Hoffmann: Natürlich. Es ist ein Gesetz, das jetzt verabschiedet wurde. Man muss wissen, dass die ursprüngliche Gesetzesvorlage vor geraumer Zeit - einige Monate ist es her - von der Linken eingebracht wurde, und damals hieß es, die Mitte-Rechts-Regierung halte es nicht für opportun, das Gesetz zu verabschieden und anzunehmen. Jetzt, wo man es braucht, hat man es vorgezogen, und die Mitte-Rechts-Regierung hat das sogar als einen Urvorschlag der Linken verkauft und damit darauf hingewiesen, dass doch eigentlich über dieses Gesetz Einigkeit herrschen müsste, aber natürlich ist klar, dass zu diesem jetzigen Zeitpunkt dieses Gesetz ausschließlich Berlusconi zu dienen hat. Es ist eine Notbremse, denn der Prozess in Mailand, von dem auch gerade die Rede war, wäre jetzt in die entscheidende Phase gegangen. Wenn das Gesetz jetzt nicht verabschiedet wird, würde Berlusconi Gefahr laufen, in den nächsten Tagen bereits verurteilt zu werden.
Müller: Von außen betrachtet hat man den Eindruck, es ist ein Teilangriff auf den demokratischen Rechtsstaat.
Hoffmann: Das ist auch nach Meinung vieler Beobachter im eigenen Land so, aber auch für viele ausländischen Beobachter, für die Italien mehr denn je ein Rätsel ist. Man muss erinnern, dass sehr viele Gesetze verabschiedet wurden, die vor allen Dingen Berlusconi dienen. Er hat das getan. Auf der anderen Seite weist er mit Recht darauf hin, dass er demokratisch gewählt wurde und dass er eine Mehrheit im Parlament hat, wie es sie schon seit vielen Jahren in Italien nicht mehr gegeben hat. Was natürlich verschwiegen wird, ist die Tatsache, dass Berlusconis Politik begleitet wird von einer Propaganda, wie sie ohnegleichen im Nachkriegsitalien ist. Berlusconi steuert praktisch den gesamten Fernsehmarkt und kann den Menschen leichter verkaufen, was sein Anliegen ist, dass die Opposition ihre Kritik unter das Volk streuen kann.
Müller: Das heißt, der Protest ist sehr groß, aber ein Protest, der vermutlich nach hinten losgeht, sprich kein Erfolg haben wird?
Hoffmann: Es gibt Proteste, und die Volksbewegung hat auch sehr viel Beachtung gefunden wie im vergangenen Jahr bei ähnlichen Anlässen. Da ging es ja auch um Gesetze, die erst mal für Berlusconi gedacht waren, und es gab auch Proteste in Italien, die zu Massendemonstrationen geführt haben. Nur: Das wird nicht verbreitet. Das trägt sich nicht auf Dauer, denn in den Medien wird alles wieder totgeschwiegen. Das Volk in Italien ist geteilt. Auch wenn Berlusconi bei der letzten Gemeinderatswahl doch einige Verluste hinnehmen hat müssen, ist immer noch ein großer Teil der Italiener auf Berlusconis Seite und teilt dessen Meinung, dass er sozusagen ein politisch verfolgter Mensch ist, während die anderen natürlich sehr viel mehr in die Opposition gehen. Das ist vielleicht der größte Schaden, der aus all diesen Gesetzen im Augenblick entsteht, dass sich dieses Land und die öffentliche Meinung so sehr teilt, dass daraus echte Gegnerschaften entstehen.
Müller: Ich muss da noch mal nachfragen. Dieses Gesetzesvorhaben, wenn ich das richtig verstanden habe, kollidiert nicht mit der italienischen Verfassung?
Hoffmann: Nun, auch darüber gibt es geteilte Meinungen. Kompetente Staatsrechtler haben schon ihre Bedenken angemeldet, vor allen Dingen was den Gleichheitsgrundsatz anbelangt. Ein Gesetz muss für alle gleich sein, heißt es ja auch in der italienischen Verfassung. Dieses Gesetz macht einen Unterschied, vor allen Dingen im Nachhinein. Die Delikte, wegen der Berlusconi angeklagt, fanden ja schon statt, bevor er in die Politik ging. Also da passt vieles nicht zusammen, aber im Augenblick, wenn die Mehrheit das Gesetz verabschiedet, dann wird es erst mal in Kraft treten und dann kann es höchstens ein Urteil in späterer Instanz, ein Verfassungsgerichtsurteil wieder außer Kraft setzen, aber bis dahin ist der Prozess erst mal geplatzt.
Müller: Es gab ja sehr viele Ministerpräsidenten, Regierungschefs im Nachkriegsitalien. Ist Berlusconi der Ministerpräsident, der Italien komplett umkrempelt?
Hoffmann: Er krempelt sehr viel um. Das ist nicht nur seine Person, sondern das sind auch die Zeiten, die sich im Augenblick überall sehr stark ändern, nicht nur in Italien, die Globalisierung, wenn man so will. Aber es ist vor allen Dingen die Einführung einer völlig neuen Art von Staatsform, wenn man so will, der Telekratie. Vieles, was früher durch Diskussionen, durch Protestmärsche, durch öffentliche Meinungsbildung in den demokratischen Ländern geschehen ist, findet heute überhaupt nicht mehr statt oder in sehr abgeschwächter und abgemilderter Form in den Massenmedien, die Berlusconi kontrolliert. Das ist nicht mehr jene Demokratie, die man gewohnt ist in den letzten 20, 30 Jahren, auch nicht in Italien, sondern es findet etwas völlig neues statt. Ob es jetzt ein Vorteil, ein Nachteil, eine gute oder schlechte Veränderung ist, wird man sehen. Im Augenblick ist das jedenfalls sehr umstritten, auch in Italien.
