Kapérn: Herr Beck, eine Ausweisung auf der Grundlage eines Verdachts, was halten Sie davon?
Beck: Davon halte ich nichts. Man kann nicht im Rechtsstaat aufgrund eines Verdachtes so scharfe Sanktionen, wie die Ausweisung eines Menschen aus dem Land, daran knüpfen. Der Grund muss schon erwiesen sein, weshalb man jemanden aus dem Lande verweist, und ich muss auch sagen, was Herr Stoiber hier vorschlägt, 31 000 Menschen auszuweisen, das ist wirklich aberwitzig. Wir sollten bei der Integration dieser Gruppen näher hinschauen und wir sollten gucken, wie die Niederlande das macht; die Niederländer waren relativ erfolgreich, sie haben diejenigen ausgewiesen, die Hass predigen, die zur Gewalt aufrufen, haben aber den anderen ein Integrationsangebot gemacht und haben damit in diesem Bereich bislang sehr erfolgreich gearbeitet. Was den Vorschlag von Herrn Stoiber betrifft, so muss er erst sagen, wie er das umsetzen will. Wichtig finde ich vor allen Dingen, dass Herr Stoiber im Bundesrat nun offensichtlich weniger beantragt hat, als er jetzt hier öffentlich verlangt und fordert, das ist schon sehr eigenartig.
Kapérn: Bleiben wir doch, Herr Beck, bei den Grundlagen einer möglichen Ausweisung. Sie sagen, da müssen Vorwürfe erwiesen sein. Nun sagt der bayrische Innenminister, Beckstein, ein konkreter Verdacht auf eine Mitgliedschaft in einer extremistischen Organisation muss für eine Abschiebung ausreichen. Würde das im Gegensatz zu einem bloßen Verdacht ausreichen?
Beck: Nein, es muss schon gerichtsfest hinterher gegebenenfalls erwiesen werden können.
Kapérn: Es muss aber nicht unbedingt ein Urteil vorausgehen?
Beck: Nein, natürlich nicht, es müssen Tatsachen vorliegen und nicht ein Verdacht. Was Herr Stoiber will, sind Tatsachen, welche die Annahme rechtfertigen, und das muss schon konkreter sein, es muss klar sein, jemand ist da Mitglied, jemand gehört hier dazu und gegebenenfalls - wenn es falsch ist - muss sich dieser Mensch vor Gericht wehren können und dann nachweisen können, dass es nicht der Fall ist, was man über ihn glaubt.
Kapérn: Edmund Stoiber sagt, ein erster Schritt, eine erste Hürde für die Prüfung, ob die CSU diesem Sicherheitspaket zustimmen kann, sei die Ausweisung des sogenannten Kalifen von Köln, über den ja in den letzten Wochen viel geredet wird, und seiner 1100 Anhänger. Gibt es irgendwelche Einwände?
Beck: Also, den Kalifen von Köln wollen wir auch abschieben und die Bundesregierung verhandelt gegenwärtig mit der Türkei darüber, dass sie uns garantieren, dass, wenn der Kalif in die Türkei abgeschoben wird, ihm dort weder Folter noch Todesstrafe drohen. Wenn uns die Türkei dieses garantiert, können wir das machen. Ihm wird dann in der Türkei auch der Prozess gemacht werden - das ist auch völlig O.K. - aber, was wir grundsätzlich nicht machen können, wir können nicht Menschen in ein Land abschieben, wo ihnen ganz konkret die Todesstrafe unmittelbar droht, das wäre so, als würden wir selbst die Todesstrafe einführen, das widerspricht unseren rechtsstaatlichen Grundlagen, das wäre verfassungswidrig und geht deshalb nicht. Wahrscheinlich wird die Türkei uns hier entgegenkommen und die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir ihn bedenkenlos abschieben können.
Kapérn: Aber ist ein Verzicht der Abschiebung in solche Staaten nicht so etwas wie ein partieller Freibrief für Extremisten hierzulande?
