Gerwald Herter: Im Iran sind seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl Menschen erschossen worden, außerdem wurden Demonstranten und Oppositionelle festgenommen und in Gefängnisse gesperrt. Um sie muss man sich wohl große Sorgen machen. Nur zur Erinnerung: Im Iran werden Menschen gesteinigt. Wenn man von der Zahl der Einwohner ausgeht, so werden in keinem anderen Land der Welt so viele Todesurteile vollstreckt wie dort. Was derzeit in den Gefängnissen vorgeht, weiß wohl höchstens der iranische Geheimdienst ganz genau. Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Professor Manfred Nowak, hat zumindest Einblicke. Mit ihm bin ich nun verbunden. Herr Nowak, gehen Sie davon aus, dass Menschen in iranischen Gefängnissen derzeit misshandelt werden?
Manfred Nowak: Ja. Leider muss man davon ausgehen. Natürlich ist die Situation derzeit sehr unübersichtlich, aber ich habe schon alle möglichen Beschwerden bekommen, habe mich auch direkt an die iranische Regierung gewandt und sie gebeten, ihre internationalen Verpflichtungen einzuhalten. Das heißt vor allem auch, dass Menschen nicht inkommunikado, das heißt ohne Zugang zur Familie beziehungsweise zu Anwälten, Ärzten, festgehalten werden, dass man weiß wo sie sind und dass sie eben nicht gefoltert oder sonst misshandelt werden.
Herter: Die Offiziellen, also die staatlich gelenkten iranischen Medien berichten, dass sich festgenommene Demonstranten inzwischen dazu bekennen, im Auftrag ausländischer Geheimdienste protestiert zu haben. Das muss Sie ja wohl als den Sonderberichterstatter für Folter zweifellos sehr stark alarmieren, oder?
Nowak: Natürlich. Solche Geständnisse können natürlich sehr leicht unter Folter erpresst worden sein. Aber ich kann es auch nicht ausschließen, dass es stimmt, natürlich aufgrund der Informationslage, die ich hier habe, aber es spricht sehr viel dafür, dass das dann für staatliche Propaganda missbraucht wird und Leute auch hier wirklich massivem Druck ausgesetzt werden, was insofern auch nicht überraschend ist, weil auch in der sogenannten normalen Zeit - und derzeit ist wirklich ein Ausnahmezustand; das Regime ist wirklich sehr stark unter Druck - ich immer wieder klare Vorwürfe bekommen habe, dass in den Gefängnissen und auch in der Polizei und natürlich im Geheimdienst gefoltert wird.
Herter: In normalen Zeiten, sagen Sie, da gilt auch islamisches Recht im Iran. Verträgt sich Folter mit islamischem Recht?
Nowak: Islamisches Recht ist sehr, sehr dehnbar und interpretierbar. Das heißt, es geht weniger um das Recht, sondern um dessen Vollziehung. Wie es derzeit im Iran vollzogen wird, ist es sicherlich nicht verträglich. Insbesondere sind Körperstrafen, wie sie aufgrund der Scharia vorgesehen werden, einschließlich der Steinigung von Frauen wegen Ehebruchs, zum Teil auch von Jugendlichen, auch Amputationen für Diebe et cetera, das sind Körperstrafen, die auf alle Fälle als eine grausame, unmenschliche Strafe angesehen werden müssen und daher nach internationalem Recht absolut verboten sind.
Herter: Auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon, hat inzwischen die iranische Führung aufgerufen, die Menschenrechte zu beachten. Das war vorgestern. Geschah das nicht viel zu spät?
Nowak: Er ist nicht der einzige. Die Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, hat sich sehr früh auch schon an die iranische Führung gewandt. Wie gesagt, verschiedene Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zu unterschiedlichen Fragen wie Religionsfreiheit, auch für Fragen der willkürlichen Hinrichtungen, haben sich sehr schnell zuerst einmal nicht in der Öffentlichkeit, sondern direkt - das ist unsere Aufgabe - an die iranische Regierung gewandt und gesagt, das sind alarmierende Berichte, die wir bekommen, und bitte haltet die Menschenrechte ein. Erst in einem zweiten Schritt wendet man sich dann an die Öffentlichkeit. Ich glaube, das ist ein ganz normaler Prozess, man muss einmal abwarten. Wir sind ja nicht selbst im Iran tätig. Das heißt, wir sind auf Quellen angewiesen, deren Stichhaltigkeit man überprüfen muss. Ich glaube schon, dass die Vereinten Nationen doch insgesamt sehr deutlich sich an die iranische Führung gewandt haben und die Einhaltung der Menschenrechte angemahnt haben.
