Riester: Guten Morgen Frau Durak.
Durak: Sind Sie erleichtert?
Riester: Ach, ich halte das für einen richtigen Weg. Ich habe das ja sehr früh schon angeboten. Ich erinnere: Im Februar, bevor wir überhaupt Vorstellungen selbst vorlegten, habe ich dem Oppositionsführer im Parlament angeboten mitzuarbeiten.
Durak: Und er hat das bis dato abgelehnt, aber nun plötzlich doch eine Art Einlenken. Das Angebot gilt ohne Vorbedingung, hieß es gestern bei der Union. Gleichzeitig hat man aber auch gesagt, dass man die Abkopplung der Renten von der Nettolohnentwicklung für zwei Jahre - ich nenne es einmal das "Modell Riester" - nach wie vor ablehne. Also müssen Sie nun nachgeben?
Riester: Nein, diese Frage ist entschieden. Das weiß die Opposition sehr genau. Im inneren stimmt sie dem, denke ich, auch zu, weil sie genau weiß, dass die Erleichterung für die Rentenversicherung zwingend erforderlich ist.
Durak: Was die Union im Inneren bewegt, das kann man eher nur vermuten, Herr Riester, aber gesagt ist, man will dieses Modell nicht, und spricht trotzdem von "ohne Vorbedingung". Für mich geht das nicht zusammen?
Riester: Ja, da haben Sie Recht. Das ist ein bisschen Politikerdeutsch. Die Union sagt ja auch sehr deutlich, "da die Sache jetzt entschieden ist, wird sie in den anderen Punkten der Rentenreform, beispielsweise eine kapitalgedeckte Eigenvorsorge aufzubauen, beispielsweise die Hinterbliebenenversorgung neu zu regeln, beispielsweise an der Grundsicherung mitzuarbeiten, mitarbeiten". All das sind wichtige Punkte der Rentenreform, die wir bis Ende nächsten Jahres abgeschlossen haben wollen.
Durak: Ich will noch einmal kurz zurück zur Nettolohnentwicklung. Sie meinen also, das ist nur Wortgetöse?
Riester: Das ist nur Wortgetöse, weil die Union weiß und das gestern ja auch selber erklärt hat, sie sehe, dass diese Frage entschieden ist. Im Bundesrat ist das nicht zustimmungspflichtig. Es ist entschieden. Damit haben wir eine Entlastung der Rentenversicherung von zwischen 60 und 70 Prozent der ganzen Entlastung, den der sogenannte Demographie-Faktor bis zum Jahr 2030 gebracht hätte. Ich glaube, die Union weiß das und sie weiß auch, dass die Rentenversicherung das braucht.
Durak: Zu hören war es anders. Wir werden sehen, wie es dann wirklich kommt, Herr Riester. Ergebnis der Arbeitsgruppe soll sein, noch in der laufenden Legislaturperiode Gesetze zu erlassen, dass diese Änderungen Gesetzesform erhalten. Auf einmal kann alles ganz schnell gehen. Wie erklären Sie sich das?
Riester: Wir hatten sowieso vor, dass wir nicht bis zum Ende der Legislaturperiode warten, sondern in einem Jahr um diese Zeit möchte ich, dass die Rentenreform insgesamt im deutschen Gesetzblatt steht. Wir können uns da keine drei Jahre Zeit lassen. Das sieht auch die Union, denke ich, nicht so. In wesentlichen Fragen der Ziele der Rentenreform unterstelle ich, dass wir uns weitgehend nahe sind.
Durak: Die private Altersvorsorge haben Sie schon erwähnt. Soll sie nun doch zur Pflicht erhoben werden?
Riester: Im Moment spricht niemand von Pflicht außer Herr Westerwelle, aber wir wollen natürlich auf Breite die Voraussetzungen schaffen, dass insbesondere die Bürger, die bisher keine private Vorsorge leisten konnten, möglicherweise auch weil sie sehr geringe Verdienste haben, in die Lage versetzt werden, das zu machen.
Durak: Wie denn?
