Heinemann: Am Telefon ist Alexander Bonde von Bündnis 90/Die Grünen, stellvertretender Vorsitzender der Parlamentariergruppe USA des Deutschen Bundestages. Guten Tag.
Alexander Bonde: Schönen guten Tag, Herr Heinemann!
Heinemann: Herr Bonde, wofür wird Obama bestraft?
Bonde: Das ist eine schwierige Frage, weil die Stimmungslage in den USA sehr, sehr unterschiedlich ist. Aber was sicherlich am meisten zu der heutigen Niederlage der Demokraten beiträgt, ist eine große Ernüchterung der Bevölkerung, dass man nicht so aus der Krise rausgekommen ist, wie man sich das gewünscht hat, und viele kreiden dem Präsidenten an, dass sozusagen die sehr motivierenden Ansprachen seiner Wahl damals jetzt doch im Klein-Klein des Tagesgeschäfts untergehen. Insofern konnte er da nicht alle Erwartungen erfüllen, und das trägt sicherlich dazu bei, dass die Stimmungslage sich jetzt eher auf die Seite der Republikaner schlägt.
Heinemann: Was hat Obama falsch gemacht?
Bonde: Das ist die eigentlich spannende Frage: Hat er überhaupt was falsch gemacht? Er hat an vielen Stellen ja angefangen, seine Wahlversprechen umzusetzen, wobei man schon sehr deutlich merkt, das politische Leben in den USA ist einfach komplizierter als "yes we can", und er hat sich da in viele Kompromisse reinverhandeln lassen müssen, beispielsweise bei der Gesundheitsreform, die an sich eigentlich ein großer Erfolg ist, die jetzt aber mit vielen Kompromissen gemacht wurde, sodass selbst viele derjenigen, die davon profitieren, im Moment es eher für ein negatives Gesetz halten. Insofern konnte er da, glaube ich, nicht alles ausspielen, was er im Wahlkampf relativ einfach sympathisch herüberbringen konnte, sondern er wird jetzt für viele kleine Dinge und Kompromisse mit verantwortlich gemacht.
Heinemann: Und wegen dieser Kompromisse vollzog sich Obamas Abstieg so schnell?
Bonde: Es trägt sicherlich zusätzlich dazu bei, dass eine ganze Reihe von republikanischen Milieus stärker geworden sind, das Aufkommen der Tea Party, ein sehr radikaler Diskurs, der sich sehr stark gegen den Staat wendet, während gleichzeitig Obama-Wähler wie junge oder klassisch demokratische Milieus im öffentlichen Diskurs auf einmal nicht mehr so eine Rolle spielen, eher demotiviert sind, was die Wahl angeht, und da konnte der Präsident interessanterweise trotz seiner sehr starken Öffentlichkeitswirksamkeit in den letzten zwei Jahren im öffentlichen Diskurs nicht mithalten und nicht verhindern, dass sich da an vielen Stellen auch die Stimmungslage verändert hat.
Heinemann: Warum nicht?
Bonde: Das ist die eigentlich interessante Frage, die sich auch viele Demokraten drüben stellen. Er hat da sicherlich etwas an Wirksamkeit eingebüßt und war dann doch auch sehr konzentriert auf die Arbeit innerhalb der Administration, hatte eine ganze Reihe auch von personellen Veränderungen in seinem direkten Umfeld, und zum Schluss ist es, glaube ich, wirklich die Wirtschaftsfrage. Da hat er keinen Weg gefunden, die vielen Menschen, die direkt betroffen sind von Hausversteigerungen, von Job-Verlust und Ähnlichem, da wirklich mitzunehmen. Da war einfach bei vielen die Illusion da, man käme schneller aus der Krise heraus, und das wird jetzt bei den Verantwortlichen, also beim Präsidenten und der Mehrheit im Parlament, offensichtlich abgeladen, jenseits der Frage, dass vieles, was da kritisiert wird, zum Teil auch vom Vorgänger stammt. Beispielsweise wird ihm stark angekreidet das Bankenrettungspaket TARP, was aber noch von Vorgänger Bush tatsächlich in Gang gesetzt worden war.
Heinemann: Herr Bonde, die Tea-Party-Bewegung hat diese Wahl aus europäischer Sicht jedenfalls mit abenteuerlichen Ideen und schillerndem, weil augenscheinlich wenig qualifiziertem Personal beeinflusst. Was sagt der Erfolg der Tea-Leute aus über den Zustand der Vereinigten Staaten von Amerika?
