Wenzel: Guten Morgen Herr Wagener.
Wagener: Herr Wenzel, findet der Schlussverkauf dieses Jahr früher statt?
Wenzel: Sicherlich nicht. Der Schlussverkauf beginnt, wie üblich, am Montag. Und da wird es noch einmal eine wirklich breit angelegte und über die ganzen Textilsortimente gehende Reduzierung geben. Heute ist aus meiner Sicht ein ziemlich normaler Tag. Und auch wenn die beiden Gesetze außer Kraft treten, wird die Welt nicht einstürzen - nicht für den Einzelhandel. Es wird schwieriger werden, und der Verbraucher muss zeigen, dass er wirklich so mündig ist, wie die Bundesregierung ihn sieht.
Wagener: Ist der Einzelhandel gut vorbereitet auf das, was nun kommt?
Wenzel: Sicherlich hat jeder Einzelhändler seine Strategie machen müssen, wie er denn nun mit dem Wegfall dieser beiden Gesetze umgeht. Abgesehen davon mache ich so einen kleinen Seitenhieb auf die Bundesregierung, also dass man, wenn man schon solche Gesetze abschafft, die ja doch ganz weitreichende Folgen haben, uns nicht einmal sagen kann, das und das erfolgt - und uns dann drei Tage vorher damit überrascht, dass es heute passiert. Das ist schon ein bisschen merkwürdig. Wir sind natürlich vorbereitet; wir haben auch unsere Händler geschult - das will ich gerne sagen - im Umgang mit Kunden, die zum Beispiel sehr forsch und bestimmt auftreten, und wir haben sie mit Argumenten versehen. Also, ich gehe mal davon aus, dass wir in Deutschland keinen orientalischen Bazar bekommen werden, es wird nicht so sein wie in Marokko, aber es wird sicherlich das Leben etwas schwieriger, aber auch für die Kunden, denn die müssen ganz klar prüfen und beobachten. Und es kann durchaus sein, dass ein Kauf ohne Rabatt günstiger ist als einer mit einem hohen Rabattsatz.
Wagener: Was ist denn eigentlich das Problem für den Einzelhandel, dass dieses alte Gesetz nun abgeschafft wurde? Deutschland war ja im europäischen Vergleich da eher ein Einzelfall.
Wenzel: Ja, so kann man es nicht ganz sehen, es ist ein bisschen differenziert. Das Rabattgesetz ist in der Tat ein deutsches Unikat; die Zugabeverordnung gibt es in ähnlicher Form - ein bisschen abgewandelt - in vielen Ländern in Europa. Also ganz so einfach ist die Sache nicht. Was für uns wichtig ist und ganz entscheidend, ist nicht das individuelle Rabattgeben, also die fünf Prozent oder die zehn Prozent, die einer möglicherweise rausschlägt, die aber dann ein Händler - und da kann ich auch niemanden freisprechen - da eben vorher draufgeschlagen hat. Das ist nicht so sehr das Problem. Das Problem ist in der Tat die Zugabeverordnung: Dort, wo mit sehr hohen Zugaben - ein Orientteppich zum Auto oder solchen Dingen -, wo man nicht mehr erkennen kann, was die Ware, die man eigentlich will, kostet und wo man etwas bekommt, das man möglicherweise gar nicht so braucht und dadurch geblendet wird -, dass man dadurch verführt wird. Da sehen wir ein Problem. Und wir sehen Probleme bei Kundenkarten, wo man Rabatte kumuliert, wo man also Umsätze anhäuft und dann, je nach der Höhe dieser Umsätze, höhere Rabatte, höhere Zugaben bekommt. Da sehen wir ein Problem, denn das können nur große Unternehmen, es können große Unternehmen, die sich zusammentun; das können kleine nicht. Und das ist ein Verdrängungsfaktor, den wir schon befürchten.
Wagener: Was können Sie denn konkret dagegen tun? Dass der Einzelhandel da natürlich die schwächeren Karten hat gegenüber den Konzernen, das ist einleuchtend, aber was tun Sie konkret dagegen?