Riester: Beispielsweise sind wir der Auffassung, dass wir die bisherige Vermögensbildung aufstocken und umwandeln sollten in eine Zulage für die Beschäftigten, die geringe Verdienste haben. Wenn sie Eigenvorsorge machen, bekommen sie eine entsprechende Zulage vom Staat. Dort sind die ersten Überlegungen vorgedacht. Ich habe das schon einmal öffentlich vorgestellt. Die Union hat darauf sehr positiv reagiert. Wir entwickeln also schon die ganze Zeit an diesen Fragen.
Durak: Hinter den Kulissen sozusagen?
Riester: Diese Frage beispielsweise nicht. Die haben wir schon eingebracht ins Bündnis für Arbeit und ich habe sie schon auf einer Pressekonferenz vorgestellt. Die Union weiß, dass wir mit Hochdruck an der Lösung dieser Probleme arbeiten.
Durak: Weshalb sollte die Union Ihnen eigentlich helfen?
Riester: Ich weiß nicht, ob die Union mir helfen will.
Durak: Ihnen, der Bundesregierung!
Riester: Ich denke, dass die Union in der Öffentlichkeit dokumentieren will, dass außer Protest auch eine kreative Politikgestaltung noch im Bereich der Union drin liegt. Das wird sich dann beweisen.
Durak: Mitte Dezember, so hieß es jedenfalls, wollten Sie Ihre Pläne für die ganz große Rentenreform vorlegen. Bleibt es dabei?
Riester: Das bleibt dabei, ja, natürlich!
Durak: Wo liegen Sie mit der Union noch am weitesten auseinander?
Riester: Von den noch offenen Punkten denke ich, dass wir in der Frage der Grundsicherung zu einer Regelung kommen. Wir wollen die Rentenreform armutssicher machen. Um es deutlicher zu sagen: Wir möchten nicht, dass insbesondere Frauen, die ja Minirenten haben, dann wenn sie bedürftig sind zum Sozialamt müssen. In dieser Frage, denke ich, sind wir mit der Union am weitesten auseinander.
Durak: Und wie wollen Sie zueinander kommen?
Riester: Zuerst einmal, indem man sich vernünftig unterhält, und zwar nicht in öffentlichem Getöse, sondern diese Fragen, die ja ganz wichtig sind, klärt und dann sieht, wo es wirklich einen Dissens gibt oder wo man zueinander kommen kann.
Durak: Wo liegen Sie am dichtesten beieinander?
Riester: Ich vermute in allen drei weiteren offenen Fragen. Beispielsweise in der Frage der zusätzlichen kapitalgedeckten Eigenvorsorge vermute ich, dass wir relativ eng zusammenliegen. In der Frage der Hinterbliebenenversorgung denke ich auch, dass wir von der Zielsetzung nicht weit auseinander sind. In der Frage der Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrenten denke ich, dass der von uns zwischenzeitlich entwickelte Vorschlag von der Union akzeptiert wird.
Durak: Die Rente mit 60 ist ein anderes Stichwort, Herr Riester. Die IG Metall hat noch einmal ihre Forderung bekräftigt, dass es bis spätestens Ende März ein Gesetz dazu geben soll, weil dann die Friedenspflicht gegenüber den Arbeitgebern endet. Das kann man eigentlich auch direkt als sanfte oder weniger sanfte Drohung verstehen. Was werden Sie tun?
Riester: Wir werden zuerst einmal im Bündnis für Arbeit wie vereinbart über diese Frage sprechen. Ich halte nun gar nichts davon, bevor man nicht mit den Bündnispartnern diese Frage erörtert öffentlich große Erklärungen abzugeben. Ich weise aber auch darauf hin, diese Frage der Rente mit 60 - das ist im übrigen ein sehr unglücklicher Begriff, weil er dem Bürger etwas vermittelt, was nicht einzulösen ist - wird als tarifpolitisches Projekt bearbeitet. Das hat mit der Rentenreform nichts zu tun. Das wissen aber auch die Tarifvertragsparteien.