Herter: Ich habe den Eindruck, dass die iranische Führung zumindest den Vereinten Nationen eine gewisse Autorität beimisst. Man arbeitet ja zusammen in verschiedenen Arbeitsgruppen, auch mit der Internationalen Atomenergiebehörde und so weiter. Kommt den Vereinten Nationen deswegen hier eine besondere Verantwortung zu?
Nowak: Den Vereinten Nationen kommt weltweit eine große Verantwortung zu, natürlich als die einzige wirkliche weltumfassende Organisation, aber darüber hinaus sind die Vereinten Nationen für Asien besonders wichtig, weil es dort keine regionale Organisation gibt, die für die Einhaltung der Menschenrechte sorgt, so wie es der Europarat in Europa ist oder die Afrikanische Union in Afrika, und Ähnliches gilt für Amerika. Das heißt, hier bleiben nur die Vereinten Nationen und deswegen haben sie eine besondere Verantwortung, in asiatischen Staaten die Menschenrechte einzufordern.
Herter: Sie haben von einer Misshandlung von Gefangenen gesprochen, die dann besteht, wenn eine Kontaktsperre auferlegt wird. Wir wissen alle, dass die iranische Führung versucht, das Internet zu stören, auch den Mobilfunkverkehr zu stören. Verstößt das auch gegen das Menschenrecht?
Nowak: Natürlich! Es gibt ein Menschenrecht auf Meinungsfreiheit, auf Versammlungsfreiheit und auf Informationsfreiheit. Die massive Einflussnahme auf die Berichterstattung ist natürlich eine unzulässige Einschränkung dieser politischen Freiheitsrechte. Natürlich muss das abgewogen werden mit legitimen staatlichen Interessen wie die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, das ist keine Frage, aber deswegen eine absolute Informationssperre und auch eine Zugangssperre für ausländische Journalisten zu errichten, das widerspricht den klaren Verpflichtungen, die Iran aufgrund der Tatsache hat, dass es den internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte ratifiziert hat und daher sich international verpflichtet hat, diese Rechte zu respektieren.
Herter: Was halten Sie von den Reaktionen ausländischer Staaten, gerade europäischer Staaten? Da werden Botschafter einbestellt, unterrichtet, man will mit ihnen Dinge klären. Das sind die Mittel der klassischen Diplomatie. Halten Sie das für angemessen und bringt das etwas?
Nowak: Na ja, wir haben im Bereich der bilateralen Beziehungen natürlich das Grundproblem, dass Staaten zum Teil auch mit Recht sagen, dass das innerstaatliche Angelegenheiten sind, wo sich andere Staaten nicht unzulässigerweise einmischen sollen. Das gilt nicht nur für den Iran, sondern für alle Staaten. Wenn sie sofort kritisiert werden von anderen, sagen sie, das ist im Prinzip unsere Souveränität, wie wir mit eigenen Unruhen - und Unruhen sind es, das ist keine Frage - umgehen. Auf der anderen Seite haben wir heute wirklich eine sehr, sehr ernst zu nehmende und eine sehr bedrohliche Situation im Iran. Wir wissen nicht, ob es weiter eskalieren wird.