Bonde: Nun haben sie in den USA ja immer schon ein sehr breites politisches Feld gehabt, auch immer schon mit Ausläufern auf der rechten Seite, die für europäische Verhältnisse schwer zu begreifen sind, wobei die Tea-Party da schon auch noch mal eine neue Qualität hat. Als ich drüben war vor zweieinhalb Wochen, hat ein republikanischer Wahlstratege mal für mich sehr gut zusammengefasst: Das ist im Grunde ein Aufstand frustrierter Amateure, die mit einem starken Impuls gegen staatliche Organisationen sagen nach der Krise, lasst uns einfach in Ruhe, entscheidet nicht so viele Dinge staatlich. Das ist eine sehr schwer lesbare und ja auch nicht wirklich geführte oder klar auf ein Thema ausgerichtete Bewegung, das ist einfach eine rechte Bewegung, die sich dafür einsetzt, im Grunde in Ruhe gelassen zu werden, und denen da oben mal zu zeigen, dass wir da unten alle irgendwie eine bessere Idee haben und nicht von Washington aus regiert werden wollen. Das ist eine interessante Mischung aus unterschiedlichsten, ja zum Teil Abgründen und Bauchgefühlen, die sich da zusammenmischt.
Heinemann: Wird sich Obama diesem Druck denn entziehen können? Oder anders gefragt: Erwarten Sie einen Rechtsruck?
Bonde: Das hängt sehr davon ab, wie das Ergebnis jetzt in welchen Wahlkreisen tatsächlich durchschlägt, wobei es zu befürchten ist, dass es sowohl die republikanische Seite stärker in eine populistische Ecke drückt, wie auch die demokratische Seite auch nicht einfacher macht, weil gerade die Kolleginnen und Kollegen, die dort mit wackeligen Sitzen sind, eher der moderate oder in der politischen Mitte angesiedelte Teil der Demokraten ist. Der Präsident wird natürlich auf eine neue Mehrheit im Parlament reagieren müssen und entsprechend schauen, wie er da noch Mehrheiten für seine Projekte findet. Ich gehe davon aus, dass er da einen ähnlichen Weg wählen wird, wie damals Bill Clinton es getan hat nach seiner Niederlage in den Zwischenwahlen, und er wird da sehr viel stärker moderat auftreten müssen, Angebote an die Republikaner machen müssen, was aber nicht einfach wird bei dem, was da an Personal reinkommen kann.
Heinemann: Wir reden nicht über irgendeine Bananenrepublik, sondern die Vereinigten Staaten von Amerika. Hans-Ulrich Klose von der SPD hält jeden Abgesang auf die USA für verfrüht. Der Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit sagte heute früh im Deutschlandfunk:
O-Ton Hans-Ulrich Klose: Ich glaube, dass die Amerikaner noch lange Zeit die beherrschende Macht der Welt sein werden. Sie werden es mit Sicherheit militärisch sein, aber auch ökonomisch brauchen die Chinesen und andere noch sehr, sehr lange, um an das amerikanische Niveau heranzukommen.
Heinemann: Alexander Bonde, teilen Sie Hans-Ulrich Kloses Einschätzung?
Bonde: Ich glaube auch, dass die USA weiterhin ein sehr bestimmender Akteur in der internationalen Politik sein wird, und gerade an vielen wichtigen Zukunftsfragen werden wir Europäer gemeinsam mit den Amerikanern vorgehen müssen, also sowohl die Frage Klimaschutz wie eine Frage, wie wir eigentlich unsere Wirtschaft gemeinsam auf neue und nachhaltig wirksame Füße stellen. Das werden alles Projekte sein, die nur gemeinsam mit den USA umsetzbar sein werden. Und insofern: ich glaube nicht, dass es Zeitpunkt ist, jetzt sozusagen auf einen Abgesang zu gehen, sondern ich glaube, jetzt geht es darum, eine neue Situation, in der die Welt ist, gemeinsam mit den Amerikanern wie den anderen großen Nationen dieser Erde zu gestalten.
Heinemann: Sie betonen das Gemeinsame. Das heißt, Sie rechnen nicht damit, dass die amerikanische Wirtschaftspolitik protektionistischer werden wird?
Bonde: Da gibt es Anzeichen für, aber die sind jetzt gar nicht so sehr parteipolitisch verortbar in den USA. Sie haben sowohl auf der demokratischen, wie auf der republikanischen Seite starke protektionistische Tendenzen. Das ist sicherlich nicht einfach in den nächsten Jahren, da was hinzubekommen, auch in der Frage Klimaschutz wird es mit einer republikanischen Mehrheit im amerikanischen Parlament noch wesentlich schwieriger, da gemeinsam was hinzukriegen. Ich sehe nur nicht, dass wir eine Alternative dazu haben, es gemeinsam zu lösen.
Heinemann: Alexander Bonde von Bündnis 90/Die Grünen, der stellvertretende Vorsitzende der Parlamentariergruppe USA des Deutschen Bundestages. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Bonde: Herzlichen Dank!