Wenzel: Ja, wir haben anfangs, als die Abschaffung in der Diskussion war, schon überlegt, ob wir eine 'gemeinsame nationale bundesdeutsche Rabattkarte' machen, also eine Kundenkarte, so wie die Großen das tun, wie sie heute ja schon am Markt sind. Es hat sich aber dann gezeigt, dass das ein Versuch am untauglichen Objekt ist. Es ließ sich einfach nicht machen, so dass viele Einzelhändler regionale Karten heute schon nutzen, das auch verstärkt tun werden - also in einer Stadt wie Köln - man kann sich aber auch einen Stadtteil denken oder an eine Straße nur, die eine solche gemeinsame Kundenkarte macht. Auf der anderen Seite muss man natürlich auch überlegen, dass hier Grenzen gesetzt sind, denn mehr als 3, 4, 5, 6 - machen wir da mal die Spitze - solcher Kundenkarten wird sich keiner in die Brieftasche stecken, und die Inflation führt dann auch immer zur Abwertung. Und ich weiß nicht, ob das das Ende ist. Aber für die Händler - für die kleinen - ist das schon ein Problem.
Wagener: Herr Wenzel, wie kann denn der Kunde nun sicher sein, dass nicht ab heute und in den nächsten Wochen und Monaten die Preise eigentlich künstlich höher ausgezeichnet werden, um eben Spielräume für diese Preisnachlässe zu haben?
Wenzel: Nun, wir haben - das wird auch durch den Wegfall des Rabattgesetzes nicht außer Kraft gesetzt - in Deutschland einen gnadenlosen, beinharten Wettbewerb. Und die Preisauszeichnungsverordnung gilt ja noch; sie ist zwar ein bisschen obsolet geworden, denn so richtig weiß ja keiner, was er denn nun eigentlich bezahlten soll. Aber man muss ja die Preise auszeichnen. Man muss dann wirklich drauf achten, wie die ausgezeichneten Preise sind; man muss dann auch mal den Taschenrechner bemühen. Also ich persönlich - ich sage das mal ganz ehrlich, ich habe mit vielen Verbrauchern auch diskutiert, ich kann mir vorstellen, dass das Frau Professor Müller auch bestätigt -, ich persönlich sage: Mir ist ein ehrlicher, sauberer, wirklich auch niedriger Preis, den ich bezahle und den eigentlich alle bezahlen müssen, lieber, als irgendeiner, der überhöht ist und wo ich nicht genau weiß und irgendeinen Rabatt kriege, wo ich aber auch nicht weiß, ob der Nächste nicht einen höheren Rabatt kriegt - und das würde mich ärgern. Also, ich bin für eine klare, saubere Linie, und ich habe auch allen Händlern, mit denen ich gesprochen habe und die mich gefragt haben, gesagt: 'Macht es sauber, gebt keine Rabatte, macht klare, vernünftig kalkulierte, niedrige Preise, und dann werden die Verbraucher Euch das auch honorieren.'
Wagener: Frau Professor Edda Müller hört schon eifrig mit auf der anderen Leitung. Das war Holger Wenzel, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels. Recht herzlichen Dank. Frau Professor Müller, Sie sind Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband. Das grundsätzliche Verbot von Preisnachlässen und Zugaben sollte ja unkundige Verbraucher vor einer Irreführung über Preis und Angebot bewahren. Gleichzeitig sollte einer Verwilderung der Wettbewerbssitten vorgebeugt werden - so die Intension des alten Rabattgesetzes aus dem Jahre 33. Jetzt ist dieses aufgehoben worden. Wo bleibt in Zukunft also der Verbraucherschutz?
Müller: Nun ja, man muss zum einen sagen, dass bereits in der Vergangenheit das Rabattgesetz sehr löchrig war wie ein Schweizer Käse. Wir haben in den letzten Jahren Untersuchungen gemacht; es hat immer wieder - gerade bei höherwertigen Konsumgütern - solche Preisnachlässe gegeben. Der Verbraucher wird - Herr Wenzel hat's gesagt - noch kritischer sein müssen als vorher. Ein Preis-Leistungs-Vergleich muss immer vorangehen, und man darf sich nicht täuschen lassen durch eine Einzelverhandlung in einem Laden, ohne dass man genau weiß, was eigentlich rechts und links ein anderer Anbieter für Preise macht.
Wagener: Brauchen wir eigentlich in Zukunft dann noch Winter- und Sommerschlussverkäufe?