Die Gewalt, die schon ausgeübt wurde und die jetzt auch weiter angedroht wurde, sei es vom Wächterrat, sei es von den Milizen et cetera, ist sicher exzessive Gewalt. Es gibt keine klaren Hinweise, dass in der Regel die Demonstranten an sich gewalttätig waren, sondern im großen und ganzen waren das friedliche Demonstrationen. Auch wenn die die Legitimität der derzeitigen Führung, natürlich vor allem auch der Wahlen in Frage stellen, ist das immer noch eine legitime Ausübung der Meinungsfreiheit, auf die nicht mit derart exzessiver Gewalt reagiert werden darf, und das fällt direkt in mein Mandat. Es geht jetzt nicht nur darum, ob die Leute im Gefängnis dann gefoltert werden, sondern jede exzessive Gewalt von Polizei, aber auch Milizen auf der Straße ist eine Misshandlung, wenn sie eben nicht wirklich gerechtfertigt ist. Sprich: wenn ein Demonstrant gewalttätig ist, dann darf sich natürlich auch ein Polizist mit Gewalt dagegen wehren. Aber auf friedliche Demonstranten zu schießen oder Wasserwerfer mit heißem Wasser einzusetzen, Pfefferspray und was immer, muss man nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beurteilen und der ist nach meiner Einschätzung der Situation in diesen letzten Tagen deutlich überschritten worden. Das heißt, das war nicht mehr legitime Gewaltausübung, sondern sehr wohl eine Verletzung der internationalen Verpflichtungen.
Herter: Herr Nowak, werden Sie versuchen, in den Iran zu reisen?
Nowak: Ich habe des öfteren schon die iranische Regierung gebeten, mich einzuladen, eben insbesondere auch aufgrund der Scharia-Strafen, aufgrund der Art und Weise, wie die Todesstrafe exekutiert wird, aber eben auch aufgrund von Hinweisen auf Folter in den Gefängnissen. Bisher hat mich die iranische Regierung nicht eingeladen, aber ich habe erst vor nicht allzu langer Zeit in Genf ein sehr interessantes Gespräch gehabt, wurde eingeladen in die iranische Botschaft, um einfach die Kooperation zu verbessern, und da hat sich eine gewisse Hoffnung bei mir eingestellt, dass ich doch eingeladen werde. Ob das jetzt mit der derzeitigen Situation hinfällig ist, das kann man im Moment gar nicht sagen. Natürlich wäre ich sehr interessiert, vor Ort auch wirklich zu recherchieren. Wenn der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen die zunehmende Eskalation zum Anlass nimmt für eine Sondersitzung, dann könnte der Menschenrechtsrat als oberstes Organ der Vereinten Nationen, der sich mit Menschenrechten befasst, natürlich eine Ad-hoc-Untersuchung durch verschiedene Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen anordnen.
Herter: Manfred Nowak, UN-Sonderberichterstatter für Folter, über die Situation im Iran. Vielen Dank und alles Gute nach Wien.
Nowak: Herzlichen Dank.
Manfred Nowak: Ja. Leider muss man davon ausgehen. Natürlich ist die Situation derzeit sehr unübersichtlich, aber ich habe schon alle möglichen Beschwerden bekommen, habe mich auch direkt an die iranische Regierung gewandt und sie gebeten, ihre internationalen Verpflichtungen einzuhalten. Das heißt vor allem auch, dass Menschen nicht inkommunikado, das heißt ohne Zugang zur Familie beziehungsweise zu Anwälten, Ärzten, festgehalten werden, dass man weiß wo sie sind und dass sie eben nicht gefoltert oder sonst misshandelt werden.
Herter: Die Offiziellen, also die staatlich gelenkten iranischen Medien berichten, dass sich festgenommene Demonstranten inzwischen dazu bekennen, im Auftrag ausländischer Geheimdienste protestiert zu haben. Das muss Sie ja wohl als den Sonderberichterstatter für Folter zweifellos sehr stark alarmieren, oder?
Nowak: Natürlich. Solche Geständnisse können natürlich sehr leicht unter Folter erpresst worden sein. Aber ich kann es auch nicht ausschließen, dass es stimmt, natürlich aufgrund der Informationslage, die ich hier habe, aber es spricht sehr viel dafür, dass das dann für staatliche Propaganda missbraucht wird und Leute auch hier wirklich massivem Druck ausgesetzt werden, was insofern auch nicht überraschend ist, weil auch in der sogenannten normalen Zeit - und derzeit ist wirklich ein Ausnahmezustand; das Regime ist wirklich sehr stark unter Druck - ich immer wieder klare Vorwürfe bekommen habe, dass in den Gefängnissen und auch in der Polizei und natürlich im Geheimdienst gefoltert wird.