Alexander Bonde: Schönen guten Tag, Herr Heinemann!
Heinemann: Herr Bonde, wofür wird Obama bestraft?
Bonde: Das ist eine schwierige Frage, weil die Stimmungslage in den USA sehr, sehr unterschiedlich ist. Aber was sicherlich am meisten zu der heutigen Niederlage der Demokraten beiträgt, ist eine große Ernüchterung der Bevölkerung, dass man nicht so aus der Krise rausgekommen ist, wie man sich das gewünscht hat, und viele kreiden dem Präsidenten an, dass sozusagen die sehr motivierenden Ansprachen seiner Wahl damals jetzt doch im Klein-Klein des Tagesgeschäfts untergehen. Insofern konnte er da nicht alle Erwartungen erfüllen, und das trägt sicherlich dazu bei, dass die Stimmungslage sich jetzt eher auf die Seite der Republikaner schlägt.
Heinemann: Was hat Obama falsch gemacht?
Bonde: Das ist die eigentlich spannende Frage: Hat er überhaupt was falsch gemacht? Er hat an vielen Stellen ja angefangen, seine Wahlversprechen umzusetzen, wobei man schon sehr deutlich merkt, das politische Leben in den USA ist einfach komplizierter als "yes we can", und er hat sich da in viele Kompromisse reinverhandeln lassen müssen, beispielsweise bei der Gesundheitsreform, die an sich eigentlich ein großer Erfolg ist, die jetzt aber mit vielen Kompromissen gemacht wurde, sodass selbst viele derjenigen, die davon profitieren, im Moment es eher für ein negatives Gesetz halten. Insofern konnte er da, glaube ich, nicht alles ausspielen, was er im Wahlkampf relativ einfach sympathisch herüberbringen konnte, sondern er wird jetzt für viele kleine Dinge und Kompromisse mit verantwortlich gemacht.
Heinemann: Und wegen dieser Kompromisse vollzog sich Obamas Abstieg so schnell?
Bonde: Es trägt sicherlich zusätzlich dazu bei, dass eine ganze Reihe von republikanischen Milieus stärker geworden sind, das Aufkommen der Tea Party, ein sehr radikaler Diskurs, der sich sehr stark gegen den Staat wendet, während gleichzeitig Obama-Wähler wie junge oder klassisch demokratische Milieus im öffentlichen Diskurs auf einmal nicht mehr so eine Rolle spielen, eher demotiviert sind, was die Wahl angeht, und da konnte der Präsident interessanterweise trotz seiner sehr starken Öffentlichkeitswirksamkeit in den letzten zwei Jahren im öffentlichen Diskurs nicht mithalten und nicht verhindern, dass sich da an vielen Stellen auch die Stimmungslage verändert hat.
Heinemann: Warum nicht?
Bonde: Das ist die eigentlich interessante Frage, die sich auch viele Demokraten drüben stellen. Er hat da sicherlich etwas an Wirksamkeit eingebüßt und war dann doch auch sehr konzentriert auf die Arbeit innerhalb der Administration, hatte eine ganze Reihe auch von personellen Veränderungen in seinem direkten Umfeld, und zum Schluss ist es, glaube ich, wirklich die Wirtschaftsfrage. Da hat er keinen Weg gefunden, die vielen Menschen, die direkt betroffen sind von Hausversteigerungen, von Job-Verlust und Ähnlichem, da wirklich mitzunehmen. Da war einfach bei vielen die Illusion da, man käme schneller aus der Krise heraus, und das wird jetzt bei den Verantwortlichen, also beim Präsidenten und der Mehrheit im Parlament, offensichtlich abgeladen, jenseits der Frage, dass vieles, was da kritisiert wird, zum Teil auch vom Vorgänger stammt. Beispielsweise wird ihm stark angekreidet das Bankenrettungspaket TARP, was aber noch von Vorgänger Bush tatsächlich in Gang gesetzt worden war.
Heinemann: Herr Bonde, die Tea-Party-Bewegung hat diese Wahl aus europäischer Sicht jedenfalls mit abenteuerlichen Ideen und schillerndem, weil augenscheinlich wenig qualifiziertem Personal beeinflusst. Was sagt der Erfolg der Tea-Leute aus über den Zustand der Vereinigten Staaten von Amerika?
