Christoph Heinemann: Jacques Lang gehört zur engen Wahlkampfmannschaft von Ségolene Royal. Ich habe den früheren Bildungs- und Kulturminister vor dieser Sendung gefragt, ob der Eindruck stimmt, dass Europa im französischen Wahlkampf kaum stattfindet.
Jacques Lang: Das stimmt. Internationale Fragen kommen in dieser Debatte nur sehr eingeschränkt vor. Ich bedauere das. Zur Aufgabe eines Staatspräsidenten gehört das Internationale ebenso wie die Innenpolitik. Der Grund dafür liegt im Zustand, in dem sich unser Land seit fünf Jahren befindet. Vor fünf Jahren hatten wir ein traumatisches Erlebnis, als Jean-Marie Le Pen in die zweite Runde der Präsidentschaftswahl einzog. Die vergangenen fünf Jahre bildeten eine Periode der Zweifel, der Zerrissenheit, der Verunsicherung und der Angst. Die Bürger haben darunter gelitten und sie möchten dies heute hinter sich lassen. Und deshalb beschäftigen sie sich gegenwärtig stärker mit den Verhältnissen im eigenen Land. Sie stellen sich vor, dass das Land nach diesem Zeitraum des Zweifels und der Verunsicherung aufgerichtet wird und dass man Moral und den Sinn für das Gemeinsame wiederfindet.
Heinemann: Ségolene Royal spricht viel über die Nation, die Trikolore, sie singt die Marseillaise. Wie sieht ihr europapolitisches Programm aus?
Lang: Ihre Vision von Europa bezieht sich sowohl auf die Institutionen als auch auf den Inhalt der Politik. Was die Institutionen betrifft, so hofft sie, dazu beitragen zu können, dass eine Diskussion mit den EU-Staaten über einen neuen Verfassungsvertrag wieder in Gang gebracht wird. Leider haben die Franzosen und die Niederländer den gegenwärtigen Vertrag abgelehnt. Frau Royal meint, dass der künftige Text Teile des gegenwärtigen übernehmen kann, etwa den Teil über die Reform der Institutionen oder den Schutz der Grundrechte. Sie möchte allerdings auch, dass in den neuen Text Regelungen über die Wirtschaftspolitik, die soziale Sicherheit und den Umweltschutz aufgenommen werden. Sie meint aber nicht, dass man Europa dadurch neuen Schwung verleiht, dass man die Verträge ändert. Der Inhalt der Politik müsste geändert werden. Frau Royal glaubt, dass man durch entschiedenes Handeln Europa eine Seele und eine Vision zurückgeben kann.
Heinemann: Stichwort konkretes Handeln. Nicolas Sarkozy schlägt eine Abwertung des Euro zu Gunsten der europäischen Exportindustrie vor. Ist das eine gute Idee?
Lang: Es stimmt, dass der Euro, verglichen mit dem Dollar oder dem Yuan, eine starke Währung ist. Das benachteiligt den Außenhandel der EU-Staaten. Ich beobachte aber auch, dass Deutschland trotz des hohen Eurokurses enorm viel exportiert. Der wichtigste Grund ist, dass Deutschland in den Mehrwert, Forschung und Innovation, investiert hat. Deutschland führt Produkte mit einem hohen Mehrwert aus, die in hoch qualifizierten Unternehmen hergestellt wurden. Insofern bin ich nicht sicher, ob der Währungskurs so wichtig ist. Wir müssen sicherlich eines Tages darüber mit den Amerikanern und den Chinesen reden, um einen gerechteren und normaleren Wechselkurs zu finden. Ich wüsste aber nicht, wie man einfach autoritär entscheiden könnte, den Eurokurs zu senken.
Heinemann: Welche Erklärung haben Sie für die Popularität des Kandidaten der liberal-konservativen Partei UDF Francois Bayrou?
Lang: Die ist relativ, vorläufig und wird nicht von Dauer sein. Manche Wähler haben die Kandidatur von Herrn Bayrou vielleicht als eine Bewerbung für einen neuen Weg zwischen den beiden Lagern empfunden. Aber je näher die Wahlen rücken, umso klarer werden sich die Wähler entscheiden. Ich habe den Eindruck, dass das Wählerpotenzial von Ségolene Royal zunehmen wird. Ich wage sogar die Voraussage, dass sie einige Chancen hat, im ersten Wahlgang an vorderster Stelle zu liegen.
Heinemann: Francois Bayrou hat eine Regierung von Konservativen und Linken vorgeschlagen, eine Art Große Koalition. Ist die politische Klasse in Frankreich reif dafür?