Müller: Na ja, auch das sagt der Herr
Wenzel: Wir haben deshalb noch nach wie vor diese Schlussverkäufe, die dazu dienen, dass man die Läger räumt und in einem großen Crashprogramm, wenn man so will, Platz schafft für neue Ware. Das ist hier nicht mit einbezogen worden. Man kann sich darüber streiten, ob das Sinn macht. Auf jeden Fall ist es zunächst noch so.
Wagener: Wie ist es denn um die Transparenz des Marktes unter den neuen gesetzlichen Vorgaben bestellt?
Müller: Ja, ich glaube, es wird schwieriger für den einzelnen Verbraucher, wirklich zu beurteilen, was für ihn nun wirklich das Günstige ist. Das gilt sowohl für das Ermöglichen von Rabatten als auch insbesondere für den Wegfall der Zugabeverordnung. Ich glaube, da muss man noch mal ganz besonders hinschauen. Diese Zugaben, die ja dann häufig auch Ladenhüter sein können, die man hier mit drauf gibt, oder auch Waren, von denen man merkt, wenn man nach Hause kommt, dass man sie nicht braucht - da sollte sich der Verbraucher nicht verführen lassen, dass er irgend etwas - vielleicht sogar die Zugabe - eher dann haben will, als den ursprünglichen Kaufwunsch. Das heißt, für den Verbraucher wird es schwieriger. Er hat Chancen, aber er muss sich auch noch mehr anstrengen.
Wagener: Wenn es für den Verbraucher schwieriger wird, dann sind Sie ja dann von den Verbraucherzentralen gefordert. Werden Sie Leitfäden erarbeiten, um dem Kunden damit in Zukunft besser zu helfen?
Müller: Ja, wir werden also - und ich habe bereits einen solchen Auftrag gegeben - insbesondere uns genau anschauen, was bei den Kundenkarten passiert. Wir haben ja im Moment eine Tendenz, dass große Ladenketten, aber auch kleinere Läden, die sich regional zusammenschließen, versuchen, durch Karten die Kunden an sich zu binden. Auch da sollte der Verbraucher vorsichtig sein. Er sollte nach wie vor in erster Linie seinen Kaufwunsch und auch die Wahlfreiheit - auch die Läden mal zu wechseln - zur Richtschnur machen und sich nicht frühzeitig binden lassen an bestimmte Verlockungen, wo er dann möglicherweise drauf zahlt.
Wagener: Ist es denn so, dass wir in Zukunft mit einer besseren Kundenbehandlung rechnen dürfen? Werden die Unternehmen - ob Einzelhandel oder große Warenhäuser - stärker und offensiver um Kunden werben?
Müller: Also, ich denke schon, wenn das denn möglich ist, dass man hier noch mehr Wettbewerb haben wird. Und dieser Wettbewerb - so denke ich - wird dann insbesondere über die Leistung zusätzlich zur Ware gehen über Beratung, über Service. Das ist eigentlich das Interessante, was wir jetzt sehen, denn beim Preiswettbewerb ist gerade in einem funktionierenden Wettbewerb häufig ja das Ende der Fahnenstange relativ schnell erreicht. Und dann wird es darum gehen, ob sich die Läden wirklich anstrengen, den Kunden ordentlich zu bedienen. Das ist eigentlich die Chance, die wir hier sehen.
Wagener: Wenn wir jetzt mal einen Strich ziehen: Was bleibt unter diesem Strich? Wird es nun wirklich billiger oder nicht?
Müller: Das muss man sich mal genau anschauen. Wie gesagt, wir hatten schon in der Vergangenheit bei höherwertigen Produkten Preisnachlässe. Wir werden in einigen Marktsegmenten, wie zum Beispiel bei Lebensmitteln, sicherlich nicht wesentliche Veränderungen haben. In anderen Marktsegmenten mag es sein. Aber interessant - ich sagte es bereits - wird es sein, was sich bei den Zugaben tut. Und da gibt es inzwischen eine Menge sinnvolle aber auch problematische Angebote. Die Bundesregierung - wir haben das mit der Bundesjustizministerin besprochen - wird auch hier kritisch noch mal prüfen, und möglicherweise muss auch noch mal eine Nachbesserung kommen beim Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, denn wir haben doch durchaus Risiken, die mit diesem Kundenbindungssystem verbunden sind. Und da muss man aufpassen.
Wagener: Professor Edda Müller, Vorstand des Verbraucherzentralen Bundesverbandes. Recht herzlichen Dank für dieses Gespräch.
Müller: Bitte schön.
