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"Das wäre eine Fortsetzung des kollektiven Rechtsbruchs in Europa"

Der FDP-Finanzpolitiker Frank Schäffler lehnt den Vorstoß von EU-Kommissionspräsident Barroso nach einer Ausweitung des europäischen Rettungsschirms ab. Damit würde die Schuldenkrise nur verlängert. Vielmehr müssten die Euro-Staaten, die gegen europäische Regeln verstoßen hätten, ihre Haushalte selbst sanieren.

Frank Schäffler im Gespräch mit Christian Bremkamp | 13.01.2011
    Tobias Armbrüster: Portugal bewegt in diesen Tagen die Finanzmärkte. Gestern hat das Land noch einmal Staatsanleihen im Wert von mehr als einer Milliarde Euro platziert. Aber Portugal muss dafür hohe Zinsen zahlen. Die Frage bleibt, wie lange das noch funktioniert, denn das Land braucht in diesem Jahr wesentlich mehr Geld. Von zusätzlichen 20 Milliarden Euro ist die Rede. Gut möglich also, dass Portugal in den nächsten Wochen oder Monaten unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen muss. Viele EU-Politiker, darunter Kommissionspräsident Barroso, machen sich bereits dafür stark, diesen Fonds noch einmal deutlich aufzustocken.

    Mein Kollege Christian Bremkamp hat darüber gestern Abend mit dem FDP-Politiker Frank Schäffler gesprochen. Der ist Mitglied im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags. Frage an Ihn: Soll der Rettungsschirm ausgeweitet werden ja oder nein?

    Frank Schäffler: Nein natürlich, denn das wäre eine Fortsetzung des kollektiven Rechtsbruchs in Europa und ist deshalb schon abzulehnen, und es würde die völlig falschen ökonomischen Anreize setzen und die Schuldenkrise würde immer weiter fortgesetzt.

    Christian Bremkamp: Kollektiver Rechtsbruch. Warum das?

    Schäffler: Ja, weil das gegen Artikel 125 der Verträge verstößt, und das sage nicht nur ich, sondern das hat jetzt gerade in dieser Woche der wissenschaftliche Beirat auch des Bundeswirtschaftsministers klar und deutlich niedergeschrieben.

    Bremkamp: Die Märkte müssen wissen, die Stabilität des Euro steht nicht zur Disposition, begründet Brüssel den Vorstoß. Was ist daran so falsch?

    Schäffler: Die Logik, dass eine staatliche Schuldenkrise automatisch eine Währungskrise ist, nicht greift, insbesondere wenn das Peripheriestaaten in Europa sind. Es käme auch kein Mensch auf die Idee, nur weil Kalifornien nicht mehr zahlungsfähig ist, dass deshalb der Dollar in Schwierigkeiten gerät. Dieser Zusammenhang wird künstlich hergestellt und es gibt aber keinen direkten Zusammenhang zwischen einer Staatsschuldenkrise und einer Währungskrise.

    Bremkamp: Ist Portugal weniger wichtig als Deutschland, wenn Sie gerade von der Peripherie gesprochen haben?

    Schäffler: Nein, aber jedes Land ist für seine Fiskalpolitik selbst verantwortlich, und so wie beispielsweise Belgien in diesen rund zehn Jahren des Euros sich konsolidiert hat und seinen Gesamtschuldenstand erheblich heruntergefahren hat, so muss man das von allen anderen Ländern auch erwarten in Europa und es kann nicht sein, dass der deutsche Steuerzahler für die Schulden eines anderen Landes eintritt, und im Kern ist das das, was wir jetzt tun.

    Bremkamp: Aber es geht doch auch um Solidarität.

    Schäffler: Ja. Solidarität ist aber keine Einbahnstraße. Es ist nicht der unsolidarisch, der jetzt nicht hilft, sondern es ist der unsolidarisch, der den gesamten Euro-Raum in diese Situation gebracht hat, und das sind diese Länder, die sich über beide Ohren verschuldet haben, die gegen europäische Regeln verstoßen haben, die wir alle ratifiziert haben.

    Bremkamp: Wovor haben Sie konkret Angst?