Herter: In normalen Zeiten, sagen Sie, da gilt auch islamisches Recht im Iran. Verträgt sich Folter mit islamischem Recht?
Nowak: Islamisches Recht ist sehr, sehr dehnbar und interpretierbar. Das heißt, es geht weniger um das Recht, sondern um dessen Vollziehung. Wie es derzeit im Iran vollzogen wird, ist es sicherlich nicht verträglich. Insbesondere sind Körperstrafen, wie sie aufgrund der Scharia vorgesehen werden, einschließlich der Steinigung von Frauen wegen Ehebruchs, zum Teil auch von Jugendlichen, auch Amputationen für Diebe et cetera, das sind Körperstrafen, die auf alle Fälle als eine grausame, unmenschliche Strafe angesehen werden müssen und daher nach internationalem Recht absolut verboten sind.
Herter: Auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon, hat inzwischen die iranische Führung aufgerufen, die Menschenrechte zu beachten. Das war vorgestern. Geschah das nicht viel zu spät?
Nowak: Er ist nicht der einzige. Die Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, hat sich sehr früh auch schon an die iranische Führung gewandt. Wie gesagt, verschiedene Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen zu unterschiedlichen Fragen wie Religionsfreiheit, auch für Fragen der willkürlichen Hinrichtungen, haben sich sehr schnell zuerst einmal nicht in der Öffentlichkeit, sondern direkt - das ist unsere Aufgabe - an die iranische Regierung gewandt und gesagt, das sind alarmierende Berichte, die wir bekommen, und bitte haltet die Menschenrechte ein. Erst in einem zweiten Schritt wendet man sich dann an die Öffentlichkeit. Ich glaube, das ist ein ganz normaler Prozess, man muss einmal abwarten. Wir sind ja nicht selbst im Iran tätig. Das heißt, wir sind auf Quellen angewiesen, deren Stichhaltigkeit man überprüfen muss. Ich glaube schon, dass die Vereinten Nationen doch insgesamt sehr deutlich sich an die iranische Führung gewandt haben und die Einhaltung der Menschenrechte angemahnt haben.
Herter: Ich habe den Eindruck, dass die iranische Führung zumindest den Vereinten Nationen eine gewisse Autorität beimisst. Man arbeitet ja zusammen in verschiedenen Arbeitsgruppen, auch mit der Internationalen Atomenergiebehörde und so weiter. Kommt den Vereinten Nationen deswegen hier eine besondere Verantwortung zu?
Nowak: Den Vereinten Nationen kommt weltweit eine große Verantwortung zu, natürlich als die einzige wirkliche weltumfassende Organisation, aber darüber hinaus sind die Vereinten Nationen für Asien besonders wichtig, weil es dort keine regionale Organisation gibt, die für die Einhaltung der Menschenrechte sorgt, so wie es der Europarat in Europa ist oder die Afrikanische Union in Afrika, und Ähnliches gilt für Amerika. Das heißt, hier bleiben nur die Vereinten Nationen und deswegen haben sie eine besondere Verantwortung, in asiatischen Staaten die Menschenrechte einzufordern.
Herter: Sie haben von einer Misshandlung von Gefangenen gesprochen, die dann besteht, wenn eine Kontaktsperre auferlegt wird. Wir wissen alle, dass die iranische Führung versucht, das Internet zu stören, auch den Mobilfunkverkehr zu stören. Verstößt das auch gegen das Menschenrecht?
Nowak: Natürlich! Es gibt ein Menschenrecht auf Meinungsfreiheit, auf Versammlungsfreiheit und auf Informationsfreiheit. Die massive Einflussnahme auf die Berichterstattung ist natürlich eine unzulässige Einschränkung dieser politischen Freiheitsrechte. Natürlich muss das abgewogen werden mit legitimen staatlichen Interessen wie die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, das ist keine Frage, aber deswegen eine absolute Informationssperre und auch eine Zugangssperre für ausländische Journalisten zu errichten, das widerspricht den klaren Verpflichtungen, die Iran aufgrund der Tatsache hat, dass es den internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte ratifiziert hat und daher sich international verpflichtet hat, diese Rechte zu respektieren.