Durak: Das ist aber nun einmal unter dem Volk, Herr Riester, und man spricht darüber und man würde schon ganz gerne wissen, wie es sich damit verhält, ob sie nun Rente mit 60 heißt oder anders gemeint ist.
Riester: Wissen Sie, heute wird sehr viel unters Volk gestreut, was auch dummes Zeug ist. Ich kann nicht alles verantworten und nachher erklären, was über die Medien unters Volk gestreut wird.
Durak: Sie sind aber nun mal Minister!
Riester: Ja, ja, das ist schon recht. Ein Minister ist aber nicht für alles verantwortlich, was andere Leute bringen. Den Titel habe ich nicht geboren. Ich habe mich laufend davon abgegrenzt. Ich habe gesagt, wenn die Tarifvertragsparteien dafür eine tarifliche Lösung anbieten, werden wir im Rahmen der Gesetze sie unterstützen, aber es darf zu keiner zusätzlichen Belastung der Rentenversicherung kommen. Darin sind sich im Kern auch alle einig. Da ist sich die IG Metall und der Arbeitgeberverband mit der Politik einig: eine zusätzliche Belastung der Rentenversicherung können wir nicht machen!
Durak: Herr Riester, kurz zu Holzmann. Sie waren IG Metaller und sind es sicherlich vom Herzen noch.
Riester: Ich bin es immer noch!
Durak: Aber dennoch sind Sie Politiker, und die Politik ist angegriffen worden. Die "Holzmänner" stehen mit dem Rücken an der Wand. Haben Sie Verständnis für die Wut der Bauarbeiter und auch die Forderung, die Politik möge endlich etwas für sie tun?
Riester: Für die Wut der Bauarbeiter habe ich absolutes Verständnis, weil es unverantwortlich ist, eine Schuldenlast von drei Milliarden auflaufen zu lassen. Ich habe großes Verständnis, dass sich die Bauarbeiter fragen, was hat dieser Vorstand gemacht, was wurde diesem Aufsichtsrat gesagt, wie konnte man mit unseren Arbeitsplätzen so umgehen. Es ist natürlich nicht in erster Linie Aufgabe der Politik. Die Politik wird im Rahmen ihrer Möglichkeiten versuchen - aber wie Sie heute Nacht beim Ministerpräsidenten von Hessen erleben konnten, sind diese Möglichkeiten sehr begrenzt -, zu moderieren, zu unterstützen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch zu helfen. Heute Vormittag ist ein Gespräch des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden mit dem Bundeskanzler. Schauen wir mal, was aus diesem Gespräch herauskommt.
Durak: Was kann denn dabei herauskommen?
Riester: Das kann ich Ihnen im Moment noch nicht sagen. Die Politik kann nicht die Schulden von Philipp Holzmann tragen. Das ist natürlich ganz klar. Ich muss Ihnen aber sagen, ich war ja nun lange Zeit in großen Aufsichtsräten großer deutscher Metallunternehmen. So etwas habe ich noch nicht erlebt!
Durak: Können Sie als Arbeitsminister etwas tun?
Riester: Ich kann als Arbeitsminister in der Frage, in dem jetzigen Zustand, nichts tun. Das ist ganz klar. In diesem Zustand hätte man das vom Unternehmen gar nicht laufen lassen dürfen. Das ist ja die Katastrophe. Man kann ja nicht ein Unternehmen an die Wand fahren und sagen, jetzt fehlen uns drei Milliarden, und die Banken saßen im Aufsichtsrat. Mir kann keiner sagen, dass das alles am Aufsichtsratsvorsitzenden vorbei ginge. Das ist ja keiner von der Kreissparkasse in einem kleinen Ort gewesen, sondern das ist ein Vorstandsmitglied der Deutschen Bank.
Durak: Walter Riester, Bundesarbeitsminister, Bundessozialminister, SPD. - Schönen Dank für das Gespräch.
Link: (Werner Stumpfe, Gesamtmetall-Chef, zur Rente mit 60 (14.10.99)==>/cgi-bin/es/neu-interview/423.html)
/cgi-bin/es/neu-interview/376.html
Durak: Sind Sie erleichtert?