    Schäffler: Ich habe Angst, dass die Krise aus der Peripherie irgendwann ins Zentrum dringt und sie uns erreicht. Ich glaube, dieser Virus, den wir derzeit feststellen, der frisst sich immer weiter ins System hinein, und meine große Sorge ist, dass er irgendwann mal uns erreicht.

    Bremkamp: Wie erklären Sie sich denn den Vorstoß von Herrn Barroso? War das ein Egotrip, oder wie sehen Sie das?

    Schäffler: Na ja, wenn die Logik akzeptiert wird, dass man immer helfen muss, und wenn Portugal ansteht, dann sagen ja viele am Markt, dass dann Spanien nicht mehr fern ist, und wenn Spanien erreicht wird, dann reicht der Rettungsschirm in seiner jetzigen Form eben nicht aus. Deshalb kommen die ersten, die jetzt sagen, der Rettungsschirm muss ausgeweitet werden. Daran sieht man, dass das, was im Sommer angeleiert wurde, im Kern nicht dazu geführt hat, dass die Krise bewältigt wurde, sondern dass man im Kern Brandbeschleuniger reingeworfen hat, sodass die Krise immer schärfer geworden ist. Denn alle die, die in hoch riskante Anleihen investiert haben, die werden jetzt herausgeboxt, obwohl diese erhöhten Renditen, die sie erzielt haben, eben auch der Preis dafür ist, dass sie auch Gefahren eingegangen sind.

    Bremkamp: Wie könnte man denn solch einen Brandbeschleuniger, wenn er denn brennt, wieder löschen?

    Schäffler: Ja, indem man sich mit den Gläubigern verständigt. Länder, die ihre Schulden nicht bedienen können, oder die sich nicht mehr ausreichend refinanzieren können, die müssen sich im Zweifel mit ihren Gläubigern verständigen auf ein Moratorium, oder auf ein Haircut, oder auf eine Zinsstreckung. Das sind die üblichen Methoden, wie auch andere Finanzkrisen auf dieser Welt, in Argentinien, in Russland, bewältigt wurden. Das ist eigentlich die richtige Herangehensweise. Das was wir jetzt machen, ist eigentlich eine kollektive Verantwortungslosigkeit.

    Bremkamp: Nun hat das geklappt mit dem frischen Geld zu erträglichen Konditionen für Portugal. Nun haben wir aber aus der Schuldenkrise eines sicher gelernt: Was heute funktioniert, kann morgen schon Makulatur sein. Glauben Sie denn, dass sich Portugal langfristig dem Rettungsschirm entziehen kann?

    Schäffler: Nein. Unter der Logik, unter der wir jetzt oder in der wir jetzt stecken, nicht, denn Portugal muss in diesem Jahr 23 Milliarden Euro an den Kapitalmärkten aufnehmen, oder will dies tun. Spanien muss 100 Milliarden aufnehmen. Dass wir da derzeit die Anfänge erleben und nicht das Ende, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

    Bremkamp: Nun berichtet die Nachrichtenagentur Reuters, auch Finanzminister Schäuble denke über eine Ausweitung des Kreditvolumens beim Euro-Schutzschirm nach. Das sei zumindest Thema gewesen beim Treffen der Bundesregierung mit dem italienischen Finanzminister Tremonti und IWF-Chef Strauss-Kahn. Schrillen da bei Ihnen die Alarmglocken?

    Schäffler: Ja, natürlich, denn ohne eine parlamentarische Beratung geht das ohnehin nicht, denn das deutsche Gesetz ist ja gedeckelt. Aber es erinnert mich natürlich an den Sommer letzten Jahres, als schon im April im letzten Jahr die gleichen Nachrichten formuliert wurden oder über den Äther gingen. Das erinnert mich sehr stark daran und ich hoffe, dass der Finanzminister hier nicht Fakten schafft und damit auch das Parlament vor vollendete Tatsachen stellt, so wie er es im Mai letzten Jahres getan hat.

    Armbrüster: So weit der FDP-Politiker Frank Schäffler, Mitglied im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags, zur Situation in Portugal und zu den jüngsten Spekulationen um eine Ausweitung des Euro-Rettungsschirms.