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Portugal nächster Wackelkandidat

Der Abgeordneter im portugiesischen Parlament, Michael Seufert, hofft, dass Portugal nicht auf Finanzhilfen angewiesen sein wird. Gleichzeitig wirft er der Europäische Zentralbank Versagen vor. Im Falle von Portugal und Griechenland hätten die Länder zu lange zu viel Schulden gehabt. Der Stabilitätspakt habe nicht gehalten.

Michael Seufert im Gespräch mit Jürgen Liminski | 30.04.2010
    Jürgen Liminski: Die Ratingagenturen haben nicht nur Griechenland, sondern auch Spanien und Portugal in ihrer Kreditwürdigkeit herabgestuft und damit die Kredite für diese Länder verteuert. Ist Portugal das nächste Opfer der Finanzkrise?

    Darüber wollen wir nun sprechen mit Michael Seufert. Er ist Abgeordneter der konservativen Volkspartei im portugiesischen Parlament und hat, wie der Name andeutet, deutsche Wurzeln. Guten Morgen, Herr Seufert.

    Michael Seufert: Guten Morgen!

    Liminski: Herr Seufert, wie fühlt man sich als Repräsentant eines Landes, das in seiner Kreditwürdigkeit herabgestuft wird?

    Seufert: Man fühlt sich als Repräsentant und als Bürger eines solchen Landes im Moment relativ in die Mangel genommen. Die Börse in Portugal hat diese Woche eine fünfprozentige Herabstufung erfahren, durch dieses Problem mit den Volksanleihen, und wir fühlen das jeden Tag, heute an der Finanzkrise. Die Zukunft im Moment in Portugal wird und ist ein großes Thema.

    Liminski: Ihr Parteichef hat sich mit Premier Sócrates getroffen und der Premier hat danach gesagt:

    José Sócrates: "Ich bin sicher, ganz egal, welche politischen Unterschiede zwischen unseren Parteien bestehen, dass wir gemeinsam den internationalen Verpflichtungen gerecht werden und zu einer finanziellen Stabilität zurückkommen."

    Liminski: Herr Seufert, schweißt die Krise die Nation zusammen oder erwarten Sie eher soziale Unruhen?

    Seufert: Ich muss da nur kurz korrigieren. Das war nicht mein Parteichef, sondern der Chef der größeren Oppositionspartei, der sozialdemokratischen Partei. Aber gestern hatten wir im Parlament eine Debatte, die meine Partei gebeten hat, um just dieses Thema zu debattieren, zu diskutieren.

    In der Politik können wir davon ausgehen, dass sich die nicht kommunistischen Parteien zusammenschweißen. Das heißt, die Konservativen, die Sozialdemokraten und die Sozialisten probieren, zusammen einen Weg zu finden, wie man vor allem den Haushalt ausbessern kann.

    Auf sozialer Ebene müssen wir schauen. Portugal ist ein Land, in dem die Gewerkschaften eine große Macht haben, und es wird wahrscheinlich darauf hinauslaufen, dass wir auch bei den Beamten etwas streichen müssen, und ob das auf Unruhen hinausläuft oder nicht - das ist zu erwarten -, das müssen wir abwarten. Ich nehme an aber, es wird nicht so aussehen wie in Griechenland, wo wir auf den Straßen und im Alltag diese Demonstrationen und diese Probleme gesehen haben.

    Liminski: Wird denn Lissabon Hilfe beantragen so wie Athen?

    Seufert: Ich finde und ich glaube und ich hoffe, dass es Lösungen zu finden gibt, bei denen wir davon ausgehen können, dass wir diese Hilfe nicht brauchen. Aber wie gesagt, da müssen die Parteien einen gemeinsamen Weg finden. Vor allem: Sie müssen verstehen, dass wir zum Beispiel, um bei den Beamten streichen zu können, unter Umständen an die Verfassung gehen müssen. Dafür brauchen wir eine Zweidrittelmehrheit im Parlament.

    Das heißt, wir müssen wirklich zusammenarbeiten und ein bisschen vergessen, was uns unterscheidet. Ich kann Ihnen an sich nicht sagen, ob Portugal diese Hilfe beantragen muss oder nicht, aber es gibt Lösungen und es gilt, diese zu finden, dass wir diese Hilfe nicht brauchen.

    Liminski: Können Sie sich eine Abkehr vom Euro beziehungsweise eine Rückkehr zur alten Währung vorstellen? Das wird ja im Zusammenhang mit Griechenland immer wieder mal erwogen, in der Diskussion, weniger in der Politik, aber jedenfalls in der Presse, dass Griechenland zur Drachme zurückkehrt. Können Sie sich so etwas, einen solchen Weg auch für Portugal vorstellen?

    Seufert: Ich bin ein relativ junger Abgeordneter, ich bin 27 Jahre alt und ich kann mich noch an die alte Währung erinnern, aber viele meiner jüngeren Mitbürger nicht mehr. Ob dieser Weg möglich ist? Ich weiß nicht, wie so etwas aussehen kann.

    Wenn ich bedenke, dass zum Beispiel morgen oder übermorgen jemand Angst haben könnte, dass der Escudo, wie die alte Währung hieß, zurückkommen würde, würden wir alle auf die Banken gehen, unsere Konten nach Spanien oder nach Deutschland umschalten, in Euro behalten, und solch eine neue Währung, oder die alte Währung zurückzuhaben, würde bedeuten, dass unser Geld nichts wert ist.

    Das gleiche würde für unsere Anleihen bedeuten, dass die Anleihen, die Staatsanleihen, die Portugal hat, auch nichts mehr wert sein würden. Ob es also praktisch ist, dass so etwas passiert, finde ich, sei dahingestellt, aber ich verstehe und ich glaube, da hat der Euro, da hat die Europäische Zentralbank versagt. Im Falle von Portugal, im Falle von Griechenland haben wir einfach zu lange zu viel Schulden gehabt und der Stabilitätspakt hat da nicht gehalten.

    Liminski: Das war Michael Seufert. Er ist Abgeordneter der konservativen Volkspartei im portugiesischen Parlament. Besten Dank für das Gespräch, Herr Seufert.

    Seufert: Einen schönen Tag. Danke schön!