Riester: Ach, ich halte das für einen richtigen Weg. Ich habe das ja sehr früh schon angeboten. Ich erinnere: Im Februar, bevor wir überhaupt Vorstellungen selbst vorlegten, habe ich dem Oppositionsführer im Parlament angeboten mitzuarbeiten.
Durak: Und er hat das bis dato abgelehnt, aber nun plötzlich doch eine Art Einlenken. Das Angebot gilt ohne Vorbedingung, hieß es gestern bei der Union. Gleichzeitig hat man aber auch gesagt, dass man die Abkopplung der Renten von der Nettolohnentwicklung für zwei Jahre - ich nenne es einmal das "Modell Riester" - nach wie vor ablehne. Also müssen Sie nun nachgeben?
Riester: Nein, diese Frage ist entschieden. Das weiß die Opposition sehr genau. Im inneren stimmt sie dem, denke ich, auch zu, weil sie genau weiß, dass die Erleichterung für die Rentenversicherung zwingend erforderlich ist.
Durak: Was die Union im Inneren bewegt, das kann man eher nur vermuten, Herr Riester, aber gesagt ist, man will dieses Modell nicht, und spricht trotzdem von "ohne Vorbedingung". Für mich geht das nicht zusammen?
Riester: Ja, da haben Sie Recht. Das ist ein bisschen Politikerdeutsch. Die Union sagt ja auch sehr deutlich, "da die Sache jetzt entschieden ist, wird sie in den anderen Punkten der Rentenreform, beispielsweise eine kapitalgedeckte Eigenvorsorge aufzubauen, beispielsweise die Hinterbliebenenversorgung neu zu regeln, beispielsweise an der Grundsicherung mitzuarbeiten, mitarbeiten". All das sind wichtige Punkte der Rentenreform, die wir bis Ende nächsten Jahres abgeschlossen haben wollen.
Durak: Ich will noch einmal kurz zurück zur Nettolohnentwicklung. Sie meinen also, das ist nur Wortgetöse?
Riester: Das ist nur Wortgetöse, weil die Union weiß und das gestern ja auch selber erklärt hat, sie sehe, dass diese Frage entschieden ist. Im Bundesrat ist das nicht zustimmungspflichtig. Es ist entschieden. Damit haben wir eine Entlastung der Rentenversicherung von zwischen 60 und 70 Prozent der ganzen Entlastung, den der sogenannte Demographie-Faktor bis zum Jahr 2030 gebracht hätte. Ich glaube, die Union weiß das und sie weiß auch, dass die Rentenversicherung das braucht.
Durak: Zu hören war es anders. Wir werden sehen, wie es dann wirklich kommt, Herr Riester. Ergebnis der Arbeitsgruppe soll sein, noch in der laufenden Legislaturperiode Gesetze zu erlassen, dass diese Änderungen Gesetzesform erhalten. Auf einmal kann alles ganz schnell gehen. Wie erklären Sie sich das?
Riester: Wir hatten sowieso vor, dass wir nicht bis zum Ende der Legislaturperiode warten, sondern in einem Jahr um diese Zeit möchte ich, dass die Rentenreform insgesamt im deutschen Gesetzblatt steht. Wir können uns da keine drei Jahre Zeit lassen. Das sieht auch die Union, denke ich, nicht so. In wesentlichen Fragen der Ziele der Rentenreform unterstelle ich, dass wir uns weitgehend nahe sind.
Durak: Die private Altersvorsorge haben Sie schon erwähnt. Soll sie nun doch zur Pflicht erhoben werden?
Riester: Im Moment spricht niemand von Pflicht außer Herr Westerwelle, aber wir wollen natürlich auf Breite die Voraussetzungen schaffen, dass insbesondere die Bürger, die bisher keine private Vorsorge leisten konnten, möglicherweise auch weil sie sehr geringe Verdienste haben, in die Lage versetzt werden, das zu machen.
Durak: Wie denn?
