Gerwald Herter: Ich bin mit dem Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) verbunden. Guten Morgen, Herr Steinbrück.
Peer Steinbrück: Guten Morgen, Herr Herter.
Herter: Herr Steinbrück, für einen Finanzminister ist es ja eine höchst unangenehme Pflicht, einen Nachtragshaushalt ins Kabinett einzubringen. Noch mehr Schulden, fühlen Sie sich dabei gut?
Steinbrück: Nein, natürlich nicht, aber diese Republik erfährt gerade die größte Wirtschaftskrise seit 60 Jahren und wir haben es zu tun mit einem Konjunktureinbruch von minus sechs Prozent. Das ist fast das Sechsfache mehr als das, was wir beim bisher schlimmsten Konjunktureinbruch 1975 hatten mit minus 0,9 Prozent, und das wirbelt natürlich alle Haushaltskennziffern durcheinander und führt zu einem Verschuldensniveau, das in der Tat einmalig ist und hoffentlich auch einmalig bleibt.
Herter: Die Verschuldung unseres Landes liegt schon jetzt bei mehr als eineinhalb Billionen Euro. Können Sie sich - Sie sind Fachmann für Zahlen, gehen jeden Tag damit um - überhaupt vorstellen, wie viel Geld das ist?
Steinbrück: Ja. Das sind, glaube ich, zwölf Nullen, die da hinten dranhängen. Das ist eine ungeheuere Zahl, aber die müssen sie natürlich in Beziehung setzen zu der ungeheueren Leistungsfähigkeit auch der Bundesrepublik Deutschland, nach wie vor die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Aber ich will das gar nicht verharmlosen. Wir sind in dieser Konjunkturlage einfach gezwungen, antizyklisch dagegen anzufinanzieren über Maßnahmen, die hoffentlich den Arbeitsmarkt stabilisieren und die Wachstum wieder ankurbeln, und das wird man im Augenblick nur kreditfinanziert machen können. Insofern ist da eine zwingende Logik drin.
Herter: Sie haben die Steuerentlastungen zum Teil mitbeschlossen als Finanzminister. Da gibt es welche für Bauern, für Unternehmer, die Abwrackprämie war mit dabei. War das unbedingt notwendig?
Steinbrück: Na ja, sie schaffen damit Kaufkraft. Auch das, was wir in der letzten Woche im Bundestag gehabt haben, mit einem Bürgerentlastungsgesetz, das zugegebenermaßen vom Bundesverfassungsgericht in Gang gesetzt worden ist, führt aber nächstes Jahr dazu, dass die Bürger insgesamt fast um zehn Milliarden entlastet werden. Das ist natürlich sehr gut für ihre Portemonnaies und je besser ihre Portemonnaies ausgestattet sind, desto eher kommen wir dann über die inländische Nachfrage aus diesem wahnsinnigen Tal heraus. Insofern ist das alles konjunkturpolitisch stimmig.
Herter: Aber das kennt ja jeder Privatmann oder jede Privatfrau: Wenn man Mehrausgaben hat, dann spart man an anderer Stelle. Wo haben Sie gespart?
Steinbrück: Jetzt zu sparen, ist doch prozyklisch. Das dreht doch die Spiralbewegung weiter nach unten. Das ist doch logisch! Wenn sie jetzt im Augenblick versuchen, sich gegen diese Krise zu stemmen, dann müssen sie die Ausgaben nicht kürzen, sie dürfen keine Steuererhöhungen machen, sondern sie müssen nach Möglichkeit die Bürger und die Unternehmen entlasten. Das ist die Lage, in der wir sind, im Grunde genommen gemeinsam mit sehr vielen anderen Ländern weltweit. Das heißt, sie dürfen sich nicht prozyklisch verhalten, um die Situation nicht noch weiter zu verschlechtern.
Herter: Wir sind in derselben Situation wie viele europäische Länder. Der Euro-Stabilitätspakt sollte dafür sorgen, dass die gemeinsame Währung so hart ist, wie es die D-Mark einst war. Statt der vorgesehenen drei Prozent liegen wir 2009 wahrscheinlich bei vier Prozent Schulden, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, im nächsten Jahr sogar bei sechs. Ist der Euro-Stabilitätspakt tot, Herr Steinbrück?
Steinbrück: Nein, im Gegenteil. Ich trete sehr stark dafür ein, dass die disziplinierende Klammer dieses Stabilitäts- und Wachstumspaktes erhalten bleibt, auch um klar zu signalisieren - nicht nur den Bürgerinnen und Bürgern, sondern auch den Finanzmärkten -, wenn wir aus dieser extraordinären, aus dieser ungewöhnlich scharfen Rezession heraus sind, dann müssen wir auf den Konsolidierungspfad zurück. Das hat übrigens die Große Koalition in den Jahren 2005 bis 2008 ganz gut geschafft. Wir haben damals unser strukturelles Defizit für den Bund von ungefähr 55 Milliarden Euro auf 18 Milliarden Euro senken können. Also wir haben schon einmal den Beweis erbracht, dass man sowohl Wachstumsimpulse geben kann wie den Haushalt auch konsolidieren kann.