Beck: Nein. Der Kalif von Köln sitzt gegenwärtig in Strafvollzug und selbstverständlich werden, wenn Straftaten begangen werden, hier auch diese Leute verurteilt, das ist die normale Reaktion auf jemand, der strafbare Handlungen begeht. Sobald er seine Schuld verbüßt hat, muss er weiter beobachtet werden, wenn wir ihn nicht loswerden. Aber wir werden hier Anstrengungen unternehmen, um ihn loszuwerden, bloß, es gibt auch für einen Rechtsstaat, selbst gegen solchen Wirrköpfen wie diesen Kalifen von Köln, konkrete Schranken, d.h. wir können ihn nicht in den sicheren Tod abschieben, aber, wenn die Türkei uns garantiert, dass er nicht zum Tode verurteilt wird, steht einer Abschiebung nichts mehr im Wege, und ich rechne damit, dass die Türkei aus verschiedenen Gründen Interesse hat, diese Erklärung abzugeben.
Kapérn: Möglichst viele der 31 000 islamischen Extremisten - so hat es Edmund Stoiber gesagt - müssen auf der Grundlage des neuen Sicherheitspakets abgeschoben werden können. Auf diese Zahl kommt er ja, indem er die mutmaßlichen Mitglieder extremistischer islamischer Organisationen in Deutschland zusammenrechnet. Was kann man mit diesen Mitgliedern mutmaßlicher extremistischer Organisationen tun, wenn man sie nicht abschiebt, so wie Sie es vorhin gesagt haben?
Beck: Ich glaube, man muss unterscheiden zwischen den ganz gewöhnlichen Anhängern und den Leuten, die Hass predigen. Wir haben eine große islamische Organisation, die Organisation Milli Görüs, sie sind bislang straffällig oder terroristisch in keiner Weise aufgefallen, aber es gibt da Leute, die in einer Art und Weise ihr Hass predigen, wo man sagen muss, das kann man eigentlich auch nicht weiter hinnehmen, und gegen diese Personen, die das tun, sollte man auch durchaus vorgehen, aber man sollte nicht jeden von ihnen, der in die Moschee geht, selber aufs Korn nehmen, sondern eher versuchen, mit ihnen in ein Dialog zu treten. Wir müssen auch darüber nachdenken, ob wir an den deutschen Schulen einen deutschen Islamunterricht anbieten, damit hier auch - insbesondere bei den Jugendlichen - keine solche Einflussnahme über den Religionsunterricht und über die religiöse Unterweisung möglich ist. Es gibt also verschiedene Anknüpfungspunkte, wie man versuchen kann, die Anhängerschaft wieder auf einen gemäßigteren Kurs zu bringen.
Kapérn: Aber warum, Herr Beck, sollten wir passive Anhänger solcher militanten islamischen Organisation hierzulande dulden?
Beck: Weil wir ja selbstverständlich vergleichbare Haltungen von radikalen religiösen Gruppen in der deutschen Bevölkerung dulden. Was hier als Extremismus tituliert wird ist ja nicht immer gleich mit Gewalttätigkeit verbunden, sondern diese Menschen haben ganz extreme religiöse Ansichten. Diese finden wir bei deutschen Sekten durchaus auch vor, wir finden sie sogar bei manchen Menschen, die sich am Rande der großen Kirchen tummeln, da gibt es auch entsprechend problematische Organisationen, z.B. der Opus Dei in der katholischen Kirche. Damit müssen wir auch zurechtkommen und es kann nicht immer sein, dass Ausweisung sozusagen das Mittel ist, um jeden Konflikt zu klären. Solange diese Menschen keine Straftaten planen und begehen, ist auch eine religiös etwas seltsam anmutende Ansicht tolerabel. Wo es allerdings zur Aufhetzung, Vorbereitung und Durchführung von Straftaten führt, ist eine Grenze überschritten und hier ist es dann erforderlich, dass wir entsprechend reagieren, dass wir die Leute entweder strafrechtlich zur Verantwortung ziehen oder auch ausweisen, soweit dieses uns möglich ist.
Kapérn: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Beck.
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