Link: Interview als RealAudio
Wagener: Herr Wenzel, findet der Schlussverkauf dieses Jahr früher statt?
Wenzel: Sicherlich nicht. Der Schlussverkauf beginnt, wie üblich, am Montag. Und da wird es noch einmal eine wirklich breit angelegte und über die ganzen Textilsortimente gehende Reduzierung geben. Heute ist aus meiner Sicht ein ziemlich normaler Tag. Und auch wenn die beiden Gesetze außer Kraft treten, wird die Welt nicht einstürzen - nicht für den Einzelhandel. Es wird schwieriger werden, und der Verbraucher muss zeigen, dass er wirklich so mündig ist, wie die Bundesregierung ihn sieht.
Wagener: Ist der Einzelhandel gut vorbereitet auf das, was nun kommt?
Wenzel: Sicherlich hat jeder Einzelhändler seine Strategie machen müssen, wie er denn nun mit dem Wegfall dieser beiden Gesetze umgeht. Abgesehen davon mache ich so einen kleinen Seitenhieb auf die Bundesregierung, also dass man, wenn man schon solche Gesetze abschafft, die ja doch ganz weitreichende Folgen haben, uns nicht einmal sagen kann, das und das erfolgt - und uns dann drei Tage vorher damit überrascht, dass es heute passiert. Das ist schon ein bisschen merkwürdig. Wir sind natürlich vorbereitet; wir haben auch unsere Händler geschult - das will ich gerne sagen - im Umgang mit Kunden, die zum Beispiel sehr forsch und bestimmt auftreten, und wir haben sie mit Argumenten versehen. Also, ich gehe mal davon aus, dass wir in Deutschland keinen orientalischen Bazar bekommen werden, es wird nicht so sein wie in Marokko, aber es wird sicherlich das Leben etwas schwieriger, aber auch für die Kunden, denn die müssen ganz klar prüfen und beobachten. Und es kann durchaus sein, dass ein Kauf ohne Rabatt günstiger ist als einer mit einem hohen Rabattsatz.
Wagener: Was ist denn eigentlich das Problem für den Einzelhandel, dass dieses alte Gesetz nun abgeschafft wurde? Deutschland war ja im europäischen Vergleich da eher ein Einzelfall.
Wenzel: Ja, so kann man es nicht ganz sehen, es ist ein bisschen differenziert. Das Rabattgesetz ist in der Tat ein deutsches Unikat; die Zugabeverordnung gibt es in ähnlicher Form - ein bisschen abgewandelt - in vielen Ländern in Europa. Also ganz so einfach ist die Sache nicht. Was für uns wichtig ist und ganz entscheidend, ist nicht das individuelle Rabattgeben, also die fünf Prozent oder die zehn Prozent, die einer möglicherweise rausschlägt, die aber dann ein Händler - und da kann ich auch niemanden freisprechen - da eben vorher draufgeschlagen hat. Das ist nicht so sehr das Problem. Das Problem ist in der Tat die Zugabeverordnung: Dort, wo mit sehr hohen Zugaben - ein Orientteppich zum Auto oder solchen Dingen -, wo man nicht mehr erkennen kann, was die Ware, die man eigentlich will, kostet und wo man etwas bekommt, das man möglicherweise gar nicht so braucht und dadurch geblendet wird -, dass man dadurch verführt wird. Da sehen wir ein Problem. Und wir sehen Probleme bei Kundenkarten, wo man Rabatte kumuliert, wo man also Umsätze anhäuft und dann, je nach der Höhe dieser Umsätze, höhere Rabatte, höhere Zugaben bekommt. Da sehen wir ein Problem, denn das können nur große Unternehmen, es können große Unternehmen, die sich zusammentun; das können kleine nicht. Und das ist ein Verdrängungsfaktor, den wir schon befürchten.
Wagener: Was können Sie denn konkret dagegen tun? Dass der Einzelhandel da natürlich die schwächeren Karten hat gegenüber den Konzernen, das ist einleuchtend, aber was tun Sie konkret dagegen?