Herter: Was halten Sie von den Reaktionen ausländischer Staaten, gerade europäischer Staaten? Da werden Botschafter einbestellt, unterrichtet, man will mit ihnen Dinge klären. Das sind die Mittel der klassischen Diplomatie. Halten Sie das für angemessen und bringt das etwas?
Nowak: Na ja, wir haben im Bereich der bilateralen Beziehungen natürlich das Grundproblem, dass Staaten zum Teil auch mit Recht sagen, dass das innerstaatliche Angelegenheiten sind, wo sich andere Staaten nicht unzulässigerweise einmischen sollen. Das gilt nicht nur für den Iran, sondern für alle Staaten. Wenn sie sofort kritisiert werden von anderen, sagen sie, das ist im Prinzip unsere Souveränität, wie wir mit eigenen Unruhen - und Unruhen sind es, das ist keine Frage - umgehen. Auf der anderen Seite haben wir heute wirklich eine sehr, sehr ernst zu nehmende und eine sehr bedrohliche Situation im Iran. Wir wissen nicht, ob es weiter eskalieren wird.
Die Gewalt, die schon ausgeübt wurde und die jetzt auch weiter angedroht wurde, sei es vom Wächterrat, sei es von den Milizen et cetera, ist sicher exzessive Gewalt. Es gibt keine klaren Hinweise, dass in der Regel die Demonstranten an sich gewalttätig waren, sondern im großen und ganzen waren das friedliche Demonstrationen. Auch wenn die die Legitimität der derzeitigen Führung, natürlich vor allem auch der Wahlen in Frage stellen, ist das immer noch eine legitime Ausübung der Meinungsfreiheit, auf die nicht mit derart exzessiver Gewalt reagiert werden darf, und das fällt direkt in mein Mandat. Es geht jetzt nicht nur darum, ob die Leute im Gefängnis dann gefoltert werden, sondern jede exzessive Gewalt von Polizei, aber auch Milizen auf der Straße ist eine Misshandlung, wenn sie eben nicht wirklich gerechtfertigt ist. Sprich: wenn ein Demonstrant gewalttätig ist, dann darf sich natürlich auch ein Polizist mit Gewalt dagegen wehren. Aber auf friedliche Demonstranten zu schießen oder Wasserwerfer mit heißem Wasser einzusetzen, Pfefferspray und was immer, muss man nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beurteilen und der ist nach meiner Einschätzung der Situation in diesen letzten Tagen deutlich überschritten worden. Das heißt, das war nicht mehr legitime Gewaltausübung, sondern sehr wohl eine Verletzung der internationalen Verpflichtungen.
Herter: Herr Nowak, werden Sie versuchen, in den Iran zu reisen?
Nowak: Ich habe des öfteren schon die iranische Regierung gebeten, mich einzuladen, eben insbesondere auch aufgrund der Scharia-Strafen, aufgrund der Art und Weise, wie die Todesstrafe exekutiert wird, aber eben auch aufgrund von Hinweisen auf Folter in den Gefängnissen. Bisher hat mich die iranische Regierung nicht eingeladen, aber ich habe erst vor nicht allzu langer Zeit in Genf ein sehr interessantes Gespräch gehabt, wurde eingeladen in die iranische Botschaft, um einfach die Kooperation zu verbessern, und da hat sich eine gewisse Hoffnung bei mir eingestellt, dass ich doch eingeladen werde. Ob das jetzt mit der derzeitigen Situation hinfällig ist, das kann man im Moment gar nicht sagen. Natürlich wäre ich sehr interessiert, vor Ort auch wirklich zu recherchieren. Wenn der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen die zunehmende Eskalation zum Anlass nimmt für eine Sondersitzung, dann könnte der Menschenrechtsrat als oberstes Organ der Vereinten Nationen, der sich mit Menschenrechten befasst, natürlich eine Ad-hoc-Untersuchung durch verschiedene Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen anordnen.
Herter: Manfred Nowak, UN-Sonderberichterstatter für Folter, über die Situation im Iran. Vielen Dank und alles Gute nach Wien.
Nowak: Herzlichen Dank.