Riester: Beispielsweise sind wir der Auffassung, dass wir die bisherige Vermögensbildung aufstocken und umwandeln sollten in eine Zulage für die Beschäftigten, die geringe Verdienste haben. Wenn sie Eigenvorsorge machen, bekommen sie eine entsprechende Zulage vom Staat. Dort sind die ersten Überlegungen vorgedacht. Ich habe das schon einmal öffentlich vorgestellt. Die Union hat darauf sehr positiv reagiert. Wir entwickeln also schon die ganze Zeit an diesen Fragen.
Durak: Hinter den Kulissen sozusagen?
Riester: Diese Frage beispielsweise nicht. Die haben wir schon eingebracht ins Bündnis für Arbeit und ich habe sie schon auf einer Pressekonferenz vorgestellt. Die Union weiß, dass wir mit Hochdruck an der Lösung dieser Probleme arbeiten.
Durak: Weshalb sollte die Union Ihnen eigentlich helfen?
Riester: Ich weiß nicht, ob die Union mir helfen will.
Durak: Ihnen, der Bundesregierung!
Riester: Ich denke, dass die Union in der Öffentlichkeit dokumentieren will, dass außer Protest auch eine kreative Politikgestaltung noch im Bereich der Union drin liegt. Das wird sich dann beweisen.
Durak: Mitte Dezember, so hieß es jedenfalls, wollten Sie Ihre Pläne für die ganz große Rentenreform vorlegen. Bleibt es dabei?
Riester: Das bleibt dabei, ja, natürlich!
Durak: Wo liegen Sie mit der Union noch am weitesten auseinander?
Riester: Von den noch offenen Punkten denke ich, dass wir in der Frage der Grundsicherung zu einer Regelung kommen. Wir wollen die Rentenreform armutssicher machen. Um es deutlicher zu sagen: Wir möchten nicht, dass insbesondere Frauen, die ja Minirenten haben, dann wenn sie bedürftig sind zum Sozialamt müssen. In dieser Frage, denke ich, sind wir mit der Union am weitesten auseinander.
Durak: Und wie wollen Sie zueinander kommen?
Riester: Zuerst einmal, indem man sich vernünftig unterhält, und zwar nicht in öffentlichem Getöse, sondern diese Fragen, die ja ganz wichtig sind, klärt und dann sieht, wo es wirklich einen Dissens gibt oder wo man zueinander kommen kann.
Durak: Wo liegen Sie am dichtesten beieinander?
Riester: Ich vermute in allen drei weiteren offenen Fragen. Beispielsweise in der Frage der zusätzlichen kapitalgedeckten Eigenvorsorge vermute ich, dass wir relativ eng zusammenliegen. In der Frage der Hinterbliebenenversorgung denke ich auch, dass wir von der Zielsetzung nicht weit auseinander sind. In der Frage der Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrenten denke ich, dass der von uns zwischenzeitlich entwickelte Vorschlag von der Union akzeptiert wird.
Durak: Die Rente mit 60 ist ein anderes Stichwort, Herr Riester. Die IG Metall hat noch einmal ihre Forderung bekräftigt, dass es bis spätestens Ende März ein Gesetz dazu geben soll, weil dann die Friedenspflicht gegenüber den Arbeitgebern endet. Das kann man eigentlich auch direkt als sanfte oder weniger sanfte Drohung verstehen. Was werden Sie tun?
Riester: Wir werden zuerst einmal im Bündnis für Arbeit wie vereinbart über diese Frage sprechen. Ich halte nun gar nichts davon, bevor man nicht mit den Bündnispartnern diese Frage erörtert öffentlich große Erklärungen abzugeben. Ich weise aber auch darauf hin, diese Frage der Rente mit 60 - das ist im übrigen ein sehr unglücklicher Begriff, weil er dem Bürger etwas vermittelt, was nicht einzulösen ist - wird als tarifpolitisches Projekt bearbeitet. Das hat mit der Rentenreform nichts zu tun. Das wissen aber auch die Tarifvertragsparteien.