Lang: Das ist doch sinnlos mit dem heutigen System in Frankreich. In Deutschland mit seinem parlamentarischen System und seinem Verhältniswahlrecht kann es sein, dass eine Große Koalition notwendig wird, wenn keine klare Mehrheit erkennbar ist. In Frankreich ist die Lage eine vollständig andere. Die Präsidentschaftswahl sorgt für eine Mehrheit. Natürlich können in dieser Mehrheit auch Persönlichkeiten mitarbeiten, die aus anderen politischen Strömungen stammen.
Heinemann: Worauf muss sich die Bundeskanzlerin und EU-Ratsvorsitzende Angela Merkel ab Juni einstellen, sollte Ségolene Royal im Mai zur Präsidentin gewählt werden?
Lang: Wenn Ségolene Royal zur Präsidentin gewählt wird, wird zwischen der deutschen Bundeskanzlerin und ihr ein intellektuelles und menschliches Vertrauensverhältnis entstehen. Beide sind Frauen, beide verstehen zu kämpfen und zu handeln. Und ich rechne damit, dass eine Wahl von Ségolene Royal frischen Wind für die deutsch-französische Allianz bedeutete. Eine gewählte Staatspräsidentin Ségolene Royal und Angela Merkel, Kanzlerin von Deutschland, werden Hand in Hand arbeiten, um die europäische Politik voranzubringen.
Heinemann: Sie haben viele Wahlschlachten geschlagen. Worin besteht die Besonderheit dieses Präsidentschaftswahlkampfes?
Lang: Die Kandidaten führen ihren Wahlkampf diesmal losgelöst von den Parteien. Nicht vollständig, aber es gibt eine starke Personalisierung. Wenn ich das mit dem erfolgreichen Wahlkampf von Francois Mitterrand vergleiche, damals waren die Parteien viel stärker eingebunden und die Kandidaten in die Parteien eingegliedert. Heute treten die Kandidaten mit ihrem persönlichen Stil auf. Ein anderer Unterschied – und dieser ist positiv – besteht darin, dass die Wähler sich zwischen völlig unterschiedlichen Programmen entscheiden können. Ich zweifle keine Minute daran, dass sich Nicolas Sarkozy und Ségolene Royal in der Stichwahl gegenüberstehen werden. Beide stehen für vollkommen unterschiedliche Vorstellungen von Gesellschaft, in der Wirtschafts-, Sozial- und Bildungspolitik und den internationalen Beziehungen. Möglicherweise können die Franzosen zwischen zwei klaren und sehr verschiedenen Visionen wählen. Das ist gut für die Demokratie.
Heinemann: Den früheren französischen Kulturminister Jacques Lang von der Sozialistischen Partei haben wir vor dieser Sendung in einem Pariser Taxi erreicht.
Jacques Lang: Das stimmt. Internationale Fragen kommen in dieser Debatte nur sehr eingeschränkt vor. Ich bedauere das. Zur Aufgabe eines Staatspräsidenten gehört das Internationale ebenso wie die Innenpolitik. Der Grund dafür liegt im Zustand, in dem sich unser Land seit fünf Jahren befindet. Vor fünf Jahren hatten wir ein traumatisches Erlebnis, als Jean-Marie Le Pen in die zweite Runde der Präsidentschaftswahl einzog. Die vergangenen fünf Jahre bildeten eine Periode der Zweifel, der Zerrissenheit, der Verunsicherung und der Angst. Die Bürger haben darunter gelitten und sie möchten dies heute hinter sich lassen. Und deshalb beschäftigen sie sich gegenwärtig stärker mit den Verhältnissen im eigenen Land. Sie stellen sich vor, dass das Land nach diesem Zeitraum des Zweifels und der Verunsicherung aufgerichtet wird und dass man Moral und den Sinn für das Gemeinsame wiederfindet.
Heinemann: Ségolene Royal spricht viel über die Nation, die Trikolore, sie singt die Marseillaise. Wie sieht ihr europapolitisches Programm aus?
Lang: Ihre Vision von Europa bezieht sich sowohl auf die Institutionen als auch auf den Inhalt der Politik. Was die Institutionen betrifft, so hofft sie, dazu beitragen zu können, dass eine Diskussion mit den EU-Staaten über einen neuen Verfassungsvertrag wieder in Gang gebracht wird. Leider haben die Franzosen und die Niederländer den gegenwärtigen Vertrag abgelehnt. Frau Royal meint, dass der künftige Text Teile des gegenwärtigen übernehmen kann, etwa den Teil über die Reform der Institutionen oder den Schutz der Grundrechte. Sie möchte allerdings auch, dass in den neuen Text Regelungen über die Wirtschaftspolitik, die soziale Sicherheit und den Umweltschutz aufgenommen werden. Sie meint aber nicht, dass man Europa dadurch neuen Schwung verleiht, dass man die Verträge ändert. Der Inhalt der Politik müsste geändert werden. Frau Royal glaubt, dass man durch entschiedenes Handeln Europa eine Seele und eine Vision zurückgeben kann.