Bonde: Nun haben sie in den USA ja immer schon ein sehr breites politisches Feld gehabt, auch immer schon mit Ausläufern auf der rechten Seite, die für europäische Verhältnisse schwer zu begreifen sind, wobei die Tea-Party da schon auch noch mal eine neue Qualität hat. Als ich drüben war vor zweieinhalb Wochen, hat ein republikanischer Wahlstratege mal für mich sehr gut zusammengefasst: Das ist im Grunde ein Aufstand frustrierter Amateure, die mit einem starken Impuls gegen staatliche Organisationen sagen nach der Krise, lasst uns einfach in Ruhe, entscheidet nicht so viele Dinge staatlich. Das ist eine sehr schwer lesbare und ja auch nicht wirklich geführte oder klar auf ein Thema ausgerichtete Bewegung, das ist einfach eine rechte Bewegung, die sich dafür einsetzt, im Grunde in Ruhe gelassen zu werden, und denen da oben mal zu zeigen, dass wir da unten alle irgendwie eine bessere Idee haben und nicht von Washington aus regiert werden wollen. Das ist eine interessante Mischung aus unterschiedlichsten, ja zum Teil Abgründen und Bauchgefühlen, die sich da zusammenmischt.
Heinemann: Wird sich Obama diesem Druck denn entziehen können? Oder anders gefragt: Erwarten Sie einen Rechtsruck?
Bonde: Das hängt sehr davon ab, wie das Ergebnis jetzt in welchen Wahlkreisen tatsächlich durchschlägt, wobei es zu befürchten ist, dass es sowohl die republikanische Seite stärker in eine populistische Ecke drückt, wie auch die demokratische Seite auch nicht einfacher macht, weil gerade die Kolleginnen und Kollegen, die dort mit wackeligen Sitzen sind, eher der moderate oder in der politischen Mitte angesiedelte Teil der Demokraten ist. Der Präsident wird natürlich auf eine neue Mehrheit im Parlament reagieren müssen und entsprechend schauen, wie er da noch Mehrheiten für seine Projekte findet. Ich gehe davon aus, dass er da einen ähnlichen Weg wählen wird, wie damals Bill Clinton es getan hat nach seiner Niederlage in den Zwischenwahlen, und er wird da sehr viel stärker moderat auftreten müssen, Angebote an die Republikaner machen müssen, was aber nicht einfach wird bei dem, was da an Personal reinkommen kann.
Heinemann: Wir reden nicht über irgendeine Bananenrepublik, sondern die Vereinigten Staaten von Amerika. Hans-Ulrich Klose von der SPD hält jeden Abgesang auf die USA für verfrüht. Der Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit sagte heute früh im Deutschlandfunk:
O-Ton Hans-Ulrich Klose: Ich glaube, dass die Amerikaner noch lange Zeit die beherrschende Macht der Welt sein werden. Sie werden es mit Sicherheit militärisch sein, aber auch ökonomisch brauchen die Chinesen und andere noch sehr, sehr lange, um an das amerikanische Niveau heranzukommen.
Heinemann: Alexander Bonde, teilen Sie Hans-Ulrich Kloses Einschätzung?
Bonde: Ich glaube auch, dass die USA weiterhin ein sehr bestimmender Akteur in der internationalen Politik sein wird, und gerade an vielen wichtigen Zukunftsfragen werden wir Europäer gemeinsam mit den Amerikanern vorgehen müssen, also sowohl die Frage Klimaschutz wie eine Frage, wie wir eigentlich unsere Wirtschaft gemeinsam auf neue und nachhaltig wirksame Füße stellen. Das werden alles Projekte sein, die nur gemeinsam mit den USA umsetzbar sein werden. Und insofern: ich glaube nicht, dass es Zeitpunkt ist, jetzt sozusagen auf einen Abgesang zu gehen, sondern ich glaube, jetzt geht es darum, eine neue Situation, in der die Welt ist, gemeinsam mit den Amerikanern wie den anderen großen Nationen dieser Erde zu gestalten.
Heinemann: Sie betonen das Gemeinsame. Das heißt, Sie rechnen nicht damit, dass die amerikanische Wirtschaftspolitik protektionistischer werden wird?
Bonde: Da gibt es Anzeichen für, aber die sind jetzt gar nicht so sehr parteipolitisch verortbar in den USA. Sie haben sowohl auf der demokratischen, wie auf der republikanischen Seite starke protektionistische Tendenzen. Das ist sicherlich nicht einfach in den nächsten Jahren, da was hinzubekommen, auch in der Frage Klimaschutz wird es mit einer republikanischen Mehrheit im amerikanischen Parlament noch wesentlich schwieriger, da gemeinsam was hinzukriegen. Ich sehe nur nicht, dass wir eine Alternative dazu haben, es gemeinsam zu lösen.
Heinemann: Alexander Bonde von Bündnis 90/Die Grünen, der stellvertretende Vorsitzende der Parlamentariergruppe USA des Deutschen Bundestages. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Bonde: Herzlichen Dank!