Durak: Das ist aber nun einmal unter dem Volk, Herr Riester, und man spricht darüber und man würde schon ganz gerne wissen, wie es sich damit verhält, ob sie nun Rente mit 60 heißt oder anders gemeint ist.
Riester: Wissen Sie, heute wird sehr viel unters Volk gestreut, was auch dummes Zeug ist. Ich kann nicht alles verantworten und nachher erklären, was über die Medien unters Volk gestreut wird.
Durak: Sie sind aber nun mal Minister!
Riester: Ja, ja, das ist schon recht. Ein Minister ist aber nicht für alles verantwortlich, was andere Leute bringen. Den Titel habe ich nicht geboren. Ich habe mich laufend davon abgegrenzt. Ich habe gesagt, wenn die Tarifvertragsparteien dafür eine tarifliche Lösung anbieten, werden wir im Rahmen der Gesetze sie unterstützen, aber es darf zu keiner zusätzlichen Belastung der Rentenversicherung kommen. Darin sind sich im Kern auch alle einig. Da ist sich die IG Metall und der Arbeitgeberverband mit der Politik einig: eine zusätzliche Belastung der Rentenversicherung können wir nicht machen!
Durak: Herr Riester, kurz zu Holzmann. Sie waren IG Metaller und sind es sicherlich vom Herzen noch.
Riester: Ich bin es immer noch!
Durak: Aber dennoch sind Sie Politiker, und die Politik ist angegriffen worden. Die "Holzmänner" stehen mit dem Rücken an der Wand. Haben Sie Verständnis für die Wut der Bauarbeiter und auch die Forderung, die Politik möge endlich etwas für sie tun?
Riester: Für die Wut der Bauarbeiter habe ich absolutes Verständnis, weil es unverantwortlich ist, eine Schuldenlast von drei Milliarden auflaufen zu lassen. Ich habe großes Verständnis, dass sich die Bauarbeiter fragen, was hat dieser Vorstand gemacht, was wurde diesem Aufsichtsrat gesagt, wie konnte man mit unseren Arbeitsplätzen so umgehen. Es ist natürlich nicht in erster Linie Aufgabe der Politik. Die Politik wird im Rahmen ihrer Möglichkeiten versuchen - aber wie Sie heute Nacht beim Ministerpräsidenten von Hessen erleben konnten, sind diese Möglichkeiten sehr begrenzt -, zu moderieren, zu unterstützen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch zu helfen. Heute Vormittag ist ein Gespräch des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden mit dem Bundeskanzler. Schauen wir mal, was aus diesem Gespräch herauskommt.
Durak: Was kann denn dabei herauskommen?
Riester: Das kann ich Ihnen im Moment noch nicht sagen. Die Politik kann nicht die Schulden von Philipp Holzmann tragen. Das ist natürlich ganz klar. Ich muss Ihnen aber sagen, ich war ja nun lange Zeit in großen Aufsichtsräten großer deutscher Metallunternehmen. So etwas habe ich noch nicht erlebt!
Durak: Können Sie als Arbeitsminister etwas tun?
Riester: Ich kann als Arbeitsminister in der Frage, in dem jetzigen Zustand, nichts tun. Das ist ganz klar. In diesem Zustand hätte man das vom Unternehmen gar nicht laufen lassen dürfen. Das ist ja die Katastrophe. Man kann ja nicht ein Unternehmen an die Wand fahren und sagen, jetzt fehlen uns drei Milliarden, und die Banken saßen im Aufsichtsrat. Mir kann keiner sagen, dass das alles am Aufsichtsratsvorsitzenden vorbei ginge. Das ist ja keiner von der Kreissparkasse in einem kleinen Ort gewesen, sondern das ist ein Vorstandsmitglied der Deutschen Bank.
Durak: Walter Riester, Bundesarbeitsminister, Bundessozialminister, SPD. - Schönen Dank für das Gespräch.
Link: (Werner Stumpfe, Gesamtmetall-Chef, zur Rente mit 60 (14.10.99)==>/cgi-bin/es/neu-interview/423.html)
/cgi-bin/es/neu-interview/376.html