klein: Haben Sie einen Wunschkandidaten?

    Lambsdorff: Frau Klein, Wunschkandidaten, ich bin ja zum Glück nicht deutscher Bundeskanzler oder Bundeskanzlerin. Sind wir auch alle mal schlecht beraten, wenn wir so was genannt haben und hinterher kam ein anderer. Dann gab es großen Ärger. Ich erinnere an die Bevorzugung von Gerald Ford durch Helmut Schmidt, und dann wurde Herr Carter gewählt. Das hat die Beziehungen mit Jimmy Carter nicht verbessert für die vier Jahre seiner Präsidentschaft. Aber, wie gesagt, ich bin nicht deutscher Bundeskanzler.

    Klein: Und deswegen können Sie eigentlich eine Meinung abgeben jetzt.

    Lambsdorff: Eine sehr theoretische Meinung. Für mich wäre es ein Traumpaar, wenn John McCain Nummer eins und Barack Obama Nummer zwei als Vizepräsident auf dem Ticket erschienen. Das geht natürlich nicht. Und wir müssen auch im Übrigen überlegen, das wird wenig erwähnt bisher, dass der Bürgermeister von New York, Michael Romney der aus der republikanischen Partei kürzlich ausgetreten ist ...

    Klein: Bloomberg meinen Sie?

    Lambsdorff: ... unabhängig noch ins Rennen gehen kann. Der Mann hat ungeheuer viel Geld und ist ein begabter Politiker und hält sich alle seine Optionen offen.

    Klein: Wie sehen Sie das? Barack Obama erntet im Moment wahre Begeisterungsstürme, zumindest auf Seiten der Demokraten. Vor etwa einem Jahr haben wir gefragt, ist dieses Land, sind die Vereinigten Staaten von Amerika reif für eine Frau wie Hillary Clinton im Amt des Präsidenten oder der Präsidentin? Jetzt muss man vielleicht fragen, ist das Land reif für einen Mann wie Barack Obama? Kann er die Herzen aller Amerikaner gewinnen? Wie sehen Sie das?

    Lambsdorff: Das sieht jedenfalls ein wenig so aus. Ich will da kein vorschnelles Urteil fällen. Man muss das abwarten. Aber beides wäre ja erstmalig, sowohl eine Frau im Weißen Haus wie ein Schwarzer im Weißen Haus. Das hat es noch nie gegeben. Bloß ob die Amerikaner so weit sind, das kann ich nicht vorhersagen. Ich weiß es nicht. Aber Obama hat jedenfalls eines geschafft, er hat Vertrauen geschaffen für sich. Er hat Zutrauen gewonnen. Er gibt den Leuten den Eindruck, dass er ein ehrlicher, charaktervoller Kandidat ist. Und Hillary Clinton führt alle ihre Erfahrung, die sie in vielen Jahren gesammelt hat, ins Gefecht. Aber die Leute trauen ihr nicht so ganz. Eine Mehrheit meiner amerikanischen Freunde aus der demokratischen Seite haben mir in den letzten Wochen und Monaten gesagt: Ich mache Wahlkampf für Barack Obama. Das ist derjenige, auf den wir setzen.

    Klein: Graf Lambsdorff, lassen Sie uns kommen vom Vorwahlkampf jenseits des Atlantiks zu den bevorstehenden Landtagswahlen in Deutschland, die man wohl auch vor Augen haben muss, wenn man sich die Entscheidung des früheren FDP-Vorsitzenden Wolfgang Gerhardt anschaut, der mit einem eigenen Grundsatzpapier, müssen wir es wohl nennen, an die Öffentlichkeit gegangen ist und das nicht nur in einem Landtagswahlkampf oder Landtagswahlkämpfen, sondern auch kurz vor dem traditionellen Drei-Königs-Treffen der FDP. War das ein Vorstoß, der notwendig gewesen ist aus Ihrer Sicht?

    Lambsdorff: Ob der Zeitpunkt notwendig ist, darüber kann man streiten. Wolfgang Gerhardt hatte mir sein Papier vor etwa 10 bis 14 Tagen geschickt. Ich habe es gelesen. Ich habe ihm geschrieben und habe ihm gesagt, ich habe mit dem Inhalt überhaupt keine Probleme. Ich finde das Papier gut. Ich wundere mich nur, aber das liegt an der nachrichtenarmen Zeit, was jedenfalls deutsche Politik anbelangt vor dem Drei-Königs-Treffen, ich wundere mich nur, was die Medien alles da hinein interpretiert haben: Ein Angriff auf Herrn Westerwelle, ein Angriff auf die Parteiführung in toto, eine völlig neue Positionierung, das stimmt ja alles nicht. Die haben entweder das Papier nicht gelesen oder, wie ich schon sagte, sie nutzen eben mal wieder die Zeit bis zum 6. Januar, um ein paar Schlagzeilen zu produzieren. Sehr seriös finde ich das Ganze nicht.