Wenzel: Ja, wir haben anfangs, als die Abschaffung in der Diskussion war, schon überlegt, ob wir eine 'gemeinsame nationale bundesdeutsche Rabattkarte' machen, also eine Kundenkarte, so wie die Großen das tun, wie sie heute ja schon am Markt sind. Es hat sich aber dann gezeigt, dass das ein Versuch am untauglichen Objekt ist. Es ließ sich einfach nicht machen, so dass viele Einzelhändler regionale Karten heute schon nutzen, das auch verstärkt tun werden - also in einer Stadt wie Köln - man kann sich aber auch einen Stadtteil denken oder an eine Straße nur, die eine solche gemeinsame Kundenkarte macht. Auf der anderen Seite muss man natürlich auch überlegen, dass hier Grenzen gesetzt sind, denn mehr als 3, 4, 5, 6 - machen wir da mal die Spitze - solcher Kundenkarten wird sich keiner in die Brieftasche stecken, und die Inflation führt dann auch immer zur Abwertung. Und ich weiß nicht, ob das das Ende ist. Aber für die Händler - für die kleinen - ist das schon ein Problem.
Wagener: Herr Wenzel, wie kann denn der Kunde nun sicher sein, dass nicht ab heute und in den nächsten Wochen und Monaten die Preise eigentlich künstlich höher ausgezeichnet werden, um eben Spielräume für diese Preisnachlässe zu haben?
Wenzel: Nun, wir haben - das wird auch durch den Wegfall des Rabattgesetzes nicht außer Kraft gesetzt - in Deutschland einen gnadenlosen, beinharten Wettbewerb. Und die Preisauszeichnungsverordnung gilt ja noch; sie ist zwar ein bisschen obsolet geworden, denn so richtig weiß ja keiner, was er denn nun eigentlich bezahlten soll. Aber man muss ja die Preise auszeichnen. Man muss dann wirklich drauf achten, wie die ausgezeichneten Preise sind; man muss dann auch mal den Taschenrechner bemühen. Also ich persönlich - ich sage das mal ganz ehrlich, ich habe mit vielen Verbrauchern auch diskutiert, ich kann mir vorstellen, dass das Frau Professor Müller auch bestätigt -, ich persönlich sage: Mir ist ein ehrlicher, sauberer, wirklich auch niedriger Preis, den ich bezahle und den eigentlich alle bezahlen müssen, lieber, als irgendeiner, der überhöht ist und wo ich nicht genau weiß und irgendeinen Rabatt kriege, wo ich aber auch nicht weiß, ob der Nächste nicht einen höheren Rabatt kriegt - und das würde mich ärgern. Also, ich bin für eine klare, saubere Linie, und ich habe auch allen Händlern, mit denen ich gesprochen habe und die mich gefragt haben, gesagt: 'Macht es sauber, gebt keine Rabatte, macht klare, vernünftig kalkulierte, niedrige Preise, und dann werden die Verbraucher Euch das auch honorieren.'
Wagener: Frau Professor Edda Müller hört schon eifrig mit auf der anderen Leitung. Das war Holger Wenzel, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels. Recht herzlichen Dank. Frau Professor Müller, Sie sind Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband. Das grundsätzliche Verbot von Preisnachlässen und Zugaben sollte ja unkundige Verbraucher vor einer Irreführung über Preis und Angebot bewahren. Gleichzeitig sollte einer Verwilderung der Wettbewerbssitten vorgebeugt werden - so die Intension des alten Rabattgesetzes aus dem Jahre 33. Jetzt ist dieses aufgehoben worden. Wo bleibt in Zukunft also der Verbraucherschutz?
Müller: Nun ja, man muss zum einen sagen, dass bereits in der Vergangenheit das Rabattgesetz sehr löchrig war wie ein Schweizer Käse. Wir haben in den letzten Jahren Untersuchungen gemacht; es hat immer wieder - gerade bei höherwertigen Konsumgütern - solche Preisnachlässe gegeben. Der Verbraucher wird - Herr Wenzel hat's gesagt - noch kritischer sein müssen als vorher. Ein Preis-Leistungs-Vergleich muss immer vorangehen, und man darf sich nicht täuschen lassen durch eine Einzelverhandlung in einem Laden, ohne dass man genau weiß, was eigentlich rechts und links ein anderer Anbieter für Preise macht.
Wagener: Brauchen wir eigentlich in Zukunft dann noch Winter- und Sommerschlussverkäufe?
Müller: Na ja, auch das sagt der Herr
Wenzel: Wir haben deshalb noch nach wie vor diese Schlussverkäufe, die dazu dienen, dass man die Läger räumt und in einem großen Crashprogramm, wenn man so will, Platz schafft für neue Ware. Das ist hier nicht mit einbezogen worden. Man kann sich darüber streiten, ob das Sinn macht. Auf jeden Fall ist es zunächst noch so.