Heinemann: Stichwort konkretes Handeln. Nicolas Sarkozy schlägt eine Abwertung des Euro zu Gunsten der europäischen Exportindustrie vor. Ist das eine gute Idee?
Lang: Es stimmt, dass der Euro, verglichen mit dem Dollar oder dem Yuan, eine starke Währung ist. Das benachteiligt den Außenhandel der EU-Staaten. Ich beobachte aber auch, dass Deutschland trotz des hohen Eurokurses enorm viel exportiert. Der wichtigste Grund ist, dass Deutschland in den Mehrwert, Forschung und Innovation, investiert hat. Deutschland führt Produkte mit einem hohen Mehrwert aus, die in hoch qualifizierten Unternehmen hergestellt wurden. Insofern bin ich nicht sicher, ob der Währungskurs so wichtig ist. Wir müssen sicherlich eines Tages darüber mit den Amerikanern und den Chinesen reden, um einen gerechteren und normaleren Wechselkurs zu finden. Ich wüsste aber nicht, wie man einfach autoritär entscheiden könnte, den Eurokurs zu senken.
Heinemann: Welche Erklärung haben Sie für die Popularität des Kandidaten der liberal-konservativen Partei UDF Francois Bayrou?
Lang: Die ist relativ, vorläufig und wird nicht von Dauer sein. Manche Wähler haben die Kandidatur von Herrn Bayrou vielleicht als eine Bewerbung für einen neuen Weg zwischen den beiden Lagern empfunden. Aber je näher die Wahlen rücken, umso klarer werden sich die Wähler entscheiden. Ich habe den Eindruck, dass das Wählerpotenzial von Ségolene Royal zunehmen wird. Ich wage sogar die Voraussage, dass sie einige Chancen hat, im ersten Wahlgang an vorderster Stelle zu liegen.
Heinemann: Francois Bayrou hat eine Regierung von Konservativen und Linken vorgeschlagen, eine Art Große Koalition. Ist die politische Klasse in Frankreich reif dafür?
Lang: Das ist doch sinnlos mit dem heutigen System in Frankreich. In Deutschland mit seinem parlamentarischen System und seinem Verhältniswahlrecht kann es sein, dass eine Große Koalition notwendig wird, wenn keine klare Mehrheit erkennbar ist. In Frankreich ist die Lage eine vollständig andere. Die Präsidentschaftswahl sorgt für eine Mehrheit. Natürlich können in dieser Mehrheit auch Persönlichkeiten mitarbeiten, die aus anderen politischen Strömungen stammen.
Heinemann: Worauf muss sich die Bundeskanzlerin und EU-Ratsvorsitzende Angela Merkel ab Juni einstellen, sollte Ségolene Royal im Mai zur Präsidentin gewählt werden?
Lang: Wenn Ségolene Royal zur Präsidentin gewählt wird, wird zwischen der deutschen Bundeskanzlerin und ihr ein intellektuelles und menschliches Vertrauensverhältnis entstehen. Beide sind Frauen, beide verstehen zu kämpfen und zu handeln. Und ich rechne damit, dass eine Wahl von Ségolene Royal frischen Wind für die deutsch-französische Allianz bedeutete. Eine gewählte Staatspräsidentin Ségolene Royal und Angela Merkel, Kanzlerin von Deutschland, werden Hand in Hand arbeiten, um die europäische Politik voranzubringen.
Heinemann: Sie haben viele Wahlschlachten geschlagen. Worin besteht die Besonderheit dieses Präsidentschaftswahlkampfes?
Lang: Die Kandidaten führen ihren Wahlkampf diesmal losgelöst von den Parteien. Nicht vollständig, aber es gibt eine starke Personalisierung. Wenn ich das mit dem erfolgreichen Wahlkampf von Francois Mitterrand vergleiche, damals waren die Parteien viel stärker eingebunden und die Kandidaten in die Parteien eingegliedert. Heute treten die Kandidaten mit ihrem persönlichen Stil auf. Ein anderer Unterschied – und dieser ist positiv – besteht darin, dass die Wähler sich zwischen völlig unterschiedlichen Programmen entscheiden können. Ich zweifle keine Minute daran, dass sich Nicolas Sarkozy und Ségolene Royal in der Stichwahl gegenüberstehen werden. Beide stehen für vollkommen unterschiedliche Vorstellungen von Gesellschaft, in der Wirtschafts-, Sozial- und Bildungspolitik und den internationalen Beziehungen. Möglicherweise können die Franzosen zwischen zwei klaren und sehr verschiedenen Visionen wählen. Das ist gut für die Demokratie.
Heinemann: Den früheren französischen Kulturminister Jacques Lang von der Sozialistischen Partei haben wir vor dieser Sendung in einem Pariser Taxi erreicht.