    Das Papier ist in Ordnung. Das Papier ist gut. Ich sehe darin keinen Angriff auf irgendjemanden. Dass es ein Thema in der FDP gibt der Selbstdarstellung, wie kommen wir rüber als größte Oppositionspartei mit unseren Positionen, das ist überhaupt nicht neu. Das hat es immer schon gegeben, und das verstärkt sich jetzt auch noch einmal wieder, und das hat auch ein wenig damit zu tun. Aber auch diese Aufforderung ist nicht neu, die Bitte und die Aufforderung an Guido Westerwelle zu richten, es müssen ein paar mehr von den Jüngeren auch nach vorne ins Rampenlicht kommen, auch sichtbar werden. Die Partei muss vielleicht auf etwas breiteren Schultern Wahlkämpfe führen.

    Klein: Aber, Graf Lambsdorff, so einig scheinen sich ja Westerwelle und Gerhardt nicht zu sein, wenn der amtierende FDP-Vorsitzende sich bemüßigt fühlt, zumindest zurückzuweisen, es würde eine One-Man-Show geben in der Partei und auch zu sagen, er sieht eigentlich keinen Anlass, einen Kurs zu ändern. Wirklich abgesprochen gewesen kann das ja nicht gewesen sein mit ihm.

    Lambsdorff: Nein, ich rede ja nicht von abgesprochen. Das habe ich auch nicht gesagt.

    Klein: Weshalb muss ein ehemaliger Parteivorsitzender dann einen Vorstoß wagen? Wolfgang Gerhardt ist ein Politik- und Medienprofi. Er wird die Wirkung ja mit einkalkuliert haben, die das jetzt hat Anfang Januar?

    Lambsdorff: Ich glaube nicht, dass er diese Wirkung einkalkuliert hat. Aber wenn Sie ihn selber fragen, wahrscheinlich wird er es dann aber nicht bestätigen. Da müssen Sie ihn selber fragen. Das scheint mir alles ein bisschen sehr weit, wie ich gesagt habe, interpretiert zu sein. Aber wollen wir mal auch nichts Unredliches und Unehrliches erzählen. Warum sollen nun Westerwelle und Gerhardt, die jahrelang zwar zusammen gearbeitet haben, aber auch verschiedene Positionen eingenommen haben, von denen der eine dem anderen wieder am Ende abtreten musste, sollen die nun plötzlich herzliche, persönliche, intime Freunde geworden sein? Wie denn? Politik ist ein hartes Geschäft.

    Aber das Wesentliche dabei ist, dass es darum geht, der Partei eine bessere Ausgangsposition für die Landtagswahlen zu schaffen, erstrecht für die Bundestagswahl. Und da werden Sie sehen, werden beide am gleichen Strang ziehen. Wolfgang Gerhardt hat angekündigt, er wolle wieder kandidieren für den Bundestag. Das finde ich gut, auch aus der Sicht der Friedrich-Naumann-Stiftung. Ich bin ja als Vorsitzender der Naumann-Stiftung auch noch zeitweilig im Bundestag gewesen. Das tat der Stiftung gut. Also ist das eine richtige Entscheidung von Wolfgang Gerhardt, aber die begrenzt sie natürlich auch innerhalb der Partei. Denn das Stiftungsgesetz schreibt uns vor, dass Funktionsträger der Partei nicht Vorstandsmitglieder der Stiftung sein dürfen.

    Klein: Aber Graf Lambsdorff, sehen Sie Korrekturbedarf am derzeitigen Kurs der FDP oder nicht?

    Lambsdorff: Inhaltlich nein.

    Klein: Dann ist ja wirklich die Frage: Weshalb musste dieses Papier von Gerhardt dann sein, wenn eigentlich alles in Ordnung ist?

    Lambsdorff: Nein, weil es durchaus richtig ist und vielleicht sogar auch notwendig ist, noch einmal zu betonen, wo die bildungspolitischen, und Bildung spielt eine ganz entscheidende Rolle für die zukünftige, auch wirtschaftliche und Arbeitsmarktentwicklung, Vorstellungen der FDP liegen. Das ist Wolfgang Gerhardt als erfahrener Bildungs- und Wissenschaftspolitiker, er hat dieses Amt immerhin vier Jahre in der hessischen Landesregierung mal bekleidet, der richtige Mann, das zu formulieren. Das ist interessant zu lesen und in weitesten Teilen zustimmungsfähig.

    Klein: Die Einschätzung von Otto Graf Lambsdorff, Ehrenvorsitzender der FDP. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Lambsdorff.

    Lambsdorff: Wiederhören.