Müller: Vielen Dank für das Gespräch.
Müller: Von außen betrachtet hat man den Eindruck, es ist ein Teilangriff auf den demokratischen Rechtsstaat.
Hoffmann: Das ist auch nach Meinung vieler Beobachter im eigenen Land so, aber auch für viele ausländischen Beobachter, für die Italien mehr denn je ein Rätsel ist. Man muss erinnern, dass sehr viele Gesetze verabschiedet wurden, die vor allen Dingen Berlusconi dienen. Er hat das getan. Auf der anderen Seite weist er mit Recht darauf hin, dass er demokratisch gewählt wurde und dass er eine Mehrheit im Parlament hat, wie es sie schon seit vielen Jahren in Italien nicht mehr gegeben hat. Was natürlich verschwiegen wird, ist die Tatsache, dass Berlusconis Politik begleitet wird von einer Propaganda, wie sie ohnegleichen im Nachkriegsitalien ist. Berlusconi steuert praktisch den gesamten Fernsehmarkt und kann den Menschen leichter verkaufen, was sein Anliegen ist, dass die Opposition ihre Kritik unter das Volk streuen kann.
Müller: Das heißt, der Protest ist sehr groß, aber ein Protest, der vermutlich nach hinten losgeht, sprich kein Erfolg haben wird?
Hoffmann: Es gibt Proteste, und die Volksbewegung hat auch sehr viel Beachtung gefunden wie im vergangenen Jahr bei ähnlichen Anlässen. Da ging es ja auch um Gesetze, die erst mal für Berlusconi gedacht waren, und es gab auch Proteste in Italien, die zu Massendemonstrationen geführt haben. Nur: Das wird nicht verbreitet. Das trägt sich nicht auf Dauer, denn in den Medien wird alles wieder totgeschwiegen. Das Volk in Italien ist geteilt. Auch wenn Berlusconi bei der letzten Gemeinderatswahl doch einige Verluste hinnehmen hat müssen, ist immer noch ein großer Teil der Italiener auf Berlusconis Seite und teilt dessen Meinung, dass er sozusagen ein politisch verfolgter Mensch ist, während die anderen natürlich sehr viel mehr in die Opposition gehen. Das ist vielleicht der größte Schaden, der aus all diesen Gesetzen im Augenblick entsteht, dass sich dieses Land und die öffentliche Meinung so sehr teilt, dass daraus echte Gegnerschaften entstehen.
Müller: Ich muss da noch mal nachfragen. Dieses Gesetzesvorhaben, wenn ich das richtig verstanden habe, kollidiert nicht mit der italienischen Verfassung?
Hoffmann: Nun, auch darüber gibt es geteilte Meinungen. Kompetente Staatsrechtler haben schon ihre Bedenken angemeldet, vor allen Dingen was den Gleichheitsgrundsatz anbelangt. Ein Gesetz muss für alle gleich sein, heißt es ja auch in der italienischen Verfassung. Dieses Gesetz macht einen Unterschied, vor allen Dingen im Nachhinein. Die Delikte, wegen der Berlusconi angeklagt, fanden ja schon statt, bevor er in die Politik ging. Also da passt vieles nicht zusammen, aber im Augenblick, wenn die Mehrheit das Gesetz verabschiedet, dann wird es erst mal in Kraft treten und dann kann es höchstens ein Urteil in späterer Instanz, ein Verfassungsgerichtsurteil wieder außer Kraft setzen, aber bis dahin ist der Prozess erst mal geplatzt.
Müller: Es gab ja sehr viele Ministerpräsidenten, Regierungschefs im Nachkriegsitalien. Ist Berlusconi der Ministerpräsident, der Italien komplett umkrempelt?
Hoffmann: Er krempelt sehr viel um. Das ist nicht nur seine Person, sondern das sind auch die Zeiten, die sich im Augenblick überall sehr stark ändern, nicht nur in Italien, die Globalisierung, wenn man so will. Aber es ist vor allen Dingen die Einführung einer völlig neuen Art von Staatsform, wenn man so will, der Telekratie. Vieles, was früher durch Diskussionen, durch Protestmärsche, durch öffentliche Meinungsbildung in den demokratischen Ländern geschehen ist, findet heute überhaupt nicht mehr statt oder in sehr abgeschwächter und abgemilderter Form in den Massenmedien, die Berlusconi kontrolliert. Das ist nicht mehr jene Demokratie, die man gewohnt ist in den letzten 20, 30 Jahren, auch nicht in Italien, sondern es findet etwas völlig neues statt. Ob es jetzt ein Vorteil, ein Nachteil, eine gute oder schlechte Veränderung ist, wird man sehen. Im Augenblick ist das jedenfalls sehr umstritten, auch in Italien.
Müller: Vielen Dank für das Gespräch.