Wagener: Wie ist es denn um die Transparenz des Marktes unter den neuen gesetzlichen Vorgaben bestellt?
Müller: Ja, ich glaube, es wird schwieriger für den einzelnen Verbraucher, wirklich zu beurteilen, was für ihn nun wirklich das Günstige ist. Das gilt sowohl für das Ermöglichen von Rabatten als auch insbesondere für den Wegfall der Zugabeverordnung. Ich glaube, da muss man noch mal ganz besonders hinschauen. Diese Zugaben, die ja dann häufig auch Ladenhüter sein können, die man hier mit drauf gibt, oder auch Waren, von denen man merkt, wenn man nach Hause kommt, dass man sie nicht braucht - da sollte sich der Verbraucher nicht verführen lassen, dass er irgend etwas - vielleicht sogar die Zugabe - eher dann haben will, als den ursprünglichen Kaufwunsch. Das heißt, für den Verbraucher wird es schwieriger. Er hat Chancen, aber er muss sich auch noch mehr anstrengen.
Wagener: Wenn es für den Verbraucher schwieriger wird, dann sind Sie ja dann von den Verbraucherzentralen gefordert. Werden Sie Leitfäden erarbeiten, um dem Kunden damit in Zukunft besser zu helfen?
Müller: Ja, wir werden also - und ich habe bereits einen solchen Auftrag gegeben - insbesondere uns genau anschauen, was bei den Kundenkarten passiert. Wir haben ja im Moment eine Tendenz, dass große Ladenketten, aber auch kleinere Läden, die sich regional zusammenschließen, versuchen, durch Karten die Kunden an sich zu binden. Auch da sollte der Verbraucher vorsichtig sein. Er sollte nach wie vor in erster Linie seinen Kaufwunsch und auch die Wahlfreiheit - auch die Läden mal zu wechseln - zur Richtschnur machen und sich nicht frühzeitig binden lassen an bestimmte Verlockungen, wo er dann möglicherweise drauf zahlt.
Wagener: Ist es denn so, dass wir in Zukunft mit einer besseren Kundenbehandlung rechnen dürfen? Werden die Unternehmen - ob Einzelhandel oder große Warenhäuser - stärker und offensiver um Kunden werben?
Müller: Also, ich denke schon, wenn das denn möglich ist, dass man hier noch mehr Wettbewerb haben wird. Und dieser Wettbewerb - so denke ich - wird dann insbesondere über die Leistung zusätzlich zur Ware gehen über Beratung, über Service. Das ist eigentlich das Interessante, was wir jetzt sehen, denn beim Preiswettbewerb ist gerade in einem funktionierenden Wettbewerb häufig ja das Ende der Fahnenstange relativ schnell erreicht. Und dann wird es darum gehen, ob sich die Läden wirklich anstrengen, den Kunden ordentlich zu bedienen. Das ist eigentlich die Chance, die wir hier sehen.
Wagener: Wenn wir jetzt mal einen Strich ziehen: Was bleibt unter diesem Strich? Wird es nun wirklich billiger oder nicht?
Müller: Das muss man sich mal genau anschauen. Wie gesagt, wir hatten schon in der Vergangenheit bei höherwertigen Produkten Preisnachlässe. Wir werden in einigen Marktsegmenten, wie zum Beispiel bei Lebensmitteln, sicherlich nicht wesentliche Veränderungen haben. In anderen Marktsegmenten mag es sein. Aber interessant - ich sagte es bereits - wird es sein, was sich bei den Zugaben tut. Und da gibt es inzwischen eine Menge sinnvolle aber auch problematische Angebote. Die Bundesregierung - wir haben das mit der Bundesjustizministerin besprochen - wird auch hier kritisch noch mal prüfen, und möglicherweise muss auch noch mal eine Nachbesserung kommen beim Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, denn wir haben doch durchaus Risiken, die mit diesem Kundenbindungssystem verbunden sind. Und da muss man aufpassen.
Wagener: Professor Edda Müller, Vorstand des Verbraucherzentralen Bundesverbandes. Recht herzlichen Dank für dieses Gespräch.
Müller: Bitte schön.
Link: Interview als RealAudio