Herter: In Ihren Berechnungen gehen Sie davon aus, dass die deutsche Wirtschaft schon im nächsten Jahr wieder wächst. Ist das nicht sehr riskant?
Steinbrück: Na ja, sehr moderat. Der Wert, den wir annehmen, sind Plus 0,5 Prozent. Das ist wirklich nicht übertrieben und geht zurück auf die Einschätzungen, die uns auch die Experten und die Wissenschaftler geben, die wir zu solchen Entwicklungen befragen.
Herter: Herr Steinbrück, wenn Sie erlauben, hätte ich noch eine Frage zu einem anderen Thema: Die Rentendiskussion ist wieder in Gang gekommen. In Ihrer Partei, der SPD, gibt es jetzt Vorschläge, das Renteneintrittsalter auf 65 Jahre wieder herunterzusetzen. Was halten Sie davon?
Steinbrück: Ich glaube nicht, dass es richtig ist, generell das Renteneintrittsalter wieder auf 65 herunterzusenken. Das widerspricht dem Druck, dem wir auch aus der demografischen Entwicklung ausgesetzt sind. Aber flexible Lösungen zu finden, die auch individuell eingehen auf die jeweilige Situation der Betroffenen, denn einige sind ja nicht in der Lage, vor dem Hintergrund der körperlichen Belastungen, die sie erfahren haben, bis 67 voll zu arbeiten, das scheint mir der richtige Ansatz zu sein. Was das Land nicht richtig gelernt hat ist bisher, dass es drei Faktoren sind, die wahnsinnige Auswirkungen haben auf die Finanzierungsgrundlagen unseres sozialen Sicherungssystems. Das ist das spätere Berufseintrittsalter, das ist die kürzere Lebensarbeitszeit und die erfreuliche längere Lebenserwartung, und das drückt enorm auf die Finanzierungsgrundlagen, nicht nur bei der Rente.
Herter: Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, SPD, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Herr Minister, vielen Dank.
Steinbrück: Ich danke Ihnen!
Peer Steinbrück: Guten Morgen, Herr Herter.
Herter: Herr Steinbrück, für einen Finanzminister ist es ja eine höchst unangenehme Pflicht, einen Nachtragshaushalt ins Kabinett einzubringen. Noch mehr Schulden, fühlen Sie sich dabei gut?
Steinbrück: Nein, natürlich nicht, aber diese Republik erfährt gerade die größte Wirtschaftskrise seit 60 Jahren und wir haben es zu tun mit einem Konjunktureinbruch von minus sechs Prozent. Das ist fast das Sechsfache mehr als das, was wir beim bisher schlimmsten Konjunktureinbruch 1975 hatten mit minus 0,9 Prozent, und das wirbelt natürlich alle Haushaltskennziffern durcheinander und führt zu einem Verschuldensniveau, das in der Tat einmalig ist und hoffentlich auch einmalig bleibt.
Herter: Die Verschuldung unseres Landes liegt schon jetzt bei mehr als eineinhalb Billionen Euro. Können Sie sich - Sie sind Fachmann für Zahlen, gehen jeden Tag damit um - überhaupt vorstellen, wie viel Geld das ist?
Steinbrück: Ja. Das sind, glaube ich, zwölf Nullen, die da hinten dranhängen. Das ist eine ungeheuere Zahl, aber die müssen sie natürlich in Beziehung setzen zu der ungeheueren Leistungsfähigkeit auch der Bundesrepublik Deutschland, nach wie vor die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Aber ich will das gar nicht verharmlosen. Wir sind in dieser Konjunkturlage einfach gezwungen, antizyklisch dagegen anzufinanzieren über Maßnahmen, die hoffentlich den Arbeitsmarkt stabilisieren und die Wachstum wieder ankurbeln, und das wird man im Augenblick nur kreditfinanziert machen können. Insofern ist da eine zwingende Logik drin.
Herter: Sie haben die Steuerentlastungen zum Teil mitbeschlossen als Finanzminister. Da gibt es welche für Bauern, für Unternehmer, die Abwrackprämie war mit dabei. War das unbedingt notwendig?
Steinbrück: Na ja, sie schaffen damit Kaufkraft. Auch das, was wir in der letzten Woche im Bundestag gehabt haben, mit einem Bürgerentlastungsgesetz, das zugegebenermaßen vom Bundesverfassungsgericht in Gang gesetzt worden ist, führt aber nächstes Jahr dazu, dass die Bürger insgesamt fast um zehn Milliarden entlastet werden. Das ist natürlich sehr gut für ihre Portemonnaies und je besser ihre Portemonnaies ausgestattet sind, desto eher kommen wir dann über die inländische Nachfrage aus diesem wahnsinnigen Tal heraus. Insofern ist das alles konjunkturpolitisch stimmig.
Herter: Aber das kennt ja jeder Privatmann oder jede Privatfrau: Wenn man Mehrausgaben hat, dann spart man an anderer Stelle. Wo haben Sie gespart?
Steinbrück: Jetzt zu sparen, ist doch prozyklisch. Das dreht doch die Spiralbewegung weiter nach unten. Das ist doch logisch! Wenn sie jetzt im Augenblick versuchen, sich gegen diese Krise zu stemmen, dann müssen sie die Ausgaben nicht kürzen, sie dürfen keine Steuererhöhungen machen, sondern sie müssen nach Möglichkeit die Bürger und die Unternehmen entlasten. Das ist die Lage, in der wir sind, im Grunde genommen gemeinsam mit sehr vielen anderen Ländern weltweit. Das heißt, sie dürfen sich nicht prozyklisch verhalten, um die Situation nicht noch weiter zu verschlechtern.
Herter: Wir sind in derselben Situation wie viele europäische Länder. Der Euro-Stabilitätspakt sollte dafür sorgen, dass die gemeinsame Währung so hart ist, wie es die D-Mark einst war. Statt der vorgesehenen drei Prozent liegen wir 2009 wahrscheinlich bei vier Prozent Schulden, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, im nächsten Jahr sogar bei sechs. Ist der Euro-Stabilitätspakt tot, Herr Steinbrück?
Steinbrück: Nein, im Gegenteil. Ich trete sehr stark dafür ein, dass die disziplinierende Klammer dieses Stabilitäts- und Wachstumspaktes erhalten bleibt, auch um klar zu signalisieren - nicht nur den Bürgerinnen und Bürgern, sondern auch den Finanzmärkten -, wenn wir aus dieser extraordinären, aus dieser ungewöhnlich scharfen Rezession heraus sind, dann müssen wir auf den Konsolidierungspfad zurück. Das hat übrigens die Große Koalition in den Jahren 2005 bis 2008 ganz gut geschafft. Wir haben damals unser strukturelles Defizit für den Bund von ungefähr 55 Milliarden Euro auf 18 Milliarden Euro senken können. Also wir haben schon einmal den Beweis erbracht, dass man sowohl Wachstumsimpulse geben kann wie den Haushalt auch konsolidieren kann.
Herter: In Ihren Berechnungen gehen Sie davon aus, dass die deutsche Wirtschaft schon im nächsten Jahr wieder wächst. Ist das nicht sehr riskant?
Steinbrück: Na ja, sehr moderat. Der Wert, den wir annehmen, sind Plus 0,5 Prozent. Das ist wirklich nicht übertrieben und geht zurück auf die Einschätzungen, die uns auch die Experten und die Wissenschaftler geben, die wir zu solchen Entwicklungen befragen.
Herter: Herr Steinbrück, wenn Sie erlauben, hätte ich noch eine Frage zu einem anderen Thema: Die Rentendiskussion ist wieder in Gang gekommen. In Ihrer Partei, der SPD, gibt es jetzt Vorschläge, das Renteneintrittsalter auf 65 Jahre wieder herunterzusetzen. Was halten Sie davon?
Steinbrück: Ich glaube nicht, dass es richtig ist, generell das Renteneintrittsalter wieder auf 65 herunterzusenken. Das widerspricht dem Druck, dem wir auch aus der demografischen Entwicklung ausgesetzt sind. Aber flexible Lösungen zu finden, die auch individuell eingehen auf die jeweilige Situation der Betroffenen, denn einige sind ja nicht in der Lage, vor dem Hintergrund der körperlichen Belastungen, die sie erfahren haben, bis 67 voll zu arbeiten, das scheint mir der richtige Ansatz zu sein. Was das Land nicht richtig gelernt hat ist bisher, dass es drei Faktoren sind, die wahnsinnige Auswirkungen haben auf die Finanzierungsgrundlagen unseres sozialen Sicherungssystems. Das ist das spätere Berufseintrittsalter, das ist die kürzere Lebensarbeitszeit und die erfreuliche längere Lebenserwartung, und das drückt enorm auf die Finanzierungsgrundlagen, nicht nur bei der Rente.
Herter: Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, SPD, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Herr Minister, vielen Dank.
Steinbrück: Ich